Experte zeichnet „Corona-Zukunft“

„Es wird nicht alles so sein, wie es war“

Sonntag, 06. Februar 2022 | 08:00 Uhr

Rom – Erleben wir gerade den letzten Akt der von SARS-CoV-2 und seinen Varianten ausgelösten Pandemie? Die von der Omikron-Variante ausgelöste Welle hat ihren Höhepunkt überschritten. Die Coronazahlen sind rückläufig und auch der Druck auf die Krankenhäuser nimmt ab. Viele Experten gehen von einer langsamen Rückkehr zur Normalität aus, aber nach vier Wellen, mehreren SARS-CoV-2-Mutationen und nach der Impfkampagne kann niemand die Hand dafür ins Feuer legen, ob dies auch wirklich der Fall sein wird.

Der Präsident des Obersten Gesundheitsinstituts ISS (Istituto Superiore di Sanità), Walter Ricciardi, erklärt, dass sich die Pandemiesituation zwar abmildert, aber das Auftauchen neuer Varianten nicht ausgeschlossen werden kann. „Es wird nicht mehr alles so sein, wie es einmal war“, so Ricciardi.

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Ausgehend vom Verlauf vergangener Pandemien gelangt Walter Ricciardi, der das Gesundheitsministerium berät und an der Universität Cattolica in Rom Hygiene lehrt, zur aktuellen pandemischen Lage Italiens. Ein vom Professor erwähntes Beispiel ist die Spanische Grippe, die sich zwischen den Jahren 1918 bis 1921 über mehrere Wellen weltweit ausgebreitete. Später entwickelte sie sich zu einer normalen Grippe und verschwand dann völlig.

„Bei den Coronaviren hingegen ist die Lage etwas anders. Uns fehlt noch die Erfahrung und wir befinden uns noch in der Lernphase. Es wird weitere Wellen geben und wir müssen darauf vorbereitet sein“, so Walter Ricciardi im Interview mit dem Magazin Salute der römischen Tageszeitung La Repubblica.

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Laut Ansicht des Beraters des Gesundheitsministeriums sei es noch zu früh, den Sieg über das Virus zu feiern oder zu glauben, dass mit dem Ende des Ausnahmezustands alles wieder normal werde. „Wir befinden uns in einer positiven Phase der Pandemie, die sich im Frühjahr und Sommer weiter verbessern wird. Um eine weitere Pandemiewelle im kommenden Herbst und Winter zu vermeiden, müssen wir allerdings vorbereitet sein“, fügt Walter Ricciardi hinzu.

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Anschließend wagt der Experte einen vorsichtigen Blick in die Zukunft. „Weil sie vom klinischen Verlauf her – insbesondere bei geimpften Menschen – viel harmloser ist als die vorherigen Varianten, würden wir uns im angenommenen Fall, dass die Pandemie mit der Omikron-Variante endet, in einer ziemlich guten Lage befinden. Das ist aber sehr unwahrscheinlich“, meint Ricciardi, der das Aufkommen neuer Varianten nicht ausschließt.

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„Da wir immer hoffen, dass das Virus irgendwann von selbst verschwindet und wir ohne Masken zur Normalität zurückkehren, uns umarmen und in Ruhe reisen können, treffen wir für dieses mögliche Szenario zu wenig Vorbereitungen“, kritisiert Ricciardi, der vor durchaus erwartbaren Risiken warnt.

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Zu diesen Vorbereitungen gehören dem Experten zufolge auch die neuen Impfstoffe, die im Herbst auf den Markt kommen werden. Sie sollen die besondere Eigenschaft besitzen, sowohl gegen Covid-19 als auch gegen die normale Grippe einen ausreichenden Schutz zu bieten. Derzeit arbeiten Wissenschaftler daran, einen universellen Impfstoff für alle Coronaviren, einschließlich der Varianten, zu entwickeln.

Ricciardi ruft die Italiener dazu auf, nicht daran zu glauben, dass das, was passiert ist, nur ein „Betriebsunfall“ gewesen sei und dass alles wieder so werde, wie es einmal war. „Es wird nicht alles so sein, wie es war. Wenn wir es aber schaffen, uns gut auf mögliche Risiken vorzubereiten, wird es fast so sein, wie es war“, so die abschließenden Worte des Beraters des Gesundheitsministeriums.

 

Von: ka