Von: mk
Bozen – Max Leitner muss am Montag im Rahmen des Garantieverhörs vor den Ermittlungsrichter treten, schreibt die italienische Tageszeitung Alto Adige. Wie berichtet, ist der 63-Jährige aus Elvas bei Brixen in der Nacht auf Freitag in der Bozner Industriezone festgenommen worden. Zuvor waren auf das Auto einer 37-jährigen Prostituierten zwei Kugeln abgefeuert worden. Noch ist unklar, ob es Leitner war, der die Schüsse abgefeuert hat. In dem Auto, mit dem er gemeinsam mit einem 59-jährigen Österreicher unterwegs war, wurden mehrere Waffen, eine Maske, ein Fernglas und eine falsche Polizeimütze gefunden.
Sollte sich Max Leitner am Montag dafür entscheiden, nicht von seinem Recht zu schweigen Gebrauch zu machen, muss er unter anderem erklären, was er mit den Waffen vorhatte. Die Prostituierte, die sich zum Zeitpunkt der Schüsse nicht in ihrem Smart befand, hat angegeben, dass aus einem grauen SUV heraus geschossen worden sei. Sie hatte sich mit einem Freier in der Siemens-Straße aufgehalten und die Notrufnummer 112 gewählt. Die Kugeln hatten ihre Autotür getroffen.
Rund zwei Stunden nach dem Vorfall wurde unweit des Tatorts ein grauer SUV mit zwei Männern angehalten. Die Exekutivbeamten schöpften gleich Verdacht. Nachdem sich beide Männer nicht kooperativ gezeigt hatten, wurden sie verhaftet und in dem Auto die Waffen gefunden. Leitner soll bei der Festnahme Widerstand geleistet haben. Ein Polizist wurde leicht verletzt. Im grauen SUV hat die Polizei eine Pistole, ein Gewehr mit Schalldämpfer, einen Elektroschocker und rund zehn Projektile sowie eine Gummimaske entdeckt und anschließend beschlagnahmt.
Die Ermittler vermuten, dass es sich bei den Schüssen um einen Einschüchterungsversuch der jungen Albanerin im Rotlichtmilieu gehandelt haben könnte. Fest steht, dass die Frau Leitner im vergangenen Jahr wegen Bedrohung angezeigt hatte. Die Hoffnung besteht, dass Max Leitner vor dem Richter gesteht, selbst die Schüsse abgefeuert zu haben.
Eine ballistische Untersuchung ist bereits im Gange. Außerdem soll die Herkunft der Schusswaffen geklärt werden. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der 63-Jährige die Waffen aus einem alten Versteck geholt hat. Die Ermittler halten es auch für möglich, dass Max Leitner womöglich zu alten Gewohnheiten zurückkehren wollte und mit den Utensilien einen Raubüberfall geplant hat.
Der Ausbrecherkönig riskiert erneut eine Haftstrafe. Leitner saß 28 Jahre im Gefängnis und ist dafür bekannt, fünf Mal aus dem Gefängnis ausgebrochen zu sein. Seinen ersten Banküberfall verübte er im Alter von 18 Jahren. Er hat seit 1990 wegen diverser Überfälle insgesamt 26 Jahre seines Lebens hinter Gittern verbracht. Im September 2016 war Max Leitner für den Rest seiner Haftstrafe bis Juni 2019 in den Hausarrest nach Elvas in Brixen überstellt worden. Er hat stets betont, dass er niemals Gewalt gegen Personen angewandt und niemals einen Schuss abgegeben hat. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme war er ein freier Mann.
Wegen des berüchtigten Namens von Max Leitner ist eine zentrale Figur im ganzen Geschehen völlig untergangen: die Prostituierte selbst. Auch in Südtirols Landeshauptstadt sind Prostituierte Teil einer marginalisierten Gruppe, die praktisch unsichtbar ist. „Im Rahmen des Projekts Alba konnten in Bozen rund 20 Frauen wieder in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft integriert werden. 90 Prozent davon sind Afrikanerinnen. Sie gehören zu jenen, die am meisten ausgebeutet werden“, erklärt Marina Bruccoleri laut Alto Adige. Bruccoleri ist die Verantwortliche für Frauenfragen und Chancengleichheit im Verein „La Strada-Der Weg“.
Im Rahmen des Projekts Alba werden Frauen betreut, die Opfer sexueller Ausbeutung wurden. Dabei handelt es sich um Frauen, die sich nicht freiwillig prostituieren, sondern die dazu gezwungen sind – entweder aus einer ökonomischen Notlage heraus oder weil Kriminelle Druck auf sie ausüben.
In Italien sind Prostitution von Minderjährigen, Zuhälterei und Bordelle verboten. Obwohl in nördlichen Ländern Prostitution häufig liberaler geregelt ist, verteidigt Marina Bruccoleri die Gesetzeslage in Italien. In Ländern, wo Prostitution legal ist, können Betroffene zwar ihre Tätigkeit anmelden und sie zahlen Steuern. Außerdem profitieren sie von einer Reihe von sanitären Dienstleistungen. Allerdings wurde die sexuelle Ausbeutung damit nicht ausgemerzt. „Was den Aspekt der Ausbeutung anbelangt, hat Italien das sogenannte Turco-Napolitano-Gesetz, für das uns viele im Rest von Europa beneiden“, betont Bruccoleri.
Ob Leitner die Prostituierte tatsächlich einschüchtern wollte und wer die Schüsse abgefeuert hat, darüber herrscht am Montag hoffentlich mehr Klarheit.