Von: Ivd
Trient – Das idyllische Val di Sole nahe den Brenta-Dolomiten kämpft mit einer düsteren Realität: Seit einiger Zeit steigt die Suizidrate enorm an. Experten machen soziale Isolation und die gesamtgesellschaftliche Abkehr vom Glauben dafür verantwortlich. Eine neue Studie beleuchtet die Ursachen und schlägt ungewöhnliche Maßnahmen vor, um die Gemeinschaft zu stärken und das Tabuthema Suizid anzupacken.
Die Initiative „Lasst uns zusammenbleiben“, die im Jahr 2023 ins Leben gerufen wurde, setzt auf Prävention durch soziale Vernetzung. „Wir wollen keine Psychologen, die von Tür zu Tür gehen, sondern die Bürger selbst einbeziehen“, betont Michele Bezzi, Leiter des Projekts. Mit dem Aufbau eines sogenannten „Observatoriums der Fragilität“ soll das Bewusstsein geschärft und die Dorfgemeinschaft gestärkt werden.
Studie zeigt: Einsamkeit als zentraler Risikofaktor
Die Untersuchung zeigt, dass Einsamkeit eine Schlüsselrolle für die Suizidrate spielt. „Die wirtschaftliche Entwicklung hat zu einer Art Zyklus aus Überfluss und Leere geführt“, erklärt Soziologin Nora Lonardi, die die Studie leitete. Neben einer Leistungskultur und sozialem Rückzug bei Erwachsenen sei die Verbreitung sozialer Medien ein weiterer Faktor, der insbesondere bei jungen Menschen zu einer erhöhten Verletzlichkeit führe.
Die Herausforderung besteht darin, soziale Verbindungen wieder zu stärken. „Wer nicht Teil organisierter Gruppen wie Musikkapellen, Sportvereinen oder Freiwilligenprojekten ist, läuft Gefahr, isoliert zu bleiben“, warnt Bezzi.
Die „Wächter“ des Tals
Ein zentraler Baustein der Initiative sind die „Wächter“: Freiwillige aus der Gemeinde – darunter Ladenbesitzer, Barkeeper oder andere Personen mit regelmäßigem Kontakt zu den Dorfbewohnern – werden in Sensibilisierungskursen geschult. Ihr Ziel ist es nicht, Probleme zu lösen, sondern zuzuhören und Unterstützung anzubieten. „Wir wollen Alarmismus vermeiden, aber ein Umfeld schaffen, in dem Menschen sich gehört fühlen“, so Lonardi.
Bis Ende 2025 soll eine breite Basis freiwilliger Helfer geschaffen werden, die ihre Nachbarn bei Bedarf an lokale Hilfsdienste weitervermitteln können. „Suizid ist nur die Spitze des Eisbergs“, betont Bezzi. „Es geht darum, das Stigma zu brechen und ein Netz der Solidarität zu knüpfen.“
Anlaufstellen für Betroffene in Südtirol
Wenn ihr selbst Betroffene von Suizidgedanken oder Depressionen seid oder jemand in eurem Umfeld betroffen ist, findet ihr hier niederschwellige sowie spezifische Hilfeangebote infopoint.bz/suizid/. Im Notfall solltet ihr die Notrufnummer 112 anrufen oder euch in ein Krankenhaus begeben, dort wird euch weitergeholfen.
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