Von: mk
Bozen – Die Finanzpolpolizei von Pavia hat in Zusammenarbeit mit den Carabinieri über 50 Hausdurchsuchungen in mehreren Regionen durchgeführt. Die Ermittler, die im Morgengrauen zugeschlagen haben, sind einem mutmaßlichen Betrug in Millionenhöhe im Bereich der erneuerbaren Energien auf der Spur.
Sechs Personen wurden in den Hausarrest überstellt, fünf weitere Personen sind dazu verpflichtet worden, Unterschrift bei den Ordnungshütern zu leisten.
Zu den Regionen, in denen die Durchsuchungen stattfanden, zählt neben der Lombardei, dem Piemont, Latium, Ligurien, der Emilia Romagna und Sardinien auch das Trentino-Südtirol. Über 200 Ordnungskräfte standen im Einsatz.
Im Fokus der Ermittler steht eine kriminelle Organisation, der es gelungen ist, sich im Verlauf der Jahre unrechtmäßig 143 Millionen Euro an öffentlichen Beiträgen zu erschleichen.
69 Bankkonten und 22 Unternehmensbeteiligungen im Wert von rund 19 Millionen Euro wurden beschlagnahmt. Dasselbe gilt für 147 Fahrzeuge sowie Grundstücke und Immobilien im Wert von rund zwölf Millionen Euro – darunter ein luxuriöses Appartement in Mailand, eine Villa mit Schwimmbad in Portobello auf Sardinien sowie eine Villa am Land in Galbiate. Beschlagnahmt wurde außerdem ein Kraftwerk im Gesamtwert von 70 Millionen Euro.
Anlässlich des Beitritts zum Kyoto-Protokoll wurden in Italien im Jahr 2011 eine Reihe von wirtschaftlichen Anreizen erlassen, um die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Gefördert wurde unter die Energiegewinnung aus Biomasse wie Holz. Allerdings gelten in diesem Zusammenhang strenge Kriterien, was die Waldbewirtschaftung sowie die Herkunft und die Rückverfolgbarkeit des Holzes anbelangt.
Die ökonomischen Anreize haben allerdings den Appetit auch jener geweckt, die weniger edle Motive im Sinn hatten und für die die ökologischen Ziele eher nebensächlich erschienen. Die Gesellschaft „Biolevano“, die Jahr 2012 ein Abkommen mit dem italienischen Land- und Forstwirtschaftsministerium getroffen hatte, steht unter Verdacht, zu Letzteren zu gehören.
Die Gesellschaft war nur deshalb in den Genuss der öffentlichen Beiträge gekommen, weil sie sich verpflichtet hatte, ausschließlich zertifiziertes Holz zu verwenden, das nachweislich aus der Umgebung des Kraftwerks im Umkreis von maximal 70 Kilometern stammt. Den Ermittlern zufolge galt die Regelung allerdings nur auf dem Papier.
Mithilfe eines dichten Netzwerkes an Komplizen soll Biomasse von überall her verwendet worden sein – darunter auch Holz aus dem Ausland. Ausschlaggebend war das billigste Angebot. In Vergleich zu den Konkurrenten zahlte das Unternehmen oft einen Preis, der 30 bis zu 50 Prozent niedriger war. Um den Schein zu wahren und die Herkunft der Biomasse zu verschleiern, sollen Transportdokumente und Rechnungen gefälscht worden sein.
Die Ermittlungen der Finanzpolizei sind im Jahr 2019 ins Rollen gekommen. Die Beamten hatten unter anderem mehrere Holzlieferungen aus der Schweiz kontrolliert. Die Lkw-Fahrer wurden dabei mit zweierlei Arten von Transportdokumenten erwischt: In einigen stand die wahre Herkunft der Biomasse, bei den zweiten handelte es sich um gefälschte Unterlagen, die den Wünschen des Unternehmens entsprechend angepasst waren. Die echten Unterlagen wurden zerstört, nachdem das Holz abgeliefert worden war.
Die Finanzpolizei setzt die Ermittlungen fort. Unter anderem wird überprüft, von woher überall das Holz genau geliefert wurde.