Von: ka
Rom/Gaza/Jerusalem – Nachdem die überwiegende Mehrheit der pro-palästinensischen Aktivisten der „Global Sumud Flotilla“, die die israelische Seeblockade durchbrechen und Hilfsgüter nach Gaza bringen wollten, letzte Vermittlungsangebote der römischen Regierung, der katholischen Kirche und des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella abgelehnt hatte, wurde in Rom das Schlimmste befürchtet.
Selbst der letzte Appell der italienischen Fregatte „Alpino“, umzukehren, da das Schiff der italienischen Marine die Sicherheit der rund 450 Teilnehmer der Gaza-Hilfsflotte nicht mehr gewährleisten könne, blieb ohne Erfolg.
Die italienische Regierung befürchtete, dass die israelische Marine beim Aufhalten und Entern der Schiffe Gewalt anwenden und dabei italienische Staatsbürger, von denen sich rund vier Dutzend an Bord befanden, verletzen oder gar töten könnte. Angesichts der aufgeheizten Stimmung im Land wäre dies für die Regierung Meloni eine Katastrophe gewesen.
Als das Eingreifen der IDF am späten Mittwochabend und in der Nacht auf Donnerstag jedoch problemlos und gewaltfrei ablief, war in Italien ein großes Aufatmen zu spüren. Alle Italiener sind wohlauf. Nach ihrer Festnahme durch israelische Marinesoldaten wurden sie zum Hafen Ashdod geleitet und von dort in ein Gefängnis überstellt, in dem sie nun auf ihre Ausweisung warten.
Dies lag einerseits daran, dass die Aktivisten keinen Widerstand leisteten, und andererseits daran, dass alle israelischen Militäreinheiten, die für die Gaza-Seeblockade und deren Durchsetzung verantwortlich sind, ein eingespieltes Team sind. Sie erledigen ihre Aufgaben, wie das Verhindern von Durchbrüchen und das Entern von Segelyachten, hochprofessionell.
Dazu gehören aufmerksame Geheimdienstarbeit in den Herkunftsländern und an den Abfahrtshäfen, der Einsatz von Drohnen sowie eine permanente Funküberwachung. Außerdem sind israelische Patrouillenboote ständig präsent, um die Küsten des Landes, insbesondere die zum ägyptischen Sinai hin, zu überwachen. Sollten Appelle und Warnungen erfolglos bleiben, schreckt Israel auch nicht davor zurück, auf offener See mit Gewalt vorzugehen, also weit entfernt von der im Völkerrecht vorgesehenen Zwölf-Meilen-Grenze der Hoheitsgewässer.
In den vergangenen zwanzig Jahren sind die israelischen Streitkräfte mehrfach eingeschritten, um Flotten ausländischer Aktivisten zu stoppen, die fest entschlossen waren, den im Gazastreifen eingeschlossenen Palästinensern Hilfe und Solidarität zu bringen. Daher war es keine Überraschung, dass der Blitzangriff auf die mehr als 40 Boote der „Global Sumud Flotilla“ einem bewährten Muster folgte.
Die Befehle waren von Anfang an klar: Die Schiffe der Pro-Palästina-Aktivisten durften Gaza auf keinen Fall erreichen. Wie schon zu Zeiten der Terroranschläge der PLO in den 1970er Jahren wandte Israel somit bereits außerhalb seiner Hoheitsgewässer Gewalt an. Zunächst griffen seine Drohnen die Schiffe der Aktivisten in der Nähe von Tunis an, in den letzten Tagen dann in griechischen Gewässern. Doch es war klar, dass die kleine Flotte nicht anhalten würde.
Daher kam es am Mittwochabend zum Marineeinsatz. Eine Sprecherin der israelischen Marine warnte die kleine Flotte zunächst, dass sie dabei sei, die Grenze der Seeblockade und damit das Kriegsgebiet zu erreichen. Sie forderte die Verantwortlichen der „Global Sumud Flotilla” auf, ihren Kurs auf Gaza nicht weiter fortzusetzen und die Hilfsgüter zum Weitertransport israelischen Schiffen zu übergeben.
Da die Aktivisten dieses Angebot ausschlugen, kam es kurz nach 21.00 Uhr zum Showdown. Da die Boote weiterhin Kurs auf Gaza nahmen, wurde entschieden, Kommandos von Marineeinheiten an Bord von Patrouillenbooten und schnellen, schwarzen Schlauchbooten einzusetzen. Diese wurden von speziell ausgebildeten, schwer bewaffneten Elitesoldaten unterstützt, die aus Hubschraubern auf die Decks der ankommenden Boote absprangen.
Ersten Erkenntnissen zufolge wurde der wichtigste Teil der Abfangaktion des Militärs rund 80 Kilometer vor der Küste von Patrouillenbooten aus durchgeführt. Die mit Nachtsichtgeräten ausgestatteten Kommandos konnten mühelos an Bord der Boote steigen. Das ruhige Meer und das gute Wetter begünstigten den Blitzangriff. Dank Radar und Drohnen hatte die israelische Marine eine sehr genaue Vorstellung von der Position der Boote des Konvois. Die Aktivisten leisteten keinen Widerstand. Die Boote und ihre Besatzungen wurden in den militärischen Bereich des Hafens von Ashdod eskortiert, wo alles für die Identifizierung der Festgenommenen vorbereitet war.
Die kurze Geschichte der Durchbruchsversuche zum Gazastreifen zeigt jedoch, dass solche Abfangaktionen stets Operationen auf des Messers Schneide sind. Nachdem es dem „Free Gaza Movement” im Jahr 2008, zwei Jahre nach dem Libanon-Krieg, gelungen war, einige Boote an die Strände des Gazastreifens zu bringen, wurde im Jahr 2010 beschlossen, mit maximaler Gewalt vorzugehen. Die sechs Boote der „Gaza Freedom Flotilla”, die von den türkischen Behörden unterstützt wurden, wurden nach ihrer Ablegung in Zypern gestoppt. Israelische Kommandos seilten sich aus Hubschraubern auf die Decks der Boote ab. Die meisten Pazifisten ergaben sich sofort. Sie wurden nach Ashdod gebracht, kurzzeitig festgehalten und anschließend ausgewiesen.
Einige Aktivisten auf einem Boot leisteten jedoch Widerstand und griffen die Soldaten mit Stöcken und spitzen Gegenständen an. Die Israelis schossen daraufhin aus nächster Nähe zurück. Die Bilanz belief sich am Ende auf zehn Tote und dreißig Verletzte. Auch zehn israelische Soldaten wurden verletzt, einer davon schwer. Im Jahr 2011 wurden die Schiffe einer neuen Flotte sabotiert, sodass sie nie auslaufen konnten. 2015 wurde eine weitere Flotte 100 Seemeilen vor Gaza abgefangen, ohne dass es zu Verletzten kam. Im Juni dieses Jahres nahmen israelische Marineeinheiten hingegen Greta Thunberg und elf weitere Aktivisten an Bord eines Schiffes fest, als diese sich dem Gazastreifen näherten.
Israel bezeichnete den Versuch der Pro-Palästina-Aktivisten, die Seeblockade zu durchbrechen, als „Provokation und PR-Stunt“ und meldete, dass die Abfangaktion geglückt sei. Das israelische Außenministerium legte Dokumente über Verbindungen zwischen der Terrororganisation Hamas und der „Global Sumud Flotilla” vor.
Die Inhaftierten warten derzeit im Gefängnis von Ketziot in der Negev-Wüste auf ihre Ausweisung aus Israel. Trotz des glimpflichen Ausgangs gehen im Stiefelstaat die Wogen hoch. Noch in der Nacht kam es zu landesweiten, teilweise gewaltsamen Protesten.
Am Donnerstag übte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni scharfe Kritik an den Italienern, die an der „Global Sumud Flotilla“ teilgenommen hatten, sowie an dem von Gewerkschaften für Freitag ausgerufenen Generalstreik. Sie betonte, dass die italienischen Inhaftierten konsularische Unterstützung erhalten würden, die Kosten für die Heimreise jedoch selbst tragen müssten.
Aktuell sind 35 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen