Ein Gespräch mit Young and Direct-Leiter Dr. Michael Reiner

Die Unsicherheit der Jugend

Freitag, 03. August 2018 | 08:02 Uhr

Bozen – Unsere Gesellschaft befindet sich im ständigen Wandel. Da sich Jugendliche in einem besonders fragilen Alter befinden, spüren sie die Veränderungen oft am unmittelbarsten. Südtirol News hat „Young and Direct“-Leiter Dr. Michael Reiner gefragt, wie die Jugendlichen damit zurechtkommen.
Das Jugendalter ist eine komplizierte Zeit, geprägt von ständigen Veränderungen – sowohl im Körper als auch in der Psyche. Das macht Jugendliche anfälliger für Probleme und Unsicherheiten.

Bis zu 75 Prozent der psychischen Erkrankungen treten vor dem 25. Lebensjahr in Erscheinung – ein Thema, das häufig ein Tabu bleibt. Was also sind diese Unsicherheiten, die heute so viele Jugendliche plagen?

“Den Jugendlichen fällt es immer schwerer, Entscheidungen zu treffen. Sie haben unzählige Möglichkeiten und fürchten daher, dass später etwas noch Besseres auf sie zukommen wird. Diese Angst tritt schon bei ganz kleinen Dingen auf; muss man sich entscheiden, ob man lieber auf das eine oder das andere Fest gehen will, mit dem einen Freund oder dem anderen. Ein Problem wird es bei wichtigeren Entscheidungen, wie Arbeitssuche oder Beziehungen”, so Dr. Michael Reiner.

Diese Angst wird auch “FOMO” – fear of missing out – genannt. Dabei fürchtet man, das Beste zu verpassen. Gerade durch diese Angst besteht die Gefahr, das ganze Leben zu verpassen.

Viele Jugendliche checken immer wieder die Social Media-Profile der eigenen Freunde oder Bekannten, um zu sehen, ob diese vielleicht etwas Tolles machen, wozu sie selbst vielleicht nicht eingeladen wurden.

Die Angst vor der falschen Entscheidung betrifft aber auch größere, wichtige Schritte, die die Zukunft eines Jugendlichen beeinflussen. “Die Jugend hat heutzutage immense Möglichkeiten, steht dadurch aber auch besonders unter Druck. Wie soll man heute noch wissen, was die richtige Wahl ist?”, so Reiner.
Das ist aber nicht die einzige Unsicherheit, die die Jugend quält.

Jene, die sich in sozialen Netzwerken tummeln, werden jeden Tag mit idealen Bildern aus einem scheinbar idealen Leben konfrontiert. Dieser perfekte Auftritt erhöht den Druck weiter. Die Jugendlichen streben ein fiktives Bild der Perfektion an; sei es der perfekte Körper oder die perfekten Noten.

“Diese Unsicherheiten führen zu einem niedrigen Selbstwertgefühl. Um dieses wieder zu stärken, müssen die Jugendlichen positive Erfahrungen machen, sich trauen. Und schließlich lernen, auch kleine Erfolge als Erfolg ansehen. Heute tendiert man nämlich dazu, nur über die großen Dinge stolz zu sein. Klar ist man stolz, wenn man die Matura schafft, jedoch sollte man sich selbst auch für die kleinen Dinge schätzen. Wenn man beispielsweise neue Freunde findet oder sich eben getraut hat, etwas Neues zu wagen”, meint Reiner.
Falls man als Elternteil bemerkt, dass sich Jugendliche mit diesen Unsicherheiten plagen, könnte man sie oder ihn darauf ansprechen und versuchen, das Problem gemeinsam zu lösen. Sollte es sich aber verschlimmern, wäre es ratsam, auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Kontaktmöglichkeiten zur Jugendberatungsstelle „Young and Direct“

WhatsApp: 345 0817 056
E-Mail: ONLINE@YOUNG-DIRECT.IT
Jugendtelefon: 8400 36366
Skype: young.direct
Facebook: YOUNG+DIRECT BERATUNG CONSULENZA
WWW.YOUNG-DIRECT.IT

Von: axa

Bezirk: Bozen