Von: Ivd
Die nationale Gesundheitsbefragung PASSI stellt unserem Land ein exzellentes Zeugnis aus: Nur 3,1 Prozent der Befragten in Südtirol wiesen depressive Symptome auf, das ist die weitaus niedrigste Rate Italiens. Sardinien hatte im Vergleich 11,7 Prozent depressive Befragte. Und 84 Prozent der Erkrankten in Südtirol holten sich Hilfe, das ist die weitaus höchste Zahl Italiens. In Molise waren es nur 41 Prozent.
Diese beeindruckende Statistik bezieht sich auf die Krisenjahre 2021 und 2022, die soeben ausgewertet wurden. Den Corona-Schock scheint Südtirol besser überstanden zu haben als andere Regionen, wohl auch weil eine jahrzehntelange Vorbereitung auf das Thema stattgefunden hat.
Der „Europäische Tag der Depression“ wird bei uns seit 2004 begangen. Er fällt auf den 1. Oktober und gewährleistet breit gefächerte Aufklärung über das Krankheitsbild und mögliche Hilfen. Zu diesem Zweck hat die „Europäische Allianz gegen Depression“ zusammen mit den Primaren für Psychiatrie Südtirols beschlossen, an den vier großen Krankenhäusern Südtirols wieder einen Informationsstand Depression einzurichten. Den ganzen Tag über werden im Eingangsbereich die Broschüren „Depression – was tun?“ zum Mitnehmen aufliegen. Sie bieten einen verständlichen Überblick über die aktuell einschneidendste Krankheit weltweit.
Das Projekt wird vom Südtiroler Gesundheitsbetrieb, vom Verband der Angehörigen „Ariadne“, von der Selbsthilfevereinigung psychisch Kranker „Lichtung/Girasole“ und von allen Rotariern Südtirols gemeinsam getragen. Rotary hat auch die Kosten die Broschüren übernommen.
Am Krankenhaus Brixen richten wir am Montag, den Ersten Oktober, zusätzlich die Beratungsecke Depression ein: von 9.00 bis 12.00 Uhr wird Richard Santifaller als Betroffener, von 14.00 bis 17.00 Uhr werde ich als Psychiater allen Interessierten für Gespräche zur Verfügung stehen.
Durchschnittlich fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung kranken in der westlichen Welt in jedem Augenblick an Depressionen, fast doppelt so viel Frauen wie Männer. In den Großstädten sind Depressionen noch häufiger: 10 Prozent ihrer Bewohner leiden daran. Allein schon dieser Umstand beweist, dass Depressionen auch mit der Leistungsgesellschaft zusammenhängen, mit dem hektischen Lebensrhythmus und den vielen sozialen Verpflichtungen, denen wir ausgesetzt sind. Darüber hinaus spielen erbliche Einflüsse und frühkindliche Erfahrungen bei ihrer Entstehung eine große Rolle.
Die Depression ist laut WHO die Volkskrankheit, die der Menschheit am meisten gesunde Lebensjahre raubt. Sie verschlingt in hoch entwickelten Ländern 1 Prozent des Bruttosozialproduktes. Sie kann jeden treffen.
Die zwei wichtigsten Kennzeichen der Depression sind dauerhaft gedrückte Stimmung, der Verlust von Freuden und Interessen und ein kompletter Mangel an seelischer Energie. Betroffene haben manchmal nicht mehr die Kraft, Entscheidungen zu treffen, sich Hilfe zu holen oder zu klagen. Viele beschreiben sich als so leer, dass sie nicht einmal mehr weinen können. Andere sind innerlich unruhig, verspannt und voller körperlicher Symptome. Kopf- oder Rückenschmerzen, Druck auf der Brust, unerträgliches Kribbeln im Bauch, Schwindel und Schwäche bei allen Bewegungen sind die häufigsten körperlichen Merkmale einer Depression. Aber auch Mundtrockenheit, Sehstörungen und Haarausfall können auftreten.
Die Säulen der Behandlung stellen Psychotherapie, antidepressive Medikamente und Teilnahme an Selbsthilfegruppen dar. Psychotherapie ist Behandlung und Heilung durch das Wort, durch Gespräche, durch Übungen und das Erlangen neuer Einstellungen zu alten Problemen. Bis Psychotherapien wirken, können allerdings Monate vergehen. Medikamentöse Behandlungen mit Antidepressiva sind hilfreich, um innerhalb weniger Wochen die Energie und die Stimmung wieder zu normalisieren. Häufig wird beides kombiniert, um rasche Besserung und nachhaltige Veränderung zu erreichen. Aber auch Schlafentzug, Lichttherapie, Magnetstimulation, die Gleichstromhaube oder die Elektrokrampftherapie können in bestimmten Fällen zu besten Heilerfolgen führen.
Beste Anlaufstellen für depressiv Erkrankte sind Hausärzte, Zentren Psychischer Gesundheit und Psychologische Dienste, aber auch privat praktizierende Psychiater und Psychotherapeuten. In Notfällen, die mit schwerer Erkrankung oder Suizidgefahr verknüpft sind, soll man sich an die Notfallnummer 112 oder an die Ersten Hilfen der Krankenhäuser von Bozen, Meran, Brixen oder Bruneck wenden. Dort besteht rund um die Uhr ein psychiatrischer Bereitschaftsdienst. Auch das psychologische Krisentelefon 800101800 ist pausenlos erreichbar.
Südtirol steht im Kampf gegen die Depression im italienweiten Vergleich ganz ausgezeichnet da (siehe Grafik des Gesundheitsministeriums PASSI). Es hat, nach zwei Jahrzenten intensiver Prävention, den geringsten Prozentsatz an Befragten, die depressiv wirken (3,1 Prozent, italienischer Durchschnitt 6,4 Prozent), und die höchste Rate an Hilfesuchenden (84 Prozent, italienischer Durchschnitt 62,4 Prozent).
Ein Netzwerk der Beratung im Vorfeld besteht in Südtirol auch. Die „Telefonseelsorge“ der Caritas 0471 052052, „telefono amico“ 02 23272327 und „Young and direct“ 0471 1551551 stellen wertvolle Gesprächspartner in seelischen Krisen dar. Selbsthilfegruppen für Betroffene werden von der Vereinigung „Lichtung/Girasole“, Tel. 0474 530266, im ganzen Land angeboten. Angehörigengruppen können beim Verein „Ariadne“, Tel 0471 260303, kontaktiert werden.
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