Von: mk
Bozen – Die Südtiroler Frauenrechtlerin, Ex-Parlamentarierin und frühere Partisanenkämpferin Lidia Menapace, ist in der Nacht auf Montag im Alter von 96 Jahren auf der Covid-Station des Bozner Krankenhauses gestorben. Das teilte der Südtiroler Sanitätsbetrieb mit. Die im piemontesischen Novara geborene Menapace, die nach ihrer Heirat mit dem Arzt Nene Menapace 1951 nach Bozen gezogen war, war unter anderem als Publizistin bekannt.
Menapace war 1964 als erste Frau – neben Waltraud Gebert Deeg – für die christdemokratische Partei “Democrazia Cristiana” in den Südtiroler Landtag eingezogen. Ihre Zuwendung zum Marxismus und Teilnahme an der Gründung der linken Tageszeitung “Il Manifesto” kosteten Menapace ihre Karriere als Dozentin an der Università Cattolica und führten zum Bruch mit der “Democrazia Cristiana”. In darauf folgenden Jahren wurde sie zur führenden Persönlichkeit der feministischen Bewegung in Italien.
Von 2006 bis 2008 saß sie für die altkommunistische Partei “Rifondazione Comunista” im Senat. 2019 ernannte sie die Gesellschaft Politika zu Südtirols “Politischer Persönlichkeit des Jahres”. Anfang Dezember war die Politikerin an Covid-19 erkrankt. Ihr Gesundheitszustand hatte sich in den vergangenen Tagen verschlechtert.
Kompatscher würdigt Lidia Menapace
Wie Landeshauptmann Arno Kompatscher unterstreicht, “verlieren wir mit Lidia Menapace ein Stück Geschichte, eine Zeitzeugin und Kämpferin gegen die Ungerechtigkeit und für den kulturellen und moralischen Fortschritt unserer Gesellschaft.” Diesen Einsatz habe sie nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl in Südtirol als auch auf nationaler Ebene in der Politik fortgeführt, und zwar auf ihre energische und kämpferische Art und Weise, so Kompatscher.
Mit 18 Jahren war Lidia Menapace in der Zeit der “Resistenza”, dem Widerstand gegen den italinienischen Faschismus, als Verbindungsfrau der Partisanen mit dem Namen “Unterleutnant Bruna” im Einsatz. In den 1950-er Jahren zog die aus Novara stammende Menapace nach Bozen. 1964 wurde sie für die Democrazia Cristiana in den Südtiroler Landtag gewählt. Sie wurde Landesrätin für soziale Fürsorge und Gesundheit. Nach ihrem Austreten aus der Democrazia Cristiana 1972 war sie unter den Gründern der Tageszeitung “Il Manifesto”. Ein Leben lang kämpfte Menapace für den Frieden und für Frauenrechte. 2006 bis 2008 saß sie für Rifondazione Comunista im Senat.
Landesrätin Deeg zum Tod von Menapace: “Südtirol verliert eine Kämpferin für Demokratie und Frauenrechte”
Soziallandesrätin Waltraud Deeg nimmt mit Bedauern die Nachricht vom Tod der ersten italienischen Südtiroler Landesrätin Lidia Menapace auf: “Mit Lidia Menapace verliert Südtirol eine wichtige Kämpferin für demokratische Grundrechte und Frauenrechte sowie eine große politische Persönlichkeit. Das Leben Menapaces ist geprägt vom bedingungslosen Einsatz für die Verbesserung der Lebenssituation der Mitmenschen.”
Für den DC in den Südtiroler Landtag gewählt, war Lidia Menapace gemeinsam mit Waltraud Gebert Deeg, die neben ihr zu den ersten beiden weiblichen Abgeordneten im Südtiroler Landtag zählt und Menapace als deutschsprachige Ersatzlandesrätin zur Seite stand, von 1964 bis 1968 Teil des damals zwischen vielen Bereichen aufgesplittete Sozialassessorat zuständig. Zeit ihres Lebens sei Lidia Menapace eine Kämpferin für die Schwächsten in der Gesellschaft geblieben.
“Sie fand immer klare Worte gegen Unterdrückung jeglicher Art, gegen Aggression und war ihr ganzes Leben lang eine unerschrockene Vordenkerin und Aushängeschild der Frauenrechtsbewegung auch auf gesamtstaatlicher Ebene. Lidia Menapace war eine beeindruckende und sehr authentische Persönlichkeit, sie war Zeit ihres Lebens eine Kämpferin und als solche durfte ich sie auch vor zwei Jahren persönlich kennen und schätzen lernen. Leider hat sie nun ihren letzten Kampf gegen das Virus SARS-CoV-2 verloren. Südtirol wird ihr ein ehrendes Gedenken erhalten und sie als wichtige Vorkämpferin in bleibender Erinnerung behalten.”
Grüne: “Ihr Leben ist Inspiration und Auftrag”
Auch die Grünen Frauen und die grüne Landtagsfraktion würdigen Lidia Menapace. „Eine große kleine Frau des 20. Jahrhunderts, prägende Feministin und leidenschaftliche Politikerin der ersten Stunden, ist von uns gegangen. Bis zuletzt war sie präsent, immer dabei, wenn es darum ging, die Freiheit der Menschen zu verteidigen. Nie war sie sich zu alt für eine Demonstration, nie zu müde, um im Nachtzug zu fahren, um mit Studentinnen und Studenten in Bari zu diskutieren, gegen Rassismus in Macerata zu protestieren. Gegen Diskriminierung, Rassismus und Frauenfeindlichkeit ein ganzes Leben. Aber vielleicht weniger gegen als für; für Frauen, Menschlichkeit, für ein Denken, das neues zulässt – und immer zum Gespräch bereit.“
Ihr Einsatz sei nicht nur für Frauen Inspiration und Vorbild. Lidia Menapace habe alles und mehr für Frauen, Gerechtigkeit und Frieden geleistet, als in einem Leben eigentlich möglich sei. „Wir werden ihre Anliegen weitertragen“, erklären die Grünen.
Lidia Menapace bleibt für Unterberger Vorbild
Auch Julia Unterberger, SVP-Senatorin und Präsidentin der Autonomiegruppe im Senat, zeigt sich betroffen über den Tod von Lidia Menapace. Lidia Menapace habe sich zeitlebens für Demokratie, Frieden, Antifaschismus und Feminismus eingesetzt. Sie werde auch über ihren Tod hinaus Vorbild für all jene sein, die an die demokratischen Werte glauben, für die sie selbst ein Leben lang gekämpft hat.
„Lidia Menapace, war zusammen mit Waltraud Gebert Deeg die erste Frau, die 1964 in den Südtiroler Landtag gewählt und später Mitglied der Landesregierung wurde. Von 2006 bis 2008 war sie Senatorin für ‚Rifondazione Comunista‘ im italienischen Parlament. Sie engagierte sich während ihrer gesamten politischen Karriere vor allem auch für die Gleichstellung der Geschlechter. Ihr großes politisches Verdienst besteht darin, den Kampf für die Rechte der Frauen als Grundelement ihrer politischen Tätigkeit verstanden zu haben und gleichzeitig sämtlichen Formen von Gewalt entgegengetreten zu sein. Mein Beileid für den Verlust eines so wertvollen Menschen gilt ihren Angehörigen“, erklärt Unterberger.
Landtagspräsident Josef Noggler würdigt Lidia Menapace
„Lidia Menapace war, zusammen mit Waltraud Gebert Deeg, die erste Frau im Südtiroler Landtag und erste Landesrätin, zuständig für Soziales und Gesundheitswesen. Sie hat ein langes und bewegtes Leben hinter sich, dessen roten Faden man in ihrem Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit sehen kann. Sie war Partisanin gegen den Faschismus, Leitfigur der Frauenbewegung in Italien und kämpferische Pazifistin, und sie hat sich nicht gescheut, für ihre Ideen auch auf die Straße zu gehen – auch vor dem Landtag“, erklärt Landtagspräsident Josef Noggler.
Ob als Landesrätin für die DC oder als Senatorin für Rifondazione Comunista – der beharrliche Einsatz für ihre Ideale sei kennzeichnend für Lidia Menapaces politisches Leben gewesen. „Auch sie ist Teil der Südtiroler Geschichte und hat einen Teil von ihr mitgeschrieben“, betont Noggler.
Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft trauert um Lidia Menapace
Die Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft hatte erst im Jahr 2018 Lidia Menapace zur Persönlichkeit des Jahres gewählt. Nun drückt auch Präsident Günther Pallaver im Namen der Gesellschaft sein Beileid aus.
Menapace sei für ihr Lebenswerk geehrt worden, das sich in ihrem Einsatz für die Grund- und Menschenrechte, für die Demokratie, für soziale Randgruppen und Minderheiten, für die Benachteiligten, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, für die Rechte der Frauen, für die Gewaltlosigkeit und gegen den Krieg ausdrückte.
„Lidia Menapace hatte sich bereits während des Zweiten Weltkriegs als Partisanin gegen den Faschismus und Nationalsozialismus eingesetzt und damit für die Menschenwürde und die Demokratie, für Gewaltlosigkeit und den Frieden in der Welt. Sie hat als junge Frau als Partisanin begonnen, sie hat diese Haltung und diesen Einsatz gegen Autoritarismus und Totalitarismus, gegen Militarismus und Krieg bis zu ihrem Tod nie mehr aufgegeben. Sie hat sich stets für Minderheiten eingesetzt, für soziale Randgruppen, für die gesellschaftlich und ökonomisch Diskriminierten, denen die Menschenwürde vorenthalten wurde und nach wie vor vorenthalten wird. Sie war die Mutter Courage der Südtiroler Autonomie“, erklärrt Pallaver.
Lidia Menapace habe Zeit ihres Lebens für die Würde und die Rechte der Frauen gekämpft. Sie habe sich für diese Würde und diese Rechte in zahlreichen Institutionen (Landtag, Regionalrat, Parlament), Vereinigungen und Bewegungen engagiert – mit ihren Schriften und mit ihrem Wort.
Sie war mit Waltraud Gebert-Deeg die erste Frau, die 1964 in den Südtiroler Landtag gewählt wurde und, immer mit ihrer Kollegin, die erste Frau in der Südtiroler Landesregierung, wo sie die Bereiche soziale Fürsorge und Gesundheit übernahm.
„Lidia Menapace ist und bleibt ein Symbol und Vorbild für ein lebenslanges politisches Engagement, für politische Partizipation, für politische Einmischung, für politische Bildung, letztlich für die Demokratie, die auf den Grundprinzipien der Gleichheit, Freiheit, Solidarität und Menschenwürde aufbaut“, so Pallaver.