Virologe: „Nur mit 99 Prozent Geimpften Adieu zum Pass“ – VIDEO

Regierung plant Grünen Pass für alle Arbeitnehmer

Donnerstag, 16. September 2021 | 08:05 Uhr

Rom – Die römische Regierung ist fest entschlossen, Italien für den zweiten Covid-19-Winter fit zu machen. Um wie von den Experten vorgeschlagen, die Impfquote auf über 90 Prozent zu erhöhen, plant die Regierung nach der letzten Ausweitung des Grünen Passes, für Mitte Oktober die Passpflicht sowohl für alle öffentlichen Angestellten als auch für alle privatwirtschaftlich angestellten Arbeitnehmer einzuführen. „Um die Verpflichtung nicht nur auf die Staatsbeamten, sondern auch auf die Arbeitnehmer des Privatsektors auszuweiten, sind wir bereit, das Verfahren zu beschleunigen“, so die Ministerin für regionale Angelegenheiten, Mariastella Gelmini.

ANSA/MOURAD BALTI TOUATI

Ersten durchgesickerten Details zufolge soll jeweils ein Angestellter des Betriebs damit beauftragt werden, am Eingang die Grünen Pässe aller Mitarbeiter zu kontrollieren. Der Schutz der Privatsphäre soll dadurch gewährleistet werden, dass das Unternehmen nicht erfährt, ob die Bescheinigung durch eine Impfung, einen negativen Abstrich oder durch eine Genesung von der Krankheit erlangt wurde.

Bei jenen, die der Pflicht des Grünen Passes nicht nachkommen, sollen ähnliche Sanktionen zur Anwendung kommen, wie sie bereits für den Schul- und den Gesundheitsbereich gelten. „Die wahrscheinlichste Bestimmung in solchen Fällen ist die Suspendierung von der Arbeit und vom Gehalt für die gesamte Dauer des von der Regierung beschlossenen Covid-19-Ausnahmezustands. Der betreffende Arbeitnehmer behält aber seinen Arbeitsplatz“, so die Arbeitsrechtlerin Tatiana Biagioni. Sollte der Arbeitnehmer ohne Grünen Pass trotzdem im Betrieb weiterarbeiten und geschieht dies mit Wissen des Arbeitgebers, sind für beide Parteien schärfere Strafen nicht ausgeschlossen.

ANSA/MOURAD BALTI TOUATI

Die geplante massive Ausweitung des Grünen Passes auf die gesamte Arbeitswelt erhält von den Virologen viel Lob. „In Anbetracht der Tatsache, dass der Anteil der ungeimpften Personen in der jüngeren Bevölkerung immer noch recht hoch ist, begrüße ich die Ausweitung“, so der Epidemiologe Paolo Bonanni gegenüber dem Corriere della Sera.

„Der grüne Pass setzt voraus, dass eine Person geimpft ist oder innerhalb der letzten 48 Stunden einen negativen Abstrich gemacht hat. Wir können es zwar nicht absolut ausschließen, dass eine geimpfte Person nicht positiv ist, aber die Wahrscheinlichkeit einer Virusübertragung ist viel geringer. Wir wissen auch, dass eine Person, die einen negativen Abstrich vorweisen kann, sich in den Stunden nach dem Test anstecken kann, aber wir gehen auch davon aus, dass die Virusmenge in den Atemwegen nicht so groß ist, dass sie andere anstecken kann“, fügt der Epidemiologe, der an der Universität von Florenz lehrt, hinzu.

Sanitätsbetrieb Südtirol

Laut der Ansicht von Paolo Bonanni ist der grüne Pass daher eine „Garantie“ dafür, dass nur Personen, die die oben genannten Voraussetzungen erfüllen, Zugang zu Orten, an denen sich viele Menschen stundenlang gemeinsam aufhalten, bekommen. Aus Sicht des Epidemiologen liegt es auf der Hand, dass gerade an diesen Orten, zu denen beispielsweise Büros, aber auch Fabrikhallen gehören, die Gefahr einer Übertragung des Virus am größten ist. Paolo Bonanni zufolge ist es daher besonders wichtig, genau in diesem Bereich anzusetzen.

„Ziel ist es, die Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verlangsamen, die Zahl der Todesfälle so gering wie möglich zu halten und eine Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen zu vermeiden. Es hat sich gezeigt, dass der Impfstoff sehr wirksam ist, wenn es darum geht, schwere Erkrankungen zu verhindern. Infolge der geringeren Virusausbreitung verringern sich die stationären Aufnahmen. Wenn 99 Prozent der Erwerbsbevölkerung geimpft wären, wäre es unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses zwischen Kosten und Nutzen wahrscheinlich unangebracht, für die gesamte Arbeitswelt den Grünen Pass einzuführen, aber so weit sind wir noch nicht“, erklärt Paolo Bonanni.

ANSA/TINO ROMANO

„Da die Delta-Variante sehr ansteckend ist und die Impfstoffe, besonders was die Infektionen anbelangt, nicht zu 100 Prozent wirksam sind – was bedeutet, dass Ansteckungen auch unter Geimpften möglich sind – reicht es nicht mehr aus, zur Erlangung der Herdenimmunität 80 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Weil theoretisch 100 Prozent der Bevölkerung geimpft sein müssten, was allein schon aufgrund der Anzahl derer, die aus medizinischen Gründen von der Impfung ausgenommen sind, nicht möglich ist, bleibt die Herdenimmunität unerreichbar. Stattdessen werden wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben“, so das Fazit des Florentiner Epidemiologen.

Mit der Einführung des Grünen Passes für die gesamte Arbeitswelt gedenkt die Regierung, diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen.

 

Von: ka