Der Wohlfahrtsstaat der Zukunft

Zehn Vorschläge für ein soziales Südtirol

Donnerstag, 04. Oktober 2018 | 11:47 Uhr

Bozen – Das AFI | Arbeitsförderungsinstitut schlägt zehn Maßnahmen für die Südtiroler Sozialpolitik der Zukunft vor. Diese Vorschläge sind im Zuge einer aktuellen Studie zum Südtiroler Wohlfahrtsstaat herangereift, die sich auf die breite Erfahrung der heimischen Experten und der Gewerkschaften stützt. „Mit der ‚Agenda Welfare 2030‘ möchte das AFI Entscheidungsträger und Fachkräfte einladen, neue Wege einzuschlagen, um das Südtiroler Sozialsystem weiterhin an der Spitze zu halten“, sagt die Vizedirektorin des AFI, Silvia Vogliotti, die zusammen mit Nicola Simonetti die Studie erarbeitet hat.

Ein Sozialsystem der Avantgarde

Es sei ein Sozialsystem der Avantgarde, das sich das Land Südtirol bisher aufgebaut habe, betont Vogliotti. Dank der autonomen Zuständigkeiten und der eigenen Finanzierung, aber auch dank einer weitsichtigen und guten Verwaltung des Gemeinwesens, sei es gelungen, der Bevölkerung einen hoch entwickelten und differenzierten sozialen Schutz zu bieten. Doch es gebe Spielraum für Optimierungen, so Vogliotti.

Die zehn Vorschläge des AFI:

Mehr soziale Innovation: Das Prinzip Innovation sollte nicht nur für Technik und Wirtschaft, sondern auch für das Soziale gelten: Neue Ideen und neue Dienste verbessern den Wohlfahrtsstaat und lassen ihn gesund wachsen.

Mehr Dialog der sozialen Akteure: Es muss eine Plattform bzw. ein Netzwerk geschaffen werden, das alle Akteure des Sozialbereiches verbindet, ihre Zuständigkeiten aufwertet, die Zusammenarbeit anregt und das System-Monitoring verbessert.

Mehr Schutz für die Schwächeren: Die Vereinfachung und Zusammenlegung von Sozialleistungen baut den Schutz für die Schwächeren aus und verringert bürokratischen Aufwand.

Mehr in soziale Berufe investieren: Die Arbeitsbedingungen und das Image der sozialen Berufe müssen verbessert werden, um der für unsere Gesellschaft immer wichtiger werdenden Funktion der Pflegekraft („caregiver“) die geschuldete Würde und Anerkennung zu geben.

Recht auf Platz im Kinderhort: Es sollte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, ein Recht auf Kinderbetreuungsdienste im Vorschulalter einzuführen, mit einer Ausweitung und einheitlichen Gestaltung im ganzen Land.

Das Pflegegeld auf klare Grundlagen stellen: Der Bezug von Pflegegeld sollte an einen regulären Arbeitsvertrag mit einer Pflegekraft gekoppelt und bemessen sein. Das würde die Einzahlung der Sozialbeiträge für die Pflegekräfte sichern und die Schwarzarbeit reduzieren.

Den öffentlichen Gesundheitsdienst verteidigen: Der nationale Gesundheitsdienst ist ein kostbarer Edelstein, der auf freie Zugänglichkeit, Gleichberechtigung, Transparenz und hohe Behandlungsstandards gründet. Bislang konnten diese Kriterien nicht alle gleich gut verwirklicht werden, was aber keineswegs eine Entmantelung des Systems rechtfertigt, sondern im Gegenteil dessen Verteidigung notwendig macht.

„Nach uns“: Es braucht konkrete und angemessene Lösungen, um beeinträchtigten Menschen ein eigenständiges Leben zu gewährleisten. Dazu dient ein Wohnangebot auf Maß mit Heimen und auch Wohngemeinschaften, welche die autonome Lebensführung fördern und Menschen mit Behinderung in die Lage versetzen, auch nach dem Tod ihrer Eltern ein würdevolles Leben zu führen.

Wohnangebot schaffen statt Nachfrage anheizen: Um den Grundwohnbedarf zu sichern, muss neben dem privaten Markt der Sozialwohnbau sein Angebot entscheidend erweitern. Es könnten zum Beispiel aufgelassene Militärareale in Siedlungsräume umgewandelt werden. Um die Wohnungspreise zu reduzieren, wären mittel- oder langfristig die öffentlichen Beiträge abzuschaffen, die viele für einen Auslöser des Preisanstieges halten.

Einheits-Scheck für die Grundsicherung: Im Sinne der Vereinfachung, des einfacheren Zuganges und der flexibleren Handhabung sollten die Leistungen der finanziellen Sozialhilfe nicht mit getrennten Teilbeträgen und Zahlungen, sondern mit einem einzigen Grundsicherungs-Scheck nach Trentiner Vorbild ausgeschüttet werden.

„Eine alternde Gesellschaft, neue Bedürfnisse, die Mobilität der Arbeitskräfte und das gesamtstaatliche Umfeld stellen das Land vor neue Herausforderungen im Sozialen. Doch es besteht Spielraum für einen noch besseren Wohlfahrtsstaat. Mit der ‚Agenda Welfare 2030‘ will das Arbeitsförderungsinstitut dazu beitragen, in der kommenden Legislaturperiode die Effizienz und die Wirksamkeit der gebotenen sozialen Leistungen und der Dienste in den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen des Landes weiter zu verbessern. Wir wollen einen Blick in die Zukunft werfen, um weiterhin Familien mit Kindern zu fördern, und um eine Unterstützung vor den Gefahren der Alterung, der Armut, der sozialen Ausgrenzung weiterhin sicherzustellen, um einen hohen Sozialschutz, für diejenigen, die in diesem Land leben und arbeiten, zu gewährleisten“, erklärt AFI-Präsidentin Christine Pichler.

Von: mk

Bezirk: Bozen