Von: ka
Padua/Turin – Der angesehene Experte Andrea Crisanti, der bereits vor zwei Monaten den Weihnachtslockdown vorausgesagt hat, hält eine dritte Corona-Welle für unausweichlich. „Die dritte Welle kommt sicher und Italien wird in Europa das Land mit der höchsten Anzahl von Todesopfern sein“, so Andrea Crisanti in einem Interview.
Der bekannte Mikrobiologe der Universität von Padua gilt seit seiner Funktion als Berater der venezianischen Regierung während der Corona-Notlage als hauptverantwortlich dafür, dass im Gegensatz zur Lombardei in Venetien ein Corona-Desaster verhindert werden konnte. Unter seiner Leitung wurden in Venetien die Bewohner ganzer Dörfer sowie alle Kontaktpersonen von positiv Getesteten einem Corona-Test unterzogen. Dies erwies sich als richtige Entscheidung, weil so Infektionsketten rechtzeitig unterbrochen und asymptomatische Covid-19-positive Personen zeitnah entdeckt und umgehend unter Quarantäne gestellt werden konnten. Zudem gelang es auf diese Art und Weise, Corona-Patienten im Frühstadium der Krankheit zu therapieren, was die Krankenhäuser wesentlich entlastete.
Leider stießen seine Ratschläge und Warnungen – Andrea Crisanti hatte vor einer zweiten Welle im Herbst gewarnt und sich früh für strengere Corona-Einschränkungen ausgesprochen – später meist auf taube Ohren. Heute wirft der anerkannte Experte einen düsteren Blick in die nahe Zukunft. Gleichzeitig lädt er dazu ein, zwischen den Interessen der Wirtschaft und dem Schutz der Gesundheit einen angemessenen Kompromiss zu finden.
„Bevor die Impfkampagne wirksam sein wird, werden Monate vergehen. Uns erwartet ein besorgniserregender Winter. Italien wird Ende nächster Woche in Europa das Land mit den meisten Todesopfern sein. Die Festtage, in denen die Schulen geschlossen sind und die Fabriken mit geringerem Rhythmus arbeiten, müssen dazu genutzt werden, um die Ansteckungen einzudämmen“, so Andrea Crisanti.
„Die dritte Welle ist in dieser Lage eine Gewissheit, dazu sind keine Vorhersagen notwendig. Mit der Wiedereröffnung der Schulen und Fabriken haben wir dem Virus eine große Gelegenheit gegeben. In der Folge sind die Ansteckungen in die Höhe geschossen. Nach dem Sommer waren die Corona-Zahlen überschaubar gewesen. Die Chance, die übrig gebliebenen Fälle zu verwalten, haben wir aus den Händen gegeben“, so das traurige Fazit des bekannten Mikrobiologen der Universität von Padua.
Crisantis Ansicht, dass die Öffnung der Schulen und der Betriebe nach dem Sommer die Ausbreitung des Virus stark begünstigt hat, wird auch von den neuesten Zahlen gestützt. Eine Auswertung der Ansteckungszahlen des Schulpersonals der Region Piemont ergab, dass das Schul- und Kindergartenpersonal bis zu vier Mal so oft mit dem Coronavirus angesteckt worden war als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Laut dem Forscher der Universität von Turin Alessandro Ferretti zeigen die nach Wochen und Schultyp aufgeteilten Zahlen, dass die Ansteckungen unter dem Schulpersonal bereits ab dem 12. Oktober nach oben gingen und dass dank dem frühen Homeschooling in den Oberschulen die Anzahl der Ansteckungen verringert werden konnte.
„Die Tatsache, dass die Inzidenz der Ansteckungen unter dem Schulpersonal deutlich höher ist als die allgemeine Inzidenz, ist ein Hinweis darauf, dass es einer Ansteckung mit dem Coronavirus stärker ausgesetzt ist als die Durchschnittsbevölkerung. Wenn Schulen kein Ort wären, an dem die Infektion auftritt, würde man eine ähnliche oder geringere Inzidenz als in der Bevölkerung erwarten. Da der einzige relevante Unterschied zwischen dem Schulpersonal und der Allgemeinbevölkerung in der jeweiligen Beschäftigung liegt, ist es klar, dass die Ursache für die höhere Inzidenz in der Arbeitstätigkeit selbst liegt“, so die unmissverständlichen Worte von Alessandro Ferretti.
Da bis zum Erreichen der Herdenimmunität das Problem, wie bis dahin das Virus kontrolliert und eingedämmt werden kann, weiter bestehen wird, werden auch im günstigsten Fall Corona-Einschränkungen sowie die entsprechenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen auch in den kommenden Monaten unsere ständigen Begleiter bleiben.