Professor übermittelt Studenten per WhatsApp die richtigen Prüfungsantworten

Skandal: Mit Tricks durch die Prüfungen bis zum Uniabschluss

Montag, 17. Oktober 2022 | 08:06 Uhr

Genua – Nicht nur bei der Führerscheinprüfung versuchen einige „Schlaumeier“ zu tricksen. Nachdem aufgeflogen ist, dass ein Professor seinen Studenten gegen Geld per WhatsApp die richtigen Prüfungsantworten übermittelt und einigen von ihnen sogar die Diplomarbeit geschrieben hatte, wird die Universität von Genua von einem Skandal erschüttert. Neben dem Professor haben auch 29 ehemalige oder derzeit noch an der Universität eingeschriebene Studenten Ermittlungsbescheide erhalten.

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Laut der Anschuldigung der Staatsanwaltschaft und der ermittelnden Finanzwache soll der ehemalige Universitätsprofessor und derzeitige Oberschuldirektor Luca Goggi über Monate oder gar Jahre hinweg seinen Studenten gegen Geld die richtigen Prüfungsantworten übermittelt und einigen von ihnen sogar die Diplomarbeit geschrieben haben.

Als die Beamten der Finanzpolizei sein Haus betraten, fanden sie ihn mit seinem Smartphone in der Hand vor. Er war gerade dabei, seinen Studenten die richtigen Antworten der Prüfungsfragen zu schicken. Die Staatsanwaltschaft und die Finanzpolizei gaben in der Folge bekannt, dass gegen Luca Goggi wegen „falscher Zuschreibung fremder Arbeiten“ ermittelt wird. Neben dem ehemaligen Professor an der Universität von Genua wurden auch 29 weiteren Personen – allesamt Studenten oder ehemalige Studenten der Fakultät für Betriebswirtschaft der ligurischen Hauptstadt – Ermittlungsbescheide zugestellt.

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Die Ermittlungen kamen in den Jahren 2018 und 2019 ins Rollen, nachdem einigen Studenten während der schriftlichen Prüfung in Allgemeiner Buchführung etwas Merkwürdiges aufgefallen war. Eine Gruppe von Studenten, von denen bekannt war, dass sie bei Luca Goggi Nachhilfestunden nahmen, hatte die Prüfung bestanden, obwohl ihre Studienkollegen starke Zweifel an ihrer Vorbereitung hegten. Der begründete Verdacht, dass es bei den Prüfungen nicht mit rechten Dingen zugegangen war, landete bei der Staatsanwaltschaft.

Die folgende „110 e frode“ getaufte Ermittlung brachte zutage, dass der Professor von den Studenten, denen er – schwarz bezahlte – Nachhilfestunden gab, per WhatsApp Fotos der Fragen erhielt, die von ihm sogleich mit den richtigen Antworten zurückgeschickt wurden. Um diesen Ermittlungsverdacht zu bestätigen, schleuste die Finanzpolizei sogar einen der ihren als „Student“ zu einigen Prüfungssitzungen ein. Weiterführende Untersuchungen deckten auf, dass diese „Prüfungshilfen“ nicht nur das Fachgebiet Allgemeine Buchführung, sondern auch die Studiengänge Statistik, Ökonomie der städtischen Mobilität, Wirtschaftspolitik und Finanzen betrafen.

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Dank der Hilfe des Professors gelang es auch Studenten, die sich nicht vorbereitet hatten, die Prüfung zu bestehen. Die von der Finanzpolizei veröffentlichten Telefonmitschnitte lassen kaum Zweifel offen. Um die Vorschläge des Professors besser aufnehmen zu können, fragten einige Schüler, ob ein „Mikro-Ohrhörer“ helfen könnte. Trotz des Vertrauens der schwindelnden Studenten in Goggi war der Bestand der Prüfung keine ausgemachte Sache. „Es kam vor, dass Goggi nicht antwortete, wodurch der Student die Prüfung nicht bestand, oder es passierte, dass dem Prüfling ein Sitzplatz in der Mitte der ersten Reihe zugewiesen wurde, was das Risiko erhöhte, aufzufliegen“, schreiben die Beamten der Finanzpolizei in ihren Ermittlungsbericht.

In einem Fall verglich die Finanzpolizei die ausgewerteten Telefonmitschnitte und WhatsApp-Chats, die die Fragen und Antworten einer Prüfung eines „Schlaumeiers“ betrafen, mit dem Text, der im Sekretariat des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Genua auflag. Die Beamten stellten fest, dass der Student „die Fragen genauso beantwortet hatte, wie sie ihm von Goggi übermittelt worden waren, wodurch der Student die Prüfung mit einer Note von 27/30 bestanden hatte“.

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Aber das ist noch nicht alles. Gegen ein entsprechendes „Honorar“ bot Goggi seinen Studenten auch an, ihnen die Diplomarbeit zu schreiben. Für die Abschlussarbeit eines dreijährigen Bachelorstudiums berechnete der Professor rund 600 Euro, wobei er für jede Stunde, die er dem Schreiben widmete, 35 Euro verlangte.

Die von den Ermittlungen betroffenen Studenten wehren sich und behaupten, dass diese Arbeiten von ihnen selbst geschrieben wurden und der Professor nur als Berater fungierte. Die abgehörten Telefonmitschnitte und aufgedeckten WhatsApp-Chats sind jedoch recht aufschlussreich. „Ich habe die Arbeit fertiggestellt, heute übersende ich dir alles, insgesamt habe ich 13 Stunden dafür gebraucht“, so eine Nachricht. Es gab jedoch auch diejenigen, die sich bei Goggi nach dem Fortschritt ihrer Diplomarbeit erkundigten, wobei sie sich zugleich für die nächste „Prüfungshilfe“ vormerkten. Die Antwort des Professors – „bis Mitte Dezember ist die Diplomarbeit fertig“ – bedarf keines Kommentars. In den Mitschnitten wird auch über die Zahlungsmodalitäten gesprochen. „Wollen sie eine Vorauszahlung oder soll ich ihnen alles geben, wenn die Arbeit fertig ist?“, fragt einer der Studenten Luca Goggi.

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Sowohl für Luca Goggi, als auch für die Studenten, die seine „Hilfe“ in Anspruch genommen haben sollen, kommt es nun knüppeldick. Während dem Professor im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe winkt, könnte den ehemaligen Studenten – immer nach Abschluss des Justizverfahrens – der Universitätsabschluss aberkannt werden. Studierende hingegen, die noch an der Universität eingeschrieben sind, riskieren im Falle einer Anklage eine Suspendierung von bis zu eineinhalb Jahren.

Wie die Führerscheinanwärter, die in Bozen mit gezinkten Karten gespielt haben, werden auch jene Studenten, die geglaubt haben, sich durchs Studium schwindeln zu können, ihre „Schlaumeierei“ bitter bereuen.

 

Von: ka