Vorbildfunktion wahren – ein Kommentar

Südtirols Krankenpfleger wehren sich gegen „Impfgegner-Image“

Donnerstag, 21. Januar 2021 | 09:27 Uhr

Bozen – Nach dem Bekanntwerden, dass sich bisher nur rund die Hälfte der Südtiroler Mitarbeiter in Krankenhäusern und Altersheimen geimpft hat, ist aus ganz Italien Kritik auf die heimischen Ärzte und Krankenpfleger niedergeprasselt. Während der „Corriere della Sera“ von einer „Impfgegnerfestung“ sprach, nahm der bekannte Virologe Roberto Burioni den „Fall Südtirol“ zum Anlass, für das gesamte italienische Gesundheitspersonal eine gesetzliche Impfpflicht zu fordern.

Südtirols Krankenpfleger wollen sich aber nicht den schwarzen Peter zuschieben lassen und kontern auf die herbe Kritik. Der regionale Gewerkschaftsvertreter der Gewerkschaft der Pflegekräfte Nursing Up, Massimo Ribetto, warnt in einer Aussendung vor schnellen Schuldzuweisungen und zählt verschiedene Gründe auf, die die niedrige Impfquote unter den Krankenpflegern erklären sollen.

Facebook/FNOMCeO

Massimo Ribetto erinnert daran, dass in den letzten drei Monaten positiv getestete oder an Covid-19 erkrankte Angestellte sich nicht impfen lassen können. Zudem haben seinen Informationen zufolge bereits vorgemerkte Krankenpfleger kurzfristig auf eine Impfung verzichtet, weil sie erst kurz vor der Impfung erfahren hätten, dass sie zu einer der Risikogruppen wie Autoimmunkranke oder Allergiker gehören, für die eine Impfung derzeit entweder noch zu riskant ist oder die Anwesenheit eines Anästhesisten erfordert. Massimo Ribetto fügt auch hinzu, dass unter den Pflegekräften die jungen Frauen sehr zahlreich sind. Ein nicht unerheblicher Prozentsatz von ihnen ist entweder schwanger oder gedenkt, in nächster Zeit eine Familie zu gründen. Auch in diesen Fällen raten Experten von einer Impfung ab.

ANSA/GIUSEPPE LAMI

Der regionale Gewerkschaftsvertreter der Gewerkschaft der Pflegekräfte Nursing Up, der auch organisatorische Probleme der Impfkampagne sowie die aus seiner Sicht zu kurzen Fristen für die Vereinbarung eines Impftermins kritisiert, rechnet vor, dass nach dem Abzug der oben genannten Angestellten, die aus verschiedenen Gründen sich derzeit nicht impfen lassen können, der Prozentsatz jener Personen, die die Impfung verweigern, auf höchstens drei bis sieben Prozent der Pflegekräfte fällt.

Die Pflegekoordinatorin Wilma Flunger bei der Impfung – sabes

Allzu gerne möchte man den Worten des Gewerkschafters der Krankenpfleger Glauben schenken. Die nächsten Monate mit ihren immer wiederkehrenden Angeboten und Möglichkeiten, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, werden zeigen, ob bei den Pflegekräften der Prozentsatz der Impfgegner wirklich weit unter zehn Prozent liegt. In jedem Fall sei an dieser Stelle daran erinnert, dass alle Angestellten des Südtiroler Gesundheitsbetriebs eine Vorbildfunktion ausüben. Denn warum sollen die Bauern, die Handwerker, die Büroangestellten oder die Lkw-Fahrer dem Impfstoff vertrauen, wenn es nicht einmal die Krankenpfleger tun?

Von: ka

Bezirk: Bozen