Von: luk
Meran – Wer in den vergangenen Monaten die Gärten von Schloss Trauttmansdorff besuchte, mag beim Anblick des Glashauses überrascht gewesen sein. Statt der gewohnten üppigen Vegetation und Tropenatmosphäre steht man in einem neu bepflanzten Raum. Bei einer Pressekonferenz am heutigen Dienstag klärten Verantwortliche der Gärten und des Landespflanzenschutzdienstes über die Hintergründe dieses Pflanzenschwundes auf. Wissenschaftliche Erklärungen zu diesem botanischen Krimi um eine tropische Käferart lieferte der Entomologe Hannes Schuler von der Freien Universität Bozen.
In seinem Ursprungsgebiet Südostasien ist er ein gefürchteter Schädling im Teeanbau. Doch mittlerweile findet er sich auch in Israel, den USA oder Südafrika, wo er teils enorme Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen wie Avocado- oder Kakaoplantagen und im urbanen Grün verursacht. Die Rede ist vom Teezweigbohrer, Euwallacea fornicatus, einem Ambrosiakäfer mit einer interessanten Biologie, aber großem Schadpotenzial. Im Laufe ihrer Evolution haben Ambrosiakäfer Sozialsysteme entwickelt, die mit jenen von Bienen und Ameisen vergleichbar sind. Neben einer kooperativen Brutpflege betreiben die zwei Millimeter kleinen Insekten eine Art von „Ackerbau“, indem sie Pilzsporen in ihre Nester tragen und diese in dafür angelegten Tunneln im Holz kultivieren. Während die meisten Ambrosia-Käfer sich ausschließlich in toten Bäumen entwickeln, befällt der Teezweigbohrer gesunde Bäume.
In Europa, wo diese Insektenart nicht heimisch ist, schien man von solchen Problemen unberührt – bis im vergangenen Frühjahr im Glashaus der Gärten von Schloss Trauttmansdorff an einigen Bäumen Löcher und Bohrmehl entdeckt wurden. „Als wir diese Befallssymptome im April 2020 im Glashaus entdeckten, riefen wir sofort Experten des Landespflanzenschutzdienstes zur Hilfe“, erklärt Chefgärtner Oliver Urlandt von den Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Nachdem die Insektenart am Versuchszentrum Laimburg mittels molekularbiologischer Verfahren bestimmt worden war, wurde vom Landespflanzenschutzdienst umgehend das Abriegeln des befallenen Bereiches verfügt. Damit konnte die Gefahr einer Ausbreitung auch außerhalb des Gewächshauses verhindert werden. Alle Pflanzen, darunter allein 500 Orchideen, mussten unter amtlicher Aufsicht entfernt und verbrannt werden. „Um sicher zu gehen, dass kein versteckter Käfer überlebt, wurde das Glashaus über mehrere Monate hinweg einer sogenannten „Wärmetherapie“ unterzogen. Parallel dazu wurden im botanischen Garten und in einem Umkreis von mehreren Kilometern umfassende Kontrollen durchgeführt und eine Vielzahl an Lockstofffallen installiert“, berichtet Stefan Schwembacher vom Landespflanzenschutzdienst, der die Maßnahmen koordiniert hat.
Während man in den beliebten Gärten bei Meran die Neubepflanzung des Glashauses anging, heftete sich der Insektenforscher Hannes Schuler von der Freien Universität Bozen an die Fersen der Eindringlinge. Die wichtigste Frage dabei lautete: Wie konnte die nichtheimische Art in das Gewächshaus der Gärten gelangen? Antworten darauf fand der Wissenschaftler auch dank der Vernetzung mit europäischen Kollegen. Über einen Kontakt in Polen fand er heraus, dass es dort bereits im Jahr 2017 einen ähnlichen Vorfall in einem tropischen Gewächshaus gegeben hatte. Dank eines genetischen Vergleichs konnte Schuler belegen, dass es sich um den exakt identischen Genotypen des Käfers handelte. „Dadurch konnten wir beweisen, dass beide Fälle denselben Ursprung haben und wohl gemeinsam in Europa eingeschleppt wurden. Obwohl es für diese Borkenkäferart eine sehr gute genetische Datenbank gibt, konnten wir die ursprüngliche Herkunft der Schädlinge nicht restlos klären. Wir konnten den vermutlichen Ursprung aber auf das Gebiet um Vietnam eingrenzen“, sagt Hannes Schuler. Nach einer Rekonstruktion der Zukäufe für das Glashaus geht man davon aus, dass der Befall auf einen Import von Pflanzen aus Holland im Jahr 2018 zurückzuführen war.
Eine These, die sich mit zwei weiteren Funden des Teezweigbohrers im Jänner 2021 in Glashäusern in Berlin und Erfurt erhärtete. In beiden Fällen führten die Spuren in ein holländisches Glashaus, in dem nach Einschaltung der dortigen Behörden noch weitere Schädlinge gefunden wurden. Auch die in Deutschland und Holland gefundenen Käfer unterzog Hannes Schuler im Verbund mit europäischen Kolleginnen und Kollegen einer genetischen Analyse. Das Ergebnis zeigte, dass Käfer aller drei Befallsherde denselben Genotypen des Teezweigbohrers entsprachen, sich allerdings von den in Südtirol und Polen gefundenen Käfern genetisch unterschieden. „Somit konnten wir beweisen, dass die Fälle in Deutschland über einen kommerziellen Pflanzengroßhändler aus Holland erfolgten, jedoch eine unterschiedliche Herkunft hatten als die Käfer in Polen und Meran. Zudem konnten wir genetische Varianten dieses Käfers in zwei Gewächshäusern in Holland finden, die noch nirgends in Europa beschrieben wurden. Durch die Vernichtung aller befallenen Pflanzen durch die Kollegen in Holland, konnte eine weitere Verbreitung dieser Käfer in Europa verhindert werden.“ Der gesamte Fall wurde von Hannes Schuler und Wissenschaftler*innen der betroffenen Länder in einem wissenschaftlichen Paper dokumentiert und auf dem Preprint Server „Research Square“ veröffentlicht. „Unsere Arbeit zeigt, wie wichtig es ist, solche Fälle zu untersuchen und die Invasionswege zu rekonstruieren, um die Wurzel des Übels zu finden und weitere Ausbreitungen zu verhindern “, unterstreicht Hannes Schuler.
„Dieser Fall zeigt, wie wichtig ein intensives Monitoring fremdländischer Schadorganismen und eine regelmäßige Kontrolle exotischer, aber auch einheimischer Pflanzen ist. Durch die raschen Maßnahmen konnte verhindert werden, dass dieser Schädling sich weiter ausbreitet und etabliert. Gleichzeitig dient er als Beispiel für eine gute Zusammenarbeit mehrerer Akteure. So konnte der heikle Fall vorbildlich gelöst werden“, meint Stefan Schwembacher vom Landespflanzenschutzdienst.
Auch Obergärtner Oliver Urlandt dankte allen beteiligten Partnern für das rasche und effiziente Einschreiten im Glashaus der Gärten von Schloss Trauttmansdorff. „Dieser Fall hat uns nicht nur gezeigt, wie achtsam beim Ankauf oder Import von exotischen Pflanzen vorzugehen ist. Wir haben auch erlebt, wie viel Kompetenz im Land vorhanden ist, um eine gefährliche Ausbreitung von nichtheimischen Arten mit all ihren ökologischen und ökonomischen Folgen zu verhindern.“