Von: mk
Bozen – Die jüngsten Ergebnisse eines breit angelegten Forschungspakets aus der Schweiz zeigen deutlich, dass sich der Wald im Alpenraum durch den Klimawandel nachhaltig verändern wird. Südtirol will im Kampf gegen den Klimawandel auf altbewährte Försterregeln setzen, berichtet das Tagblatt Dolomiten.
Die Vegetationsgrenze soll bis Ende des Jahrhunderts um 500 bis 700 Meter nach oben rutschen, in tiefer gelegenen Bergwäldern werden Laubbäume mehr und mehr Nadelbäume wie die Fichte ablösen, während steigende Temperaturen und damit einhergehende Trockenheit die Waldbrandgefahr erhöhen und den Befall durch Schadorganismen fördern.
Doch vor allem könnte die Entwicklung derart rasch erfolgen, dass sich die Bäume nicht rechtzeitig anpassen können. Der Weckruf aus der Schweiz ist das Ergebnis von über 40 Forschungsprojekten, die seit 2009 zum Thema „Wald und Klimawandel“ vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) koordiniert werden. 2017 sollen die Projekte abgeschlossen werden.
Obwohl der Fokus auf die Situation in der Schweiz gerichtet ist, sind die Untersuchungen „sicherlich auf den Südtiroler Wald übertragbar“, erklärt Florian Blaas, Direktor des Amtes für Forstwirtschaft laut „Dolomiten“. Seiner Ansicht nach bestätigen diese Erkenntnisse nur alte Förster-Regeln, die besagen, dass der Mensch nicht gegen, sondern nur mit der Natur nachhaltig wirtschaften kann. Wer wegen kurzfristiger Gewinn-Maximierung in tiefen Lagen oder auf feuchten Böden Fichten statt Erlen oder Tannen pflanze, dürfe sich nicht wundern, wenn ihm die Natur in Form von verheerendem Schädlingsbefall und Windwurfkatastrophen zurückschlägt und die Fichten beseitigt.
„Wer mit offenen Augen an unserer Waldgrenze entlangspaziert, wird feststellen, dass heutzutage oberhalb des sich auflösenden Waldes viele junge Bäume – zumeist Lärchen und Zirben – nachwachsen“, erklärt Blaas laut „Dolomiten. In 50 Jahren werde dort die Landschaft aufgrund des gewachsenen Waldes eben anders aussehen. Allerdings würden sich natürliche Ursachen und menschliche Interessen überlagern.
Vielfältige Funktionen des Waldes bewahren
Blaas rät neben der gezielten Verjüngung des Waldes dazu, die Walderziehung nicht auf eine einzige Baumart auszurichten, sondern standfeste, gestufte und stabile Mischwälder zu fördern. Dies sagen auch die Experten in der Schweiz, die angesichts des Klimawandels für eine Vielfalt der Baumarten plädieren und Bewirtschaftungs-Strategien fordern. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Wälder ihre Schutzwirkung bei Naturgefahren nicht mehr gewährleisten könnten und die Nutzung von Holz als Rohstoff und Energieträger problematisch werde.
Neue Bedingungen fordern Vegetation heraus
Wie sehr sich die Vegetation im Alpenraum neuen klimatischen Bedingungen anpassen muss, zeigt allein schon die Temperaturprognose vom Landeswetterdienst für die kommenden Jahre. „Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung, an der wir beteiligt waren, hat ergeben, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Temperatur um weitere 3 bis 4 Grad zunehmen könnte“, erklärt Meteorologe Dieter Peterlin laut „Dolomiten“. Dabei beruft er sich auf die wissenschaftlichen Studie „3PClim“ über das Klima in Nord-, Südtirol und das Belluno. Für die Situation in den Bergen heißt das: ansteigende Schneefallgrenze, mehr Niederschlag, ansteigende Waldgrenze sowie das Auftauen vom Permafrost.
Vor allem der alpine Lebensraum reagiert auf den Klimawandel sehr empfindlich. Während in den vergangenen 100 Jahren die Temperatur weltweit um ein Grad angestiegen ist, waren es in den Alpen zwei Grad. Gleichzeitig fügt Peterlin hinzu, dass sich in Südtirol in Zusammenhang mit Niederschlag und Wetterkapriolen kein Trend feststellen lasse.
Klare Ziele
In der Schweiz werden die gewonnenen Erkenntnisse direkt in den Planungsalltag einfließen. Forstleute werden mit hochaufgelösten Standortkarten ausgestattet, es werden Aufklärungsprogramme über Wuchsbedingungen und die Bodencharakteristik lanciert und man spricht klare Empfehlungen zur Bewirtschaftung aus.
Auf ähnliche Maßnahmen verweist auch Amtsdirektor Blaas laut dem Dolomiten-Bericht: „Die beste Vorsorge besteht in der guten, alten Nachhaltigkeit – heute jedoch speziell in der Nachhaltigkeit der Waldwirkungen wie Schutz, Trinkwasser und Erholungsraum – wie dies auch im Südtiroler Landesforstgesetz 1996 und seiner Durchführungsverordnung 2000 festgeschrieben ist.“
Die Bevölkerung wird wohl spätestens im Jahr 2017 aufgerüttelt werden, wenn die gesammelten Fakten erstmals in geballter Form präsentiert werden.