Körperliche und seelische Leiden

Jeder zwölfte Südtiroler ist Zivilinvalide

Montag, 08. Mai 2023 | 09:08 Uhr

Bozen – 46.053 Südtiroler sind Zivilinvaliden und leben mit einer angeborenen oder erworbenen Krankheit, welche für das bloße Auge meist unsichtbar ist. Wie es aktuell um Südtirols Zivilinvaliden steht, hat die landesweit größte Interessenvertretung für Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung, die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol), in einer aktuellen Statistik zusammengefasst.

„Ob Asthma, chronische Migräne, Diabetes, Tumorerkrankungen oder Depression – es gibt unzählige Krankheiten, die zur Zivilinvalidität führen können. Diese Vielzahl an möglichen Diagnosen spiegelt sich auch in der Anzahl der Betroffenen wider“, berichtet Thomas Aichner, Präsident der ANMIC Südtirol. „Aktuell zählen wir in Südtirol über 46.000 Zivilinvaliden, das ist etwa jeder zwölfte Mensch in unserer Provinz. Sie alle leiden an einer körperlichen, seelischen oder psychischen Erkrankung und haben um die Anerkennung der Zivilinvalidität angesucht.“ Der Vorteil: Dank dieser Anerkennung können Betroffene Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, welche je nach anerkanntem Invaliditätsgrad von der Gewährung kostenloser Hilfsmittel bis hin zu finanziellen Leistungen wie die Zivilinvalidenrente oder das Begleitgeld reichen.

46.053 Zivilinvaliden

Wie viele Südtiroler genau betroffen sind und wie hoch deren Invaliditätsgrad ist, offenbart der Blick auf eine aktuelle Statistik. Diese wurde dank der Unterstützung von Dr. Valter Equisetto, geschäftsführender Direktor des betrieblichen Dienstes für Rechtsmedizin, erstellt und verdeutlicht, wie präsent dieser Status in der Südtiroler Gesellschaft ist: 46.053 Zivilinvaliden leben derzeit in Südtirol. Im Vergleich zum Vorjahr gab es somit einen leichten Rückgang von 199 Personen bzw. -0,43 Prozent und dies, obwohl die Anzahl der Südtiroler Bevölkerung um 862 Personen (+0,16 Prozent) anstieg. „Wir gehen davon aus, dass der Rückgang vor allem auf die längeren Wartezeiten für fachärztliche Visiten im vergangenen Jahr zurückzuführen ist: Dem Ansuchen zur Feststellung der Zivilinvalidität müssen nämlich aktuelle ärztliche Zeugnisse belegt werden. Fehlen diese, ist auch die entsprechende Gesuchstellung und folgliche Anerkennung nicht möglich.“

Je nach Schweregrad der Krankheitsgeschichte entscheidet eine Ärztekommission über das Ausmaß der sogenannten „allgemeinen Arbeitsunfähigkeit“ des Antragstellers. Je höher diese ist, desto höher auch der anerkannte Invaliditätsgrad, welcher von mindestens 34 Prozent bis maximal 100 Prozent mit Begleitgeld reicht. Mit Blick auf die Statistik wird deutlich, dass 45,6 Prozent aller Südtiroler Zivilinvaliden einen Invaliditätsgrad von unter 74 Prozent aufweisen – oder anders ausgedrückt: In Südtirol leben aktuell 20.991 Menschen mit einer anerkannten Zivilinvalidität zwischen 34 und 73 Prozent, das im Vergleich zum Vorjahr einem leichten Zuwachs von 33 Personen bzw. +0,16 Prozent entspricht.

Tausende Südtiroler mit Zivilinvalidität von über 74 Prozent

Die aktuelle Statistik zeigt aber auch, dass tausende Südtiroler von schwerwiegenden Krankheiten betroffen sind, weshalb ihnen eine Zivilinvalidität von über 74 Prozent zuerkannt wurde. Mit diesem Invaliditätsgrad stehen dem Betroffenen verschiedene Hilfeleistungen zu. Eine davon ist die Zivilinvalidenrente von monatlichen 468,31 Euro, welche unter Einhaltung bestimmter Kriterien ausgezahlt werden kann. „Angesichts der Tatsache, dass diese Personen oft nicht in der Lage sind, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, ist diese finanzielle Unterstützung grundlegend“, erklärt Thomas Aichner weiter. Aktuell zählt Südtirol 11.401 Personen mit einem Invaliditätsgrad von 74 bis 99 Prozent, was im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang von 15 Personen entspricht (-0,13 Prozent).

Ebenso im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert ist die Anzahl der Vollinvaliden, sprich Personen mit einer 100-prozentigen Zivilinvalidität: Mit einem Plus von 26 Personen stieg deren Zahl auf 7.524 Personen, das sind +0,35 Prozent mehr. Entgegen diesem Trend und mit einem deutlichen Rückgang von 243 Personen bzw. -3,81 Prozent, besteht die bedeutendste Schwankung bei jenen Menschen, die aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes eine 100-prozentige Zivilinvalidität mit Begleitgeld zuerkannt bekamen: Die Anzahl jener, welche ihren Alltag nicht mehr autonom bewältigen können und deshalb das Begleitgeld im Wert von monatlichen 527,16 Euro beziehen, sank von 6.380 auf 6.137 Personen.

Auch Kinder und Jugendliche betroffen

Zivilinvalidität betrifft auch tausende Kinder, Jugendliche und junge Menschen im erwerbsfähigen Alter: Insgesamt beläuft sich die Anzahl der unter 64-jährigen-Zivilinvaliden auf beinahe 19.500 Menschen, wobei 1.639 Zivilinvaliden unter 18 Jahren und weitere 4.799 Zivilinvaliden unter 45 Jahren alt sind. „Die Zahlen belegen, dass es in Südtirol fast gleich viele Senioren mit Zivilinvalidität wie Zivilinvaliden im erwerbsfähigen Alter gibt“, berichtet Thomas Aichner. „40 Prozent aller Südtiroler Zivilinvaliden sind über 75-Jährige und weitere 39 Prozent sind zwischen 18 und 64 Jahre alt. Neben körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen erkranken viele zunehmend an psychischen Leiden wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen, die ebenso zur Zivilinvalidität führen können.“

Auch zum Gesetz 104/92 – welches den hohen Schweregrad der Behinderung bestätigt – geben die Daten Aufschluss und zeigen einen wiederkehrenden Trend, wie Thomas Aichner berichtet: „Wir beobachten seit einigen Jahren, dass die Anzahl der Südtiroler mit Gesetz 104/92 ansteigt. Wir gehen zum einen davon aus, dass dies mit den damit einhergehenden Vorteilen wie unter anderem die steuerrechtlichen Begünstigungen oder die entlohnte Arbeitsfreistellung zusammenhängt. Immer mehr Menschen benötigen nämlich aufgrund der steigenden Kosten finanzielle Unterstützungsmaßnahmen oder können sich Ausgaben zur Pflege ihrer Angehörigen nicht mehr leisten. Durch den steigenden Informationsaustausch, besonders aber durch die eigenständige Informationsbeschaffung aus dem Internet, kennen immer mehr Personen die Vorteile dieses Gesetzes und suchen vermehrt darum an.“ Gab es bis Jänner 2022 noch 14.695 Personen mit dem Gesetz 104/92, stieg deren Zahl im Laufe eines Jahres mit einem Plus von 967 auf 15.662 Personen an (+6,58 Prozent).

Mehr Rekurse

Angesichts der zahlreichen Hilfeleistungen, die Zivilinvalidität und Gesetz 104/92 mit sich bringen, und da diese vom Urteil der Ärztekommission abhängen, herrscht nicht selten Uneinigkeit zwischen den Parteien. „Wenn der Antragsteller nicht mit dem Bescheid der Ärztekommission einverstanden ist, kann innerhalb von 60 Tagen Rekurs eingereicht werden“, informiert Thomas Aichner. Die Daten zeigen, dass bis zum Jahresbeginn 427 Rekursanträge gestellt wurden, was im Vergleich zum Vorjahr einem Zuwachs von 17 Anträgen bzw. +4,15 Prozent entspricht. Obwohl es sich hierbei um hunderte Rekursanträge handelt, sind es im Verhältnis wenige: Auf mehr als 12.000 behandelte Gesuche zur Feststellung der Zivilinvalidität, Gesetz 104 und gezielter Arbeitseingliederung kommen lediglich 3,2 Prozent Rekursanträge. „Von Seiten unserer Mitglieder wissen wir, dass sich manche davor scheuen, einen entsprechenden Rekursantrag zu stellen. Bei Zweifeln sollte der Antragsteller jedoch keine Bedenken haben und sein Recht geltend machen. Die Zahlen zeigen aber auch, dass die Ärztekommissionen grundsätzlich eine faire Bewertung vornehmen und gute Arbeit leisten“, betont Thomas Aichner.

„Als größte Interessensvertretung der Südtiroler Zivilinvaliden nutzen wir die vorgestellten Daten nicht nur, um bestehende Problematiken aufzudecken und dagegen anzukämpfen. Auch möchten wir das Tabu-Thema Zivilinvalidität offen ansprechen und zeigen, dass tausende Südtiroler dieselbe Situation teilen“, erklärt Thomas Aichner abschließend. „Denn wenn die Krankheit das alltägliche Leben zunehmend einschränkt, sollte jeder um Zivilinvalidität und dem Gesetz 104 ansuchen und jene Rechte beanspruchen, die ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Situation zustehen.“

Von: mk

Kommentare

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6 Kommentare auf "Jeder zwölfte Südtiroler ist Zivilinvalide"


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peterle
peterle
Universalgelehrter
21 Tage 19 h

Vor der Kommission der Ärzte fühlt sich der Betroffene ausgeliefert weil das Ergebnis der prozentuellen Behinderung erst im Nachhinein mitgeteilt wird.

schwarzes Schaf
schwarzes Schaf
Superredner
21 Tage 16 h

Und manche haben beziehungen und sind gesund und ergaunern sich die invalidität.

Staenkerer
21 Tage 15 h

ob de in invaliden de obkassiern schun olls invaliden sein zweifl i schwar, gor einige sein sehr guate schauspieler, oder leider zu faul um mit den talent selber es geld zu verdien!

lissi81
lissi81
Tratscher
21 Tage 14 h

Das man sich vor der Ärztekommission komplett ausgeliefert fühlt kann ich bezeugen. Musste mich schon einige Male “präsentieren”und mich jedes Mal vor der Kommission rechtfertigen warum bei mir die zahlreichen Medikamente nicht wirken.
Und Gott sei Dank bin ich verheiratet denn von der Rente kann man nicht leben.

Mili
Mili
Neuling
20 Tage 23 h
@Staenkerer wenn oans glabm konnsch, quasi a jeder tat liabr orbetn gian. Olle 1-2 Johr der Spießrutenlaf Kommission gian zu miaßn, sich trotz zohlreicher Atteste no rechtfertigen zu miaßn, in Fihrerschein ogebm zu miaßn odr olle 6 Munet ernuiern zu lossn (Kosten!!!) und viel ondre Sochn wos drmit verbundn sein, isch net unbedingt es geilschte wos men hobm odr tian konn. Obgsegn drvun, dass de 400€ hintn und vorn net zum Lebm glongen und wenn men geringfügig eppes tian konn, terf men maximal 4.500€ verdianen, sischtn nemmen se oan olls wieder. NB: die meisten Kronkheitn sig men net. Viele Zivilinvaliden… Weiterlesen »
Saftl
Saftl
Grünschnabel
21 Tage 12 h

Mhmmm…die lange Wartezeit auf Visiten 💉💉💉

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