Richterin und Sozialassistentinnen schweren Shitstorm ausgesetzt – VIDEO

„Die ‚Waldkinder‘ können zurückkehren, aber die Eltern müssen kooperieren“

Mittwoch, 26. November 2025 | 07:11 Uhr

Von: ka

Palmoli/L’Aquila – Nach dem monatelangen Tauziehen zwischen dem Gericht von L’Aquila und Catherine Birmingham sowie Nathan Trevallion, das am Donnerstag letzter Woche mit dem einstweiligen Entzug des Sorgerechts endete, ergießt sich ein Shitstorm ungeheuren Ausmaßes über die Richterin Cecilia Angrisano, die die Verfügung unterzeichnete, sowie über die Sozialassistentinnen, die für das Gericht einen Bericht über ihre Besuche bei der Familie verfasst hatten.

An dem Shitstorm sind auch einige Influencer und Meinungsmacher beteiligt. Unabhängige Experten, die zu mehr Besonnenheit aufrufen, weisen jedoch darauf hin, dass die Rechte der Kinder gefährdet waren und die Entscheidung noch nicht endgültig ist. „Die Eltern haben sich nicht kooperativ gezeigt. Die ‚Waldkinder‘ können zu ihren Familien zurückkehren, aber nur, wenn die Eltern kooperieren“, erklärt Claudio Cottatellucci, Richter am Gericht von Rom und Präsident der italienischen Vereinigung der Richter für Minderjährige und Familie.

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Im Interview mit der römischen Tageszeitung La Repubblica ruft er Catherine Birmingham und Nathan Trevallion dazu auf, Vertrauen in die Justiz zu haben. Es bestehe „keine endgültige Entscheidung, den Eltern ihre Kinder wegzunehmen“. Er betont jedoch, dass die Eltern jetzt kooperieren müssten, da das Recht der Kinder auf soziale Kontakte und auf Gesundheit gefährdet gewesen sei. „Das Letzte, was diese so heikle Angelegenheit vertragen kann, ist Schwarz-Weiß-Denken“, sagt Cottatellucci und bittet um mehr Besonnenheit.

„Nach dem, was ich dem Dekret entnehmen konnte, und unter Berücksichtigung meiner Erfahrung würde ich sagen, dass das Gericht auf die Veränderbarkeit der Lage gesetzt und dabei zwei entscheidende Punkte berücksichtigt hat: Das Recht der Kinder auf ein Beziehungsleben und auf Gesundheit. Das bedeutet, dass die Richterin noch hofft, die Eltern positiv zu motivieren. Wenn man sich die Mühe macht, das Dekret zu lesen, bevor man vollkommen inakzeptable Worte der Verurteilung der richterlichen Vorgangsweise verwendet, wird aus den Unterlagen deutlich, dass versucht wurde, den Weg der Wiederherstellung der elterlichen Sorge zu beschreiten – jedoch ohne Erfolg. Der Vater und die Mutter dieser Kinder haben sich bisher nicht kooperativ gezeigt“, erklärt der Präsident der italienischen Vereinigung der Richter für Minderjährige und Familie.

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Wie Claudio Cottatellucci betont, dauerten die Ermittlungen mehr als ein Jahr. „Die Gerichte versuchen es zunächst mit Auflagen, aber das sind zivilrechtliche und keine strafrechtliche Maßnahmen. Wenn sich die Familien nicht daran halten, kann man wenig tun. Es wurde eine neuropsychiatrische Untersuchung beantragt, um den Zustand der Kinder zu beurteilen, doch diese wurde abgelehnt. Stattdessen haben die Eltern provokativ eine Forderung von 50.000 Euro pro Kind gestellt. Wenn alle anderen Wege versperrt sind, steht man vor einem Dilemma, das kein Jugendrichter leichtfertig angeht“, fährt Cottatellucci fort.

„Meine Kollegin ist erfahren und ausgeglichen. Ich kann mir vorstellen, wie schwer dieser Moment für sie ist. Sie ist nun sehr besorgt über diese Eskalation von Hass und Angriffen in den Medien und den sozialen Netzwerken – selbst von ‚Entführung‘ war die Rede. Es wäre mehr Respekt gegenüber den Richtern und der Ausübung der Gerichtsbarkeit angebracht“, verteidigt Cottatellucci Cecilia Angrisano, die Präsidentin des Jugendgerichts, die diese Entscheidung gefällt hat.

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„Es gibt nicht nur Richter, sondern eine ganze Reihe von Einrichtungen und Verantwortlichen verschiedener Berufsbilder, die alle das gleiche Ziel verfolgen: Das Wohl der Minderjährigen. Ich bin sicher, dass dieses Ziel mit der Zusammenarbeit der Eltern erreicht werden kann“, findet Claudio Cottatellucci versöhnliche Worte.

Barbara Rosina, die Präsidentin der Nationalen Vereinigung der Sozialassistentinnen, beklagt sich hingegen gegenüber der Turiner Zeitung La Stampa, dass die Angelegenheit ihre Kolleginnen zu Zielscheiben gemacht habe, zu Personen, denen man misstrauen müsse, weil sie „den Eltern ihre Kinder wegnehmen“.

www.catherinelouisebirmingham.com/Catherine Birmingham und Nathan Trevallion mit ihren Kindern

„Zu behaupten, Sozialassistentinnen würden Kindern ihre Eltern ‚wegnehmen‘, ignoriert, dass Entscheidungen nie allein getroffen werden. Sie werden mit Richtern, Psychologen, Pädagogen und Psychiatern abgestimmt. Alle arbeiten auf der Grundlage von Protokollen, Richtlinien und Bewertungen. Keine Maßnahme wird aus heiterem Himmel getroffen“, so Rosina. Sie erklärt, dass „die Trennung das letzte Mittel ist, das nur dann zum Einsatz kommt, wenn alle anderen Versuche gescheitert sind und eine echte Gefahr für die Gesundheit, die Entwicklung oder die Sicherheit der Kinder besteht“.

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„Liebe allein reicht nicht aus. Es braucht schulische Bildung, eine ordentliche Gesundheitsversorgung, soziale Beziehungen, ein familiäres Netzwerk und ein Umfeld, das eine gesunde Entwicklung fördert. Das ist keine Meinung, sondern eine wissenschaftliche Tatsache. Dass zwischen Eltern und Kindern Zuneigung besteht, ist offensichtlich und wird nie infrage gestellt. Tatsächlich gibt es Mutter-Kind-Gemeinschaftsstätten und geschützte Besuche, um genau diese Bindung zu erhalten. Wenn jedoch die grundlegenden Bedürfnisse für das kindliche Gedeihen fehlen, wird das Risiko zu groß“, betont die Präsidentin der Nationalen Vereinigung der Sozialassistentinnen.

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Laut Rosina entsteht der Hass gegenüber Sozialassistentinnen „aus der Tatsache, dass wir einen der wenigen Berufe ausüben, bei dem wir in die Wohnungen kommen, um die Sicherheit der Kinder zu beurteilen. Das erzeugt Angst und Konflikte. In Situationen von Trennungen, häuslicher Gewalt, Abhängigkeiten oder psychischen Erkrankungen wird uns immer jemand etwas vorwerfen. Die einen sagen: ‚Ihr habt mir mein Kind weggenommen‘, die anderen sagen: ‚Ihr habt es nicht ausreichend geschützt.‘“

Hinzu kommen Influencer und Nutzer in den sozialen Netzwerken, die Falschinformationen verbreiten. „Wir können nicht darauf antworten, weil wir der Schweigepflicht unterliegen. Und es ist leicht, jemanden zu treffen, der sich nicht verteidigen kann“, erklärt Barbara Rosina.

In der öffentlichen Debatte um die „Waldfamilie“ werden die Richterin und die Sozialassistentinnen zum Ziel von Hasspostings. Es gibt jedoch auch besonnenere Stimmen, die darauf hinweisen, dass die geplanten Veränderungen im Haus sowie die Anerkennung des Rechts auf Bildung und auf soziale und spielerische Kontakte mit Gleichaltrigen ausreichen würden, um die Familie wieder zusammenzuführen. Der Bürgermeister von Palmoli hat der Familie bis zum Abschluss der Renovierungsarbeiten an ihrem Bauernhaus sogar eine Wohnung in Palmoli angeboten.

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