Vierfache finnische Mutter schreibt offenen Brief

„Die italienische Schule ist so schlecht“

Dienstag, 10. Januar 2023 | 07:05 Uhr

Syrakus – Eine vierfache finnische Mutter, die zusammen mit ihrer Familie im vergangenen August nach Syrakus auf Sizilien gezogen war, um die Stadt und die Insel kennenzulernen, hat zutiefst enttäuscht vom italienischen Schulsystem nur drei Monate später beschlossen, Italien wieder den Rücken zu kehren und nach Spanien zurückzuziehen.

„Das italienische Schulsystem ist schlecht. Unsere beiden Jungs, einer sechs und der andere 14 Jahre alt, gingen hier in Syrakus zur Schule, aber wir brauchten nur ein paar Monate, um zu erkennen, dass es sich nicht lohnt“, so die finnische Mutter Elin Mattsson in einem offenen Brief, den sie dem Lokalmedium „Siracusa News“ zusandte.

Facebook/Elin Mattsson

Elin Mattsson ist eine finnische Mutter von vier Kindern im Alter von 15, 14, sechs und drei Jahren. Ihr Beruf – die 42-jährige Mutter ist Malerin – und der ihres 46-jährigen Mannes, der als Informationstechnologie-Manager im Außendienst arbeitet, erlaubt es ihr und ihrem Partner auch fern von Finnland ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und so europäische Länder als Familie auch außerhalb des Urlaubs kennenzulernen.

Von Sizilien angezogen, beschloss die Familie Mattson im vergangenen August, nach Syrakus zu ziehen und ihre Kinder dort einzuschulen. Aber das italienische Schulsystem ist völlig anders als das, was die sechs Finnen bisher erleben konnten. Von der „schlechten italienischen Schule enttäuscht“, entschied die finnische Familie nach nur drei Monaten sizilianischen Lebens und Unterrichts im Oktober das Land zu verlassen. In einem offenen Brief teilen sie die Gründe für diese drastische Entscheidung mit.

Facebook/Elin Mattsson

„„Mama, die schreien und hauen auf den Tisch“, sagt mein Sechsjähriger. „Ja, es ist verrückt, dass sie die Pfeife benutzen und schreien. Ich kann besser Englisch als mein Englischlehrer“, schildert mein 14-jähriger Sohn. Wir sind eine finnische Familie, die nach Syrakus gezogen ist, weil wir unsere Berufe auch in Homeoffice und Smart Working ausüben können. Wir wollten euer warmes Klima und eure fantastische Kultur kennenlernen, aber leider verlief unser Aufenthalt nicht wie geplant. Wir haben bereits in Spanien und im Vereinigten Königreich gelebt und haben gedacht, dass das Schulsystem im ganzen Mittelmeerraum ähnlich sei, aber da haben wir uns gewaltig geirrt. Unsere beiden Jungen, einer sechs und der andere 14 Jahre alt, gingen hier in Syrakus zur Schule, aber wir brauchten nur ein paar Monate, um zu erkennen, dass es sich nicht lohnt“, schreibt Elin Mattsson.

Facebook/Elin Mattsson

„Das Schulsystem ist so schlecht. Meine Zweifel begannen an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal einen Fuß in die Schule setzte, um meine Kinder anzumelden. Der Lärm in den Klassen war so laut, dass ich mich fragte, wie man sich bei diesem Lärm überhaupt konzentrieren konnte. An diesem Tag warf ich auch einen flüchtigen Blick in ein Klassenzimmer, in dem ein etwa siebenjähriges Kind eine Übung vor einem wütenden Lehrer machte, der nicht nur auf das Kind an der Tafel, sondern auf alle Schüler verächtlich herabsah. Es war schockierend“, schildert die finnische Mutter ein Schlüsselerlebnis.

Facebook/Elin Mattsson

Schockiert zeigt sich die 42-Jährige darüber, dass die Schüler nur kleine Pausen haben und die gesamte Zeit bis zur Rückkehr nach Hause auf demselben Stuhl verbringen müssen. „Wenn die Regierung nur die Vorteile von frischer Luft und Pausen erkennen würde! In Finnland haben die Schüler zwischen den Unterrichtsstunden eine 15-minütige Pause. Sie verlassen das Klassenzimmer, um gemeinsam im Garten oder auf der Terrasse zu spielen. Während sie draußen sind, werden sie von ein oder zwei Lehrern beaufsichtigt. Finnland hat erkannt, wie wichtig es ist, dass Kinder sich bewegen, spielen, schreien und im Freien herumlaufen können, um überschüssige Energie loszuwerden und frische Luft zu tanken, damit sie in der Schule besser abschneiden“, so die Malerin, die aufzeigt, wie man es besser machen könnte.

Facebook/Elin Mattsson

„Ich habe auch einen dreijährigen Buben. Ich war besorgt, als ich den Innenhof des Kindergartens sah. Nichts zum Spielen? Wo waren all die Dinge zum Klettern? Sollten die Kinder nicht auch im Kindergarten spielen? Nein, es gab nur einen leeren Garten, der das Gebäude umgibt. Die Kindergartenkinder sitzen meist drinnen still um einen Tisch herum und machen kleine Handarbeiten. Das ist nicht gut. Erfahrungen in der freien Natur sind für jedes Kind unerlässlich. Der Unterricht im Kindergarten sollte aus dem Spiel heraus erfolgen. Kinder sollten so lange wie möglich Kinder sein. Wenn man das tut, wird man in der Schule gute Ergebnisse erzielen. Der Versuch, sie zu früh zu zwingen, verschiedene Dinge zu lernen, kann fatal sein. Das Gehirn muss ausreichend entwickelt sein, bevor der Unterricht beginnt. In finnischen Kindergärten gehen die Kinder jeden Morgen zwischen neun und elf Uhr nach draußen und können dort mit Spielzeugautos oder in Sandkästen spielen. Nach dem Mittagessen und einigen Aktivitäten im Inneren des Kindergartens dürfen die Kindergartenkinder auch am Nachmittag wieder an die frische Luft“, fährt Elin Mattsson fort.

Facebook/Elin Mattsson

„Ich kann verstehen, warum in den Klassen so viel Lärm herrscht. Die Schulkinder finden keine Möglichkeit, ihre überschüssige Energie loszuwerden. Gönnt den Kindern Pausen und lasst sie zum Spielen ins Freie!“, appelliert die Finnin an die Schulbehörden.

„Ein großes Problem sind auch die zahllosen Erwachsenen, die jeden Morgen und jeden Nachmittag zur Schule fahren, um die Kinder dorthin zu bringen oder von dort abzuholen. Ist das totale Verkehrschaos praktisch für die Familien? In Finnland gehen die sieben- bis zwölfjährigen Kinder allein zur Schule. Sie benutzen Fahrräder oder gehen zu Fuß. Wenn sie mehr als fünf Kilometer von der Schule entfernt wohnen, können sie auch mit dem Schultaxi oder dem Schulbus fahren. Sie essen in der Schule zu Mittag und gehen nach dem Schultag allein nach Hause. Falls gewünscht, darf das Kind bis zum Feierabend der Eltern auch eine Nachmittagsbetreuung in Anspruch nehmen“, zeigt die 42-Jährige die Unterschiede zwischen Finnland und Italien auf.

Facebook/Elin Mattsson

„Warum sollten nicht alle Kinder die besten Voraussetzungen zum Lernen haben? Warum erkennt ihr nicht die Vorteile der frischen Luft? Erkennt die Vorteile von Pausen im Freien und verwandelt die Schulhöfe in Orte, die Spaß machen! Vermeidet es noch nicht vollkommen entwickelte Gehirne zum übermäßigen Lernen zu zwingen! Warum bietet ihr kein Mittagessen in der Schule an? Für manche Familien ist dies vielleicht die einzige nahrhafte Mahlzeit. Warum erkennen ihr nicht die Vorteile, die Kinder haben, wenn sie allein zur Schule und nach Hause gehen?“, richtet Elin Mattsson an die Verantwortlichen einen eindringlichen Appell.

Der offene Brief der Finnin erregt in der italienischen Öffentlichkeit viel Aufsehen. Viele Italiener – aber vermutlich auch viele Südtiroler – glauben, dass die Institutionen Schule und Kindergarten „neu gedacht“ werden müssen.

Von: ka