In einem Jahr 100.000 Hektar „verschwunden“ – auch Angriffe der Raubtiere schuld

Besorgniserregender Trend: Italiener fliehen vor der Feldarbeit

Mittwoch, 24. April 2019 | 07:58 Uhr

Rom – Der italienische Bauernverband „Coldiretti“ will die Öffentlichkeit auf einen besorgniserregenden Trend aufmerksam machen. Laut Coldiretti sind in Italien allein im letzten Jahr rund 100.000 Hektar landwirtschaftlich genutztes Land verloren gegangen. Die Ursachen sind dem Bauernverband zufolge gleich mehrere. Neben der mangelnden Anerkennung der bäuerlichen Arbeit in der Öffentlichkeit und der unlauteren Konkurrenz gefälschter Produkte sind – folgt man der Meinung der italienischen Landwirtevereinigung – auch die Angriffe großer Raubtiere, namentlich Wildschweine und Wölfe, auf Felder und Herden schuld an der Aufgabe von landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Coldiretti schlägt Alarm. Im Stiefelstaat sind im Jahr 2018 zwischen Feldern, Wiesen und Almen eine landwirtschaftlich genutzte Flächen verschwunden, die umgerechnet 150.000 Fußballfeldern entsprechen. Damit ist in den letzten 25 Jahren mehr als ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes verloren gegangen. Italiens Bauernverband legt die Finger in die Wunde und macht für diesen besorgniserregenden Trend eine Vielzahl von Ursachen verantwortlich.

Laut Coldiretti fehlt es in der italienischen Öffentlichkeit vor allem an einer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Anerkennung der bäuerlichen Arbeit. Die unlautere Konkurrenz aus dem Ausland stammender, gefälschter Produkte, die in Italien als italienische Qualitätslebensmittel verkauft werden, macht den italienischen Bauern schwer zu schaffen. Coldiretti verlangt als Lösung, dass Maßnahmen ergriffen werden, die für alle in Italien verkauften Lebensmittel zwingend die Angabe der Herkunft vorschreiben und die den Weg des Lebensmittelprodukts vom Feld über die Produktion bis zur Ladentheke für den Kunden transparent und nachvollziehbar gestalten. Damit sollen für den Landwirt ein gerechter Preis und ein annehmbares Einkommen geschaffen werden.

Zudem wollen die Bauern aber auch darauf aufmerksam machen, dass besonders in Berggebieten, die bereits von sich aus als wirtschaftlich benachteiligt gelten, Angriffe von großen Raubtieren auf Herden mit dafür verantwortlich gemacht werden können, dass Almen, Bergweiden oder auch Grünflächen und Höfe weiter unten im Tal verlassen werden.

„Das Problem der Angriffe von Wildtieren, von den Wildschweinen bis zu den Wölfen, die Ernten vernichten und Nutztiere töten, verursachen im Jahr einen geschätzten Schaden von rund 100 Millionen Euro“, so Coldiretti. Insgesamt gingen im vergangenen Jahr 21.000 Hektar Bergweiden und Almflächen sowie weitere 24.000 Hektar Grünflächen, die für die Produktion von Tierfutter genutzt werden, verloren.

APA/APA (dpa/Symbolbild)/Klaus-Dietmar Gabbert

Des Weiteren tragen der Klimawandel und die immer häufigeren Starkregen, die die in vielen Regionen Italiens vorzufindenden, empfindlichen Böden für die Erosion anfällig machen, zur Landflucht bei. Laut den Daten des Bauernverbandes stieg die Anzahl der Gemeinden, die ein hohes Risiko für Erdrutsche und Überschwemmungen aufweisen, auf insgesamt 7275. Das heißt, dass mehr als neun Zehntel aller italienischen Gemeinden von solchen, teilweise vom Menschen mitverursachten, Naturphänomenen betroffen sind.

Laut der Untersuchungen, die der Verband auf die Grundlage von Zahlen des italienischen Statistikamtes Istat durchgeführt hat, sind für den Verlust aber auch die Umwandlung von Feldern und Wiesen in Wohn- und Gewerbeflächen verantwortlich.

Ob eine Trendumkehr zu schaffen ist? Leser und Kommentatoren meinen, dass Arbeitslose und junge Geringbeschäftigte sowie Bezieher des „Bürgergeldes“ mit sanftem Druck und steuerlichen Anreizen dazu bewegt werden sollen, zum Land und in die Berge zurückzukehren.

 

Von: ka