Von: mk
Rom – Zu optimistisch sind die Wachstumserwartungen des Bruttoinlandsprodukts in Italien, die die Regierung in Rom in ihrem Stabilitäts- und Reformprogramm festgeschrieben hat. Diese Ansicht vertritt das parlamentarische Bilanzamt. Dabei handelt es sich um ein unabhängiges Gremium, das im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde, um Analysen durchzuführen sowie makroökonomische Vorhersagen – auch in Zusammenhang mit dem öffentlichen Haushalt – zu überprüfen.
Die italienische Regierung ging in einem aktualisierte Zusatz des Stabilitäts- und Reformprogramm (Economic and Financial Document, DEF) von einem realen Wachstum in der Höhe von 1,5 Prozent und einem nominalen Wachstum von 3,1 Prozent im kommenden Jahr aus. Das parlamentarische Bilanzamt teilt diese Einschätzung allerdings nicht.
Außerdem würden die hypothetischen Änderungen auf Basis der europäischen Regeln erfolgen. Giuseppe Pisauro, der Präsident des parlamentarischen Bilanzamts, bemängelte zudem bei einer Anhörung vor den Bilanzkommissionen der Abgeordnetenkammer und des Senats Abweichungen in Zusammenhang mit dem strukturellen Saldo sowohl im Jahres- als auch im Zweijahreszeitraum.
Die Abweichungen hätten auch Folgen auf die Regelung der Staatsausgaben. Deshalb sei vorgesehen, dass die Kommission eine neue Gesamtbewertung vornimmt, um festzustellen, ob der Stabilitätspakt zur Gänze eingehalten worden sei, erklärte Pisauro.
Sollte das Defizit, wie im aktualisierte Stabilitäts- und Reformprogramm angekündigt, weiter ausgereizt werden, befürchtet Pisauro, dass dies von der EU als grobe Missachtung der Regeln des Pakts angesehen werden könnte.
Auch der Vizegeneraldirektor der italienischen Zentralbank, Luigi Federico Signorini, kritisierte das überarbeitete Programm. Laut den Analysen würden sich Bürgerlohn, ein Eingriff bei den Renten und die Flat Tax nur „bescheiden“ auf das Wachstum auswirken. Dasselbe gelte für die ausgesetzte Erhöhung der Mehrwertsteuer. Stattdessen rechnet Signorini mit einer angespannten Situation auf den Märkten, die sich auf Unternehmen und Familien auswirken werde. Er verlangte „Klarheit und Sicherheit“, was Maßnahmen anbelangt, um die Staatsschulden zu senken.
Während sich die Fünf-Sterne-Bewegung verärgert über die Kritik zeigte und auf Facebook von einem „Kriegsakt“ sprach, von dem man sich „nicht aufhalten lassen“ wolle, gab sich Lega-Chef Matteo Salvini gelassen. „Wir gehen unbesorgt weiter“, erklärt der Innenminister.
Der M5S erinnerte daran, dass das parlamentarische Bilanzamt von Pietro Grasso und Laura Boldrini unter der Regierung Renzi ins Leben gerufen worden sei, und stellte dessen Unabhängigkeit infrage.
Salvini erklärte hingegen vor Journalisten, dass er durchaus mit Wachstum rechne und er stellte niedrigere Steuern für jene in Aussicht, die in italienischen Staatspapieren investieren. „Ich frage mich, wo die ganzen Experten waren, als Italien zunehmend verarmt ist und ins Prekariat gedrängt wurde“, fragte der Innenminister mit Verweis auf das das parlamentarische Bilanzamt, die Zentralbank, den Rechnungshof und weiteren Institutionen. Was das Manöver anbelangt, gebe es kein Zurück.
In dieselbe Kerbe schlug auch Vizepremier Luigi Di Maio. „Ich werde nicht die Italiener verraten“, erklärte Di Maio in einem Radio-Interview.