1.600 Familien müssen Gas- und Wasserrechnungen ein zweites Mal bezahlen – VIDEO

Dreist: Kondominiumsverwalter mit zwei Millionen Euro verschwunden?

Donnerstag, 23. März 2023 | 07:14 Uhr

Casale Monferrato – Die piemontesische Kleinstadt Casale Monferrato ist Schauplatz eines unglaublichen Betrugs. Ein Kondominiumsverwalter, der in der Kleinstadt 85 Mehrfamilienhäuser betreute, soll mit dem gesamten Geld, das ihm die ahnungslosen Wohnungsinhaber für die Begleichung der Wasser- und Gasrechnungen überwiesen hatten, verschwunden sein.

Da die ausstehenden Rechnungen nie bezahlt wurden und die Betriebe, die das Wasser und das Gas liefern, gesetzlich auf die Eintreibung nicht einfach verzichten können, sind die rund 1.600 betroffenen Familien gezwungen, ein zweites Mal tief in die Tasche greifen, was nicht wenige Menschen vor eine schwierige finanzielle Herausforderung stellt. Der Anwältin des Verwalters hingegen spricht von säumigen Mietern. Tatsache ist allerdings, dass der Kondominiumsverwalter seit Wochen unauffindbar ist.

APA/APA/dpa/Sebastian Gollnow

Die Wohnungseigentümer, die alle Kondominiumsspesen bezahlt hatten, dachten, dass ihr Verwalter alle Gas-, Heizungs- und Wasserrechnungen beglichen hätte. Aber weit gefehlt. In Wirklichkeit waren die ausstehenden Rechnungen der zum Teil gemeindeeigenen Liefergesellschaften vom Verwalter nie beglichen worden. Da der Kondominiumsverwalter in Casale Monferrato nicht weniger als 85 Mehrfamilienhäuser betreute, in denen insgesamt mehr als 1.600 Familien wohnen, ist der Schaden enorm. Ersten Schätzungen zufolge stehen je Gebäude nicht bezahlte Beträge von fast 30.000 Euro aus, was bedeutet, dass sich die Schadenssumme insgesamt auf rund zwei Millionen Euro belaufen könnte.

Nach dem Namen des Kondominiumsverwalters, Andrea Ginepro, ist der Fall weit über die piemontesische Kleinstadt hinaus als „Fall Ginepro“ bekannt. Andrea Ginepro und sein Vater, von dem der Sohn die Kondominiumsverwaltungen übernommen hatte, galten bis zum Bekanntwerden des Skandals in der Kleinstadt jahrzehntelang als angesehene und seriöse Verwalter.

Anstatt die Rechnungen zu bezahlen, soll Andrea Ginepro die überwiesenen Summen ohne das Wissen der Wohnungseigentümer, die die Kondominiumsspesen immer regelmäßig bezahlt hatten, in die eigene Tasche gesteckt haben. Da das Gesetz bezüglich der Bezahlung der Neben- und Betriebskosten keine Ausnahmen vorsieht und die kommunalen Serviceleister und Energieversorger auf die Eintreibung nicht einfach verzichten können, sitzen die betroffenen Familien in der Klemme. Da die Rechnungen beglichen werden müssen, werden die Wohnungseigentümer aus heutiger Sicht das entstandene finanzielle Loch in Höhe von rund zwei Millionen Euro selbst stopfen müssen.

Facebook/Federico Riboldi – Sindaco di Casale Monferrato

Um die Betroffenen zu informieren und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen, organisierte die Stadtgemeinde auf einem großen Platz die vielleicht größte Kondominiumsversammmlung Italiens. Die wenig erfreuliche Aussicht, für dieselben Rechnungen ein zweites Mal zur Kasse gebeten zu werden, stieß bei den 1.600 Teilnehmern der Sitzung unter freiem Himmel naturgemäß auf wenig Begeisterung. Zudem steht die genaue Höhe des Fehlbetrags noch nicht fest. „Die genaue Schadenssumme werden wir erst erfahren, wenn alle neuen Kondominiumsverwalter, die die Ginepro als Verwalter abgelöst haben, alle Bilanzen geprüft haben werden“, erklärt der stellvertretende Bürgermeister der piemontesischen Kleinstadt, Emanuele Capra.

Das ist aber noch nicht alles. „Der Verwalter hat ohne unser Wissen für die Kondominiumskonten einen Überziehungskredit eröffnet. Sollte er überzogen worden sein, werden wir auch für diese Kosten aufkommen müssen. Ansonsten werden wir auch mit den Banken ernste Probleme bekommen“, geben die Wohnungseigentümer zu bedenken.

Die Anwältin des Verwalters, Maria Grazia Strambi Ferrini, hingegen spricht von säumigen Mietern. „Sollten Versäumnisse festgestellt werden, werden auch die Ginepro ihren Teil zur Lösung des Problems beitragen“, so die Anwältin. Sie fügt hinzu, nicht zu wissen, warum dies geschehen sei. Tatsache ist aber, dass Andrea Ginepro weder telefonisch erreichbar noch auffindbar ist.

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Das Angebot der Gemeindeverwaltung lautet, dass die Energie- und Wasserversorger auf die Eintreibung der ältesten Rechnungen, die aus dem Jahr 2021 stammen und nicht sehr hoch sind, verzichten. Der Kompromiss sieht auch die Einrichtung eines Zahlungsmoratoriums vor, das die nötige Zeit verschafft, die tatsächliche Höhe der Schulden jedes einzelnen Wohnungseigentümers festzustellen und deren Tilgung auf einen längeren Zeitraum zu strecken. Im Gegenzug würden die Energie- und Wasserversorger die bereits eingeleiteten rechtlichen Schritte aussetzen.

„Nach dem Bekanntwerden des Problems, das viele Einwohner von Casale Monferrato betrifft, hat sich die Stadtgemeinde sofort um die Suche nach Lösungen bemüht. Seitens Energica und AM+ besteht der Wille, sofort eine spezielle Prüfstelle einzurichten, um in Zusammenarbeit mit den neu ernannten Verwaltern jeden Einzelfall zu prüfen und je nach der Höhe der Schuld in Form von Ratenzahlungen maßgeschneiderte Lösungen zu schaffen“, so der Bürgermeister von Casale Monferrato, Federico Riboldi.

Facebook/Federico Riboldi – Sindaco di Casale Monferrato

Die betroffenen Wohnungseigentümer sind verzweifelt. „Wir haben schon einmal bezahlt. Warum müssen wir ein zweites Mal bezahlen?“, fragen sich viele Familien, von denen viele bereits jetzt in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Ihre einzige Hoffnung besteht darin, dass Andrea Ginepro ausfindig gemacht und das Geld wieder zurück in die Kassen der Kondominien gebracht werden kann.

Von: ka