Von: ka
Grinzane Cavour – Vier Wochen nachdem der Inhaber des Juweliergeschäfts „Roggero“ in Grinzane Cavour, Mario Roggero, während eines Überfalls zwei Räuber erschossen hatte – Südtirol News berichtete – gerät seine Darstellung, dass er die beiden Täter in Notwehr getötet hätte, gehörig ins Wanken.
Einer Rekonstruktion des Tathergangs zufolge waren die tödlichen Kugeln auf die drei flüchtenden Räuber außerhalb des Geschäfts auf der Straße abgefeuert worden. Die Auswertung eines Videos ergab zudem, dass der Schütze auf einen angeschossenen, wehrlos auf dem Asphalt liegenden Räuber eingetreten hätte.
Am Mittwochabend des 28. April gegen 18.30 Uhr waren drei Räuber – der 58-jährige Giuseppe Mazzarino aus Turin, der 45-jährige Andrea Spinelli aus Bra und der 34-jährige Alessandro Modica aus Alba – in das Juweliergeschäft „Roggero“ eingedrungen. Einer Rekonstruktion der Ereignisse und Zeugenaussagen zufolge hatte einer der drei Räuber der Frau ins Gesicht geschlagen. Zugleich hatte einer seiner Kollegen ihre Tochter gefesselt. Die drei Männer hatten die beiden Frauen dazu gezwungen, ihnen den Panzerschrank zu öffnen. Allerdings hatten sich die Kriminellen nicht damit begnügt, die Juwelen aus den Vitrinen und aus dem Panzerschrank zu rauben, sondern hatten den aus dem hinteren Teil des Geschäfts hinzugekommenen Inhaber des Geschäfts, Mario Roggero, auch dazu aufgefordert, ihnen das Geld aus der Registrierkasse mit dem Tagesinkasso auszuhändigen.
„Es gab ein Handgemenge. Ich sah mich bewaffneten Männern gegenüber und musste zwischen meinem und ihrem Leben wählen. Mit der rechten Hand öffnete ich die Registrierkasse und mit der linken Hand die Schublade, von der ich wusste, dass sich darin mein Revolver befand. Im selben Moment richteten wir die Waffen aufeinander. Ich musste – (an dieser Stelle brechen die Worte des Mannes ab) – dann sind sie weggelaufen“, so die Schilderung von Mario Roggero kurz nach der Tat.
Die Ermittler hatten aber bereits wenige Stunden nach dem Überfall den Verdacht gehegt, dass das nicht die ganze Wahrheit sei. Aus Sicht der Carabinieri und die Staatsanwaltschaft wurde dieser Verdacht vier Wochen später zur Gewissheit. Die Auswertung verschiedener Videoaufnahmen und weitere Untersuchungen hätten es ermöglicht, festzustellen, dass die tödlichen Kugeln außerhalb des Geschäfts auf der Straße abgefeuert und dass die zwei Kriminellen auf der Flucht erschossen worden waren.
Dieser Rekonstruktion zufolge hat Mario Roggero mit dem Revolver in der Hand die flüchtenden und bereits in ihr Fahrzeug gestiegenen Räuber verfolgt. Erst nach dem ersten Schuss, der eine Scheibe zum Bersten gebracht habe, seien die drei Männer ausgestiegen. Die zweite Kugel hätte Giuseppe Mazzarino in die Brust getroffen und ihn sofort getötet. Anschließend sei Alessandro Modica – der einzige überlebende Räuber – von einer Kugel am Bein verletzt worden. Die vierte Kugel hingegen habe Andrea Spinelli in den Rücken getroffen. Kurz darauf habe der Inhaber des Juweliergeschäfts auf den gestürzten und verletzt auf der Straße liegenden Räuber eingetreten. Der kurzzeitig aufgestandene Kriminelle habe noch versucht, Mario Roggero die Waffe zu entreißen, sei dann aber endgültig tot auf dem Asphalt zusammengebrochen.
Einer Vermutung zufolge könnte der Ablauf der Tat mit einer vergangenen schrecklichen Erfahrung des Juweliers und seiner Familie zu tun haben. Damals – am 22. Mai 2015 – waren Mario Roggero und seine Tochter von zwei Räubern, die sich als normales Ehepaar ausgegeben hatten, verprügelt, gefesselt und in eine kleine Kammer gesperrt worden. Diese für seine Familie fürchterliche Erfahrung sowie der Verlust von Juwelen im Wert von 300.000 Euro hatten den Inhaber damals dazu bewogen, im Juweliergeschäft immer eine Waffe aufzubewahren.
Laut der Staatsanwaltschaft und den Carabinieri verschlechtern die letzten Erkenntnisse die rechtliche Lage von Mario Roggero, dem bisher fahrlässige Überschreitung der Notwehr und fahrlässige Tötung zur Last gelegt werden, wesentlich. Sollte die Rekonstruktion des Tathergangs der Staatsanwaltschaft der Wahrheit entsprechen, könnten auf den Inhaber des Juweliergeschäfts weit schwerwiegende rechtliche Konsequenzen zukommen.
Demnächst werden Gerichte über Mario Roggero, über den nach dem Überfall eine Welle der Solidarität hereingebrochen war, befinden.