„Phantomhochzeit von Messina“: „Ehefrau“ bleibt auf dem Schaden sitzen

Pfarrer vergisst Eintragung, Mann verschwindet und Braut klagt vergeblich

Dienstag, 07. Oktober 2025 | 08:04 Uhr

Von: ka

Messina – 15 Jahre nach der sogenannten „Phantomhochzeit von Messina” zog der Kassationsgerichtshof in Rom einen endgültigen Schlussstrich unter die Justizaffäre, die weit über Sizilien hinaus für Aufsehen gesorgt hatte.

Da der „zerstreute” Pfarrer die Heiratsurkunde nicht zur standesamtlichen Registrierung weitergeleitet hatte, war ein Paar aus Messina für den italienischen Staat in Wirklichkeit nie verheiratet gewesen. Dies erfuhren sie erst, als sie sich kaum ein Jahr nach der kirchlichen Hochzeit trennen wollten. Der vermeintliche Ehemann erkannte darin die perfekte Gelegenheit, um nicht die Hälfte der entstandenen Schulden übernehmen zu müssen. Der Ehefrau nützte es nichts, 15 Jahre lang drei Instanzen hindurch das Geld einzuklagen, denn im September entschieden die Höchstrichter, dass sie auf dem Schaden sitzen bleibt.

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Die „Phantomhochzeit” von Messina handelt von einem „zerstreuten” Pfarrer, einer Frau, die glaubte, verheiratet zu sein, es aber nicht war, und dem vermeintlichen Ehemann, der die Gelegenheit beim Schopf packte, um sich aller finanziellen Verpflichtungen zu entledigen.

Die skurrile Geschichte begann im Jahr 2009 an einem sonnigen, festlichen Tag im Heiligtum der Madonna di Montalto oberhalb der sizilianischen Hafenstadt Messina. Ein junges sizilianisches Paar, Loredana Mirci und Giuseppe D’Agostino, schloss im Kreise seiner Freunde und Verwandten in der Wallfahrtskirche mit Blick auf die Meerenge den heiligen Bund der Ehe.

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Schade nur, dass Loredana und Giuseppe es nicht lange miteinander aushielten. Knapp ein Jahr nach ihrer aufwendigen Hochzeit beschlossen sie, sich zu trennen. Als sie die Trennungsformalitäten einleiten wollten, machten sie jedoch eine sensationelle Entdeckung: Für den italienischen Staat waren sie nie offiziell verheiratet gewesen.

Was passiert war, war schnell geklärt. Der Pfarrer, der sie getraut hatte, Don Lorenzo, hatte schlichtweg vergessen, die Heiratsurkunde zur standesamtlichen Registrierung weiterzuleiten. Dies ist tatsächlich die grundlegende Voraussetzung dafür, dass eine von einem Geistlichen vollzogene kirchliche Trauung zivilrechtliche und rechtliche Wirkung entfaltet. Dafür hat der Pfarrer fünf Tage Zeit, doch inzwischen war mehr als ein Jahr vergangen.

Facebook/Santuario della Madonna di Montalto

Zunächst waren sich Loredana und Giuseppe einig, die bisher entstandenen Kosten gemeinsam zu tragen und die Hochzeit nachzuholen. Sobald sie offiziell, wenn auch verspätet, „verheiratet” wären, könnten sie die gerichtliche Trennung vornehmen und die „Zerstreutheit” des Pfarrers wiedergutmachen. Der Knackpunkt war jedoch, dass Loredana im Hinblick auf die Hochzeit bereits erhebliche Ausgaben für Möbel, die Hochzeitszeremonie, Gastgeschenke und die Hochzeitsreise getätigt hatte. Dafür hatte sie zwei Darlehen in Höhe von insgesamt 66.150 Euro aufgenommen.

Nun erkannte Giuseppe die perfekte Gelegenheit, sich seines Anteils an den Schulden seiner „Frau” zu entledigen. Er weigerte sich zu unterschreiben, denn warum sollte er einer bereits gescheiterten Ehe Rechtskraft verleihen, nur um sie annullieren zu können?

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Doch Loredana gab nicht auf – im Gegenteil. Sie verklagte ihren „Quasi-Ehemann“, Pfarrer Don Lorenzo und die Erzdiözese von Messina. Sie forderte, dass alle drei Parteien sowohl für die materiellen als auch für die aus ihrer Sicht entstandenen immateriellen Schäden finanziell zur Rechenschaft gezogen werden, die ihr durch die Nicht-Eintragung der kirchlichen Trauung entstanden waren.

Als im Jahr 2019 das erste Gerichtsurteil gefällt wurde, waren seit der Hochzeit in der Wallfahrtskirche Santa Maria di Montalto bereits zehn Jahre vergangen. Das Gericht wies die Klage der Frau jedoch zurück. Unter anderem argumentierte es, dass das Verhalten von Giuseppe „keine rechtswidrige Handlung darstellte, die eine Haftung begründen würde”.

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Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz und betonte, dass der Ex-Mann „keinerlei rechtliche, sondern allenfalls eine moralische Verpflichtung hatte, seine Zustimmung zur verspäteten Eintragung zu geben”. Darüber hinaus schloss der Berufungsrichter eine Mitschuld des vergesslichen Pfarrers aus. Er stellte außerdem fest, dass die Frau „keinen Nachweis für erlittene Schäden erbracht habe” und die unterlassene Eintragung „eine eigenständige Klage gegen” den ehemaligen Lebensgefährten „auf Rückgabe der Einrichtungsgegenstände” nicht verhindere.

Über Loredana Mirci und Giuseppe D’Agostino ist über die Gerichtsakten hinaus nur bekannt, dass das kinderlose Paar in eine Wohnung zog, die zwar dem Mann gehörte, die aber mit Möbeln eingerichtet war, die die Frau mit einem Kredit gekauft hatte. Nach der Trennung verließ Loredana die „eheliche” Wohnung, doch ihre Möbel blieben dort zurück.

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Trotz der beiden Niederlagen vor Gericht gab Loredana die Hoffnung nicht auf, vor dem römischen Kassationsgericht Recht zu bekommen. Doch am 2. September dieses Jahres – inzwischen 15 Jahre nach dem schicksalhaften „Ja” und der fatalen „Zerstreutheit” des Pfarrers – wies das Höchstgericht Loredanas Berufung gegen das Berufungsurteil als „unzulässig” zurück und setzte damit einen Schlussstrich unter die „Phantomhochzeit” von Messina.

Nach 15 Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen zeigt sich Alberto Ciccone, Loredanas Anwalt, sichtlich enttäuscht über das Urteil in letzter Instanz. „Wir haben Schadenersatz wegen Verletzung des Eheversprechens gefordert”, sagt er. In den Akten befand sich auch die E-Mail eines Anwalts, der im Namen von Giuseppe die Bereitschaft erklärte, 50 Prozent der Kosten zu erstatten. „Aber der Kassationsgerichtshof urteilte, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass der Anwalt einen Auftrag von seinem Mandanten hatte.”

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Soweit bekannt ist, hat Loredana nicht wieder geheiratet, während von Giuseppe jede Spur fehlt. Erstaunlich ist, dass sie vor Gott und der katholischen Kirche immer noch Mann und Frau sind, denn die von Don Lorenzo vollzogene kirchliche Trauung bleibt gültig.

 

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