Er schaffte mit "Time to Say Goodbye" in den 1990ern seinen Durchbruch

Italienischer Sänger Andrea Bocelli wird 65

Freitag, 22. September 2023 | 06:22 Uhr

Am Anfang stand ein Abschied: Die Karriere des italienischen Sängers Andrea Bocelli nahm nämlich Fahrt auf, als die deutsche Boxlegende Henry Maske 1996 ein letztes Mal in den Ring stieg. Während der Weltmeister, der Jahre später nochmals die Boxhandschuhe überziehen sollte, ein paar Sätze sprach, ertönte “Time to Say Goodbye” – und entwickelte sich danach zum veritablen Hit. Am Freitag (22. September) wird Bocelli 65 Jahre alt.

Bocelli sang den Song nicht allein, sondern mit der Engländerin Sarah Brightman. Und mit dem Original “Con te partirò” (“Mit Dir werde ich gehen”) hatte der Ausnahmetenor das Jahr zuvor in seiner Heimat beim Sanremo-Festival immerhin Platz vier belegt. Das für Maske neu betitelte Lied bedeutete aber den Durchbruch. Nicht nur in Deutschland sprang “Time to Say Goodbye” an die Spitze der Charts. Die Kritik mäkelte Schnulze, die Masse kaufte: Kitsch vielleicht, aber zum Heulen schön. Die kanadische Sängerin Céline Dion, auf diesem Gebiet durchaus Konkurrenz, sagte: “Wenn Gott eine Stimme hätte, klänge sie wie Andrea Bocelli.”

Heute gehört der Italiener zur Stammbesetzung, wenn international die ganz großen Termine anstehen: Er sang zu Weihnachten beim Papst, bei Fußball-Weltmeisterschaften, auf Empfängen diverser US-Präsidenten, bei Promi-Hochzeiten. Und auch, als die Queen 70 Jahre auf dem Thron feierte und einige Monate danach, als Charles nach dem Tod der Mutter doch noch König wurde. Deutschland jedoch ist für Bocelli bis heute etwas Besonderes. Im nächsten Monat stehen wieder große Konzerte an: Oberhausen, Leipzig, Mannheim und Berlin.

An seine Blindheit haben sich die meisten gewöhnt. Die Zeiten, dass er klagte “Die Tragödie ist, dass die Leute nicht aufhören, um etwas Aufhebens zu machen, was sie als tragisch empfinden – aber ich nicht” sind vorbei. Als Bocelli zur Welt kam, war sein Sehvermögen durch einen angeborenen Grünen Star bereits beeinträchtigt. Mit zwölf wurde der Bub aus der Toskana von einem Fußball im Gesicht getroffen. Wenig später war er blind. Trotzdem reitet er bis heute, fährt Ski und – mit Hilfe eines Sozius’ – auch Motorrad.

Fast zeitgleich mit der Erblindung gewann Bocelli seinen ersten Gesangswettbewerb, mit “O sole mio”. Zudem lernte er Klavier, Flöte, Klarinette und Saxofon. Der Deutschen Presse-Agentur erzählte er: “Mein Herz hat immer schon für die Musik geschlagen. Ich habe schon als Kind das Repertoire der Meistertenöre geliebt und gesungen.” Sein Idol war der italienische Heldentenor Franco Corelli. Nach der Matura studierte er Jus und arbeitete als Rechtsanwalt.

Bis ihn 1992 der italienische Softrocker Zucchero entdeckte, der sich bei Luciano Pavarotti eine Absage eingehandelt hatte und nun auf der Suche nach einem anderen Tenor war. In den ersten Jahren der Karriere sang Bocelli hauptsächlich Pop. Später verlagerte er den Schwerpunkt auf Klassik, trat in bekannten Opernhäusern auf und auch bei Pavarotti&Friends. Die ganz große Anerkennung bekam er in der klassischen Fachwelt aber nie. Egal: Mit seinem Album “Sì” schaffte er es 2018 erstmals sogar auf Platz eins der US-Albumcharts. Fürs jüngere Publikum ging er mit Dua Lipa und Ed Sheeran ins Studio.

Alles in allem hat Bocelli bis heute mehr als 85 Millionen Tonträger verkauft. Im Gedächtnis geblieben ist auch ein Auftritt während der Coronazeit im April 2020, ganz allein im Mailänder Dom. Das 25-Minuten-Video “Music for Hope” (“Musik zur Hoffnung”) wurde auf YouTube mehr als 40 Millionen Mal geklickt. Der große Tröster: Auch auf Beerdigungen gehört “Time to Say Goodbye” seit vielen Jahren zum Standard.

Mit seiner zweiten Ehefrau Veronica Berti lebt Bocelli seit vielen Jahren im noblen Badeort Forte dei Marmi an der Küste der Toskana. Die beiden haben eine Tochter. Mit dem jüngsten seiner beiden Söhne aus erster Ehe, Matteo, tritt Bocelli inzwischen gemeinsam auf. Auch der Abend vor seinem 65. Geburtstag gehört der Bühne, in Madrid – noch längst keine Zeit, Abschied zu nehmen.

Von: APA/dpa