Von: apa
Sechs Tage nach dem Amoklauf eines 21-jährigen ehemaligen Schülers in Graz mit zehn Todesopfern ist die Ermittlungsgruppe “Luctus” nach der Tatortarbeit nun intensiv mit der Verifizierung von möglichen Social-Media-Profilen des Täters beschäftigt. Gesichert ist mittlerweile, dass der Amokläufer mehrere Profile auf diversen Plattformen hatte, teilte die Polizei am Montag der APA mit. Manche seiner angeblichen Profile wurden allerdings nachweislich erst nach der Tat erstellt.
Bereits kurz nach dem Amoklauf hatten die Ermittler mehrere Hinweise auf diverse Social-Media-Profile des Täters erhalten. Bereits bei der Pressekonferenz der Landespolizeidirektion Steiermark am Donnerstag war betont worden, dass der 21-Jährige sich stark aus der realen in die virtuelle Welt zurückgezogen hatte. Dass er keine Social-Media-Profile gehabt habe, sei bei der Pressekonferenz nie behauptet worden, stellte die Polizei am Montag klar. Klar sei aber auch, dass die möglichen Profile in sozialen Netzwerken und Foren alle erst verifiziert werden müssen.
Hinweise auf Profile
Fakt sei, dass der Täter mehrere Profile hatte. Wie viele, könne allerdings noch nicht genau gesagt werden, denn es gibt auch Hinweise auf Profile, die zwar dem 21-Jährigen zugeschrieben werden, die nachweislich aber erst nach der Tat erstellt worden sind. Die Ermittler geben vorerst auch nicht bekannt, ob die von diversen Medien veröffentlichten Fotos der Waffen und aus der Schul-Toilette tatsächlich vom Täter stammen.
In dem Zusammenhang wiesen die Ermittler auch auf Lücken bei der Überwachung potenziell gefährlicher Personen hin. Die Behörden in anderen Ländern würden teilweise über sogenannte Webcrawler verfügen und diese einsetzen. Damit kann das Internet automatisch mit einer Software auf mögliche gefährliche Vorgänge durchforstet werden. Für Menschen sei es mittlerweile unmöglich geworden, sämtliche, teils nur für Eingeweihte zugängliche Foren und Social-Media-Plattformen inklusive aller Kommentare auf mögliche Gefahren zu überprüfen. Für den Einsatz derartiger Webcrawler brauche die Polizei in Österreich allerdings erst die Befugnis. Diese liege momentan nicht vor.
Verherrlichungen und Gutheißungen können strafbar sein
“Für eine Gefahrenerforschung im Internet braucht es die rechtliche Möglichkeit, das offene Internet automatisiert nach gefährlichen Inhalten und Hinweisen zu durchsuchen. Diese gibt es nicht und wir dürfen nur das, was gesetzlich ausdrücklich erlaubt ist. Ermittlerinnen und Ermittler aus Fleisch und Blut stoßen hier an natürliche Grenzen. Gleichzeitig tragen wir Verantwortung, digitale Profile nicht nur zu sichten, sondern auch auf Echtheit zu prüfen und gezielt zu verifizieren”, erklärte Michael Lohnegger, Leiter des Landeskriminalamts Steiermark.
Erst mit konkreten Hinweisen – sei es aus der Bevölkerung oder durch Webcrawler – könne derzeit etwa verdeckte Ermittlungsarbeit in geschlossenen Foren in Angriff genommen werden. Die Messenger-Überwachung spiele in diesem Zusammenhang ebenfalls eine große Rolle, wurde betont. Die Ermittler unterstrichen, dass auch Verherrlichungen und Gutheißungen der Taten des 21-Jährigen strafbar sein können. Bei den Erhebungen wurden derartige Äußerungen auf diversen Plattformen bereits festgestellt und entsprechende Ermittlungen wurden eingeleitet, hieß es gegenüber der APA. Der virtuelle Raum sei kein rechtsfreier Raum, wurde betont.
852 Dateien mit hochgeladen
Neben der Überprüfung der Social-Media-Aktivitäten des Täters werden weiterhin Zeugenbefragungen durchgeführt und zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung ausgewertet. Auf der Upload-Plattform wurden mit Stand Montagfrüh 852 Dateien hochgeladen, davon 382 Videos, sagte Sprecher Sabri Yorgun zur APA. Die Upload-Plattform steht weiterhin noch zum Hochladen von Dateien von Zeugen der Tat unter https://upload.bmi.gv.at/ bereit. Abseits der Ermittlungen zeigt die Polizei weiterhin Präsenz vor dem Tatort, dem BORG Dreierschützengasse. Zusätzlich wird auch bei anderen Schulen Unterstützung seitens der Exekutive angeboten. So werden etwa auch Gespräche mit dem Lehrpersonal geführt, so Yorgun.
Der Präsident der Bildungsdirektion Steiermark und Bildungslandesrat Stefan Hermann (FPÖ) hat am Montag indessen den Kriseninterventionsteams und Schulpsychologinnen und -psychologen seinen Dank für die Hilfe nach dem Amoklauf ausgesprochen. Die Bildungsdirektion habe rasch Hilfsmaßnahmen für Schüler, Lehrkräfte und Familien organisiert, stand Betroffenen unmittelbar zur Seite und organisierte gemeinsam mit dem Kriseninterventionsteam eine psychologische Erstversorgung. “Auch andere Bundesländer haben kurzfristig psychologisches Unterstützungspersonal zur Verfügung gestellt, um den großen Betreuungsbedarf zu bewältigen”, hieß es in einer Aussendung am Montag.
“Der schreckliche Vorfall im BORG Dreierschützengasse hat uns alle erschüttert – umso bedeutender ist die enorme Einsatzbereitschaft aller Helfenden über Bundesländergrenzen hinweg. Die Aufarbeitung der Ereignisse und die Unterstützung der Schüler, der Eltern und des Lehrpersonals sind in diesen Tagen essenziell”, unterstrich Hermann.
Dank auch von ÖVP-Seite
“In diesen Tagen der Trauer ist es wichtig, auch jenen zu danken, die inmitten des Schocks großen Mut, Stärke und Entschlossenheit gezeigt haben. Der Dank gilt jenen Einsatzorganisationen und Menschen, die in einer Ausnahmesituation Verantwortung übernommen und die Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie das Personal beschützt und gestützt haben”, sagte ÖVP-Klubobmann Lukas Schnitzer.
Norbert Urabl, Administrator am BORG Dreierschützengasse, kündigte in einem Beitrag im Ö1-Mittagsjournal am Montag an, dass die Schule voraussichtlich kommende Woche wieder geöffnet wird. Allerdings nicht für den regulären Unterricht. Dieser dürfte bis zum Ende des Schuljahres nicht mehr stattfinden. Stattdessen sollen Schülerinnen und Schüler in betreuten Projekten das Geschehene aufarbeiten können. Der Schulstandort solle jedenfalls erhalten bleiben. Über den Sommer sollen Renovierungsarbeiten und Umgestaltungsmaßnahmen stattfinden. “Wir haben vor, eine Gedenkstätte umzusetzen”, so Urabl. Eine Zeugnisverteilung zum Abschluss des Schuljahres ist ebenfalls noch geplant, aber soll für die Schülerinnen und Schüler nicht verpflichtend sein. Der Trakt, in dem der Amoklauf stattgefunden hat, bleibe auch in nächster Zeit gesperrt.
Für Dienstag stehen in Graz zwei weitere Gedenkveranstaltungen am Programm: Ab 9.00 Uhr wird der Landtag eine Gedenksitzung abhalten und am Abend findet im Grazer Dom eine interreligiöse Gedenkfeier samt politischer Vertreter statt. Am Donnerstag, am Fronleichnamstag, veranstaltet die Grazer Studio-Musikgruppe Music Deluxe um 18.00 Uhr im Joanneumsviertel ein vierstündiges Live-Benefizkonzert. Ziel sei es, mit den erzielten Spenden eine psychologische Nachbetreuung für das BORG Dreierschützengasse auf die Beine zu stellen.
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