„Feurigen“ Wolf ernst nehmen – ein Kommentar

Auf den Bergen und unter den Fingernägeln

Donnerstag, 29. Juni 2023 | 01:32 Uhr

Bozen – Viele Südtiroler staunten nicht schlecht, als sie in der Herz-Jesu-Nacht einen „feurigen“ Wolf, auf den ein Gewehr gerichtet ist, sahen. Das gewählte Motiv, das vom Ahornacher Jöchl im Ahrntal weit in den Nachthimmel hinausstrahlte, konnte nur als Forderung an die Verantwortlichen interpretiert werden, das Wolfsproblem endlich anzugehen.

Wie kaum anders zu erwarten, löste der „feurige“ Wolf eine heftige Debatte aus. Während die einen zustimmten und meinten, dass der Wolf der Berglandwirtschaft empfindlich schade und die Politik bisher zu wenig tue, um das Wolfsproblem zu lösen, sprachen andere von einer geschmacklosen Initiative und von schäbigem Missbrauch einer Tradition und eines religiösen Festes.

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Letztere vergessen aber, dass gerade in Südtirol die Herz-Jesu-Feuer nie „nur“ eine religiöse Tradition waren, mit denen an das „Herz-Jesu-Gelöbnis“ von 1796 gegen die Gefahr des Einmarsches napoleonischer Truppen gedacht wurde. Die Feuer, die von Freiwilligen zahlreich auf den Bergen entzündet wurden, dienten schon immer dazu, politische Botschaften zu vermitteln und „denen da oben“ zu sagen, welche Anliegen die einfache Bevölkerung beschäftigten.

Die Feuer waren immer schon ein Bekenntnis zur Heimat. Sie waren zunächst ein Zeichen des Schmerzes, der mit der Zerreißung Tirols verbunden wurde, und später ein stiller Protest gegen die vorenthaltene Autonomie. Bis vor nicht wenigen Jahren wurde mit den Bergfeuern manchmal auch die Forderung nach Selbstbestimmung unterstrichen. Kurz, die Herz-Jesu-Feuer waren seit jeher auch ein Gradmesser dafür, was den Südtirolern unter den Fingernägeln brannte.

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Nicht nur die direkt davon betroffenen Bergbauern, sondern auch viele Südtiroler, die nicht unter den von den Großraubtieren verursachten Nutztierrissen zu leiden haben, sind der festen Meinung, dass zum Fortbestand der Berglandwirtschaft die Regulierung des Wolfsbestandes endlich in Angriff genommen werden müsse. In diesem Sinne ist der „feurige“ Wolf, auf den ein Gewehr gerichtet ist, nichts anderes als eine Mahnung an die politischen Verantwortlichen, keine Zeit mehr zu verlieren.

 

Von: ka

Bezirk: Bozen