Von: ka
Bologna/Modena/Cesena – Die norditalienische Region Emilia-Romagna ist seit Tagen von starken Regenfällen und schweren Überflutungen betroffen. Nachdem vor kaum zwei Wochen bei ähnlich schweren Überschwemmungen zwei Menschen ums Leben gekommen waren, wurden erneut weite Teile der Region und im Fall von Cesena und Riccione sogar Städte unter Wasser gesetzt.
Bereits vor zwei Wochen dachten die Verantwortlichen der norditalienischen Region über die Ursachen der Überflutungen nach. Die beiden beobachteten Phänomene, dass innerhalb weniger Stunden der Regen eines gesamten Monats fiel, und dass nach der langen Trockenperiode im Frühjahr die harten Böden weniger Wasser als sonst aufnehmen und speichern konnten, werden von den Experten als Hauptursachen angesehen.
Daneben wurde aber auch darauf hingewiesen, dass einige Dammbrüche auf die von einigen Tieren, die in den Flüssen und Gräben leben und dort auf Nahrungssuche gehen, gegrabenen Höhlen zurückzuführen sein könnten. Biberratten, Füchse, Dachse und besonders Stachelschweine graben in die Dämme teilweise tiefe Löcher, die diese Tiere als „Behausungen“ nutzen. Allerdings können diese Tierbaue dazu beitragen, den Damm zu schwächen, was im Fall von Hochwasser einen Dammbruch begünstigen kann.
Mit nur wenigen Tagen Unterbrechung leidet die Emilia-Romagna seit zwei Wochen unter Unwettern und starken Regenfällen, die zu Erdrutschen und schweren Überschwemmungen führen. Aufgrund der Überflutungen mussten Hunderte von Menschen evakuiert werden. In weiten Teilen der Region fiel der Strom aus und auch der Zugverkehr kam zum Erliegen. Zudem befürchten viele Landwirte, dass die Überflutung ihrer Felder zu schwerwiegenden Ernteausfällen führen wird.
Während die Einsatzkräfte des Zivilschutzes und der Feuerwehr ihre Arbeit fortsetzen, fragen sich viele Bewohner der Region, welche Ursachen für die Überschwemmungskatastrophe verantwortlich sind. Als Hauptursachen werden von den Experten der stundenlange Starkregen sowie die durch die wochenlange Trockenheit zu „Beton“ gewordenen Böden genannt. Nach der ersten Überschwemmungskatastrophe, bei der Anfang Mai zwei Menschen ums Leben kamen, richteten die Experten ihre Aufmerksamkeit aber auch auf den Dammbruch des Flüsschens Sillaro im Gebiet zwischen den Gemeinden Massa Lombarda und Conselice, der die Evakuierung von Hunderten von Menschen zur Folge hatte.
Der Bürgermeister von Massa Lombarda, Daniele Bassi, erklärte, dass nach den ersten Untersuchungen der Techniker der Dammbruch „möglicherweise durch die Tierbaue der Stachelschweine verursacht“ worden sein könnte.
Normalerweise sind es vor allem die Biberratten, die in die Dämme ihre Höhlen graben, aber die Experten merken an, dass die Baue, die die Stachelschweine in die Dämme der Flüsse und Gräben anlegen, viel länger und größer sind als jene, die die Biberratten „bauen“. Der Wasserdruck, der auf dem Damm lastete – so die Techniker und der Bürgermeister – war natürlich sehr hoch, aber die langen Anlagen der Stachelschweine, die den Fluss und seine Ufer als Lebensraum nutzen, könnten dazu beigetragen haben, den Damm vielleicht entscheidend zu schwächen. Daniele Bassi merkt an dieser Stelle an, dass das Bett des Sillaro erst vor Kurzem von Bäumen und Dickicht gesäubert worden war, was bedeutet, dass der Bruch des Damms nicht auf vom Wasser „zusammengeschobene“ entwurzelte Bäume und abgerissene Äste zurückgeführt werden kann.
Die Untersuchungen stehen erst am Anfang, aber die Vermutung, dass die Tunnel der Stachelschweine und anderer Tiere den Dammbruch begünstigt haben könnten, ist nicht aus der Luft gegriffen. Es gibt einen wichtigen Präzedenzfall, der aus Sicht der Techniker und Ingenieure wertvolle Rückschlüsse zulässt. Am 19. Januar 2014 hatte in der Provinz Modena der Bruch des rechten Dammes des Secchia-Flusses die Überflutung mehrerer Gemeinden, darunter Bastiglia und Bomporto, sowie großer landwirtschaftlicher Flächen zur Folge. Bei den nach der Überschwemmung durchgeführten technischen Untersuchungen wurde unter den Ursachen für den Einsturz des rechten Damms der Secchia auch das Vorhandensein von Höhlen, die von Tieren, die im Fluss und an seinen Ufern leben, in die Böschungen des Damms gegraben worden waren, genannt. Bei der Untersuchung des Damms wurden Tunnel gefunden, die von Stachelschweinen, Dachsen und Füchsen stammten.
Die Sanierung der Dämme erwies sich als kostspielig und aufwendig. Die Höhlen mussten mit einem speziellen Betongemisch gefüllt werden. In einigen Fällen waren die Verantwortlichen sogar gezwungen, den Damm neu zu errichten.
🔴 #Maltempo #EmiliaRomagna, esondato il fiume Savio a #Cesena nella zona di via Roversano e via dei Mulini: segnalate persone bloccate sui tetti per l'alto livello dell'acqua, in atto sull'area operazioni di soccorso con l'elicottero dei #vigilidelfuoco [#16maggio 17:45] pic.twitter.com/UiRZ8CGU2r
— Vigili del Fuoco (@vigilidelfuoco) May 16, 2023
Nach der Feststellung dieser Mitursache für die Flutkatastrophe wurde damit begonnen, die Dämme, die die Flüsse Secchia und Panaro säumen, regelmäßig auf das Vorhandensein von Tierbauen zu kontrollieren. Dabei entdeckten die Experten Hunderte von Tierbauen – zumeist von Biberratten und Stachelschweinen – die im Falle eines Hochwassers potenziell zu einem Dammbruch führen könnten. Mit Blick auf diese Zahlen legte die Region Emilia-Romagna ein Programm auf, um die Zahl der Tiere, die Höhlen in die Böschungen der Dämme graben, zu begrenzen. Während für jagdbare Tiere wie Füchse und Dachse Abschussquoten festgelegt wurden, wurden streng geschützte Tiere wie die Stachelschweine eingefangen und an Orten fern der Dämme wieder ausgesetzt.
Die Verwirklichung dieses Vorhabens stieß in der Emilia-Romagna allerdings auch auf erheblichen Widerstand der Umwelt- und Tierschützer. Dank der Umsetzung der Abschuss- und Einfangpläne konnte in der Provinz Modena das Risiko von Dammbrüchen, die auf von Tieren gegrabenen Gängen zurückzuführen sind, erheblich verringert werden.
Die Überschwemmungen, unter denen die Emilia-Romagna und die Nachbarregion Marken seit Tagen leiden, haben viele Ursachen, wobei als Hauptgründe insbesondere das Tief, das kaum von der Stelle weicht, und die vorhergehende Trockenheit genannt werden. Einzelne Dammbrüche könnten den Experten zufolge allerdings auch auf die Baue von Biberratten, Füchsen, Dachsen und vornehmlich von Stachelschweinen, die besonders ausgedehnte Systeme anlegen, zurückzuführen sein.
Ähnlich wie bei der Wolf- und Bärendebatte in Südtirol und im Trentino stehen sich auch in der Emilia-Romagna Tierschützer und Verantwortliche der Region, die den Bestand dieser Säugetiere „regulieren“ wollen, unversöhnlich gegenüber. Sollen im Interesse der Bevölkerung die Flussdämme gesichert werden, ist allerdings auch die Kontrolle der Anzahl dieser Wildtiere unbedingt zu berücksichtigen.