Präsident von Ligurien und angesehener Virologe für strenge Regelung

Umstrittener Vorschlag: “Pflichtimpfung für über 50-Jährige”

Freitag, 13. August 2021 | 08:04 Uhr

Genua/Mailand – Infolge der steigenden Infektionszahlen geraten die Personen mittlerer und älterer Jahrgänge, die sich noch immer nicht zu einer Impfung durchringen konnten, immer stärker ins Blickfeld der italienischen Öffentlichkeit. Angesichts der Tatsache, dass Aufrufe, sich impfen zu lassen, bei diesen Altersgruppen nur bedingt Erfolge zeigen, häufen sich die Stimmen von Politikern und Virologen, die drastische Schritte fordern.

Zu diesen Stimmen gehört der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti, der eine Impfpflicht für über 50-Jährige fordert. „Während es fast keine jungen Menschen mehr gibt, die wegen Covid-19 stationär aufgenommen werden müssen, belegen die über 50-Jährigen die Betten in den Krankenhäusern. Wir können nicht fortfahren, die Last der Pandemie auf die Schultern der jungen Menschen abzuladen. Aus diesem Grund muss die Impfung ab 50 Jahren zur Pflicht werden“, so der Präsident der Region Ligurien gegenüber dem Corriere della Sera.

ANSA/TINO ROMANO

Giovanni Toti begrüßt zwar den Plan des Corona-Sonderkommissars Francesco Paolo Figliuolo, mit Blick auf den Schulbeginn so viele Jugendliche und junge Leute wie möglich zu impfen, unterstreicht im selben Atemzug aber auch, dass es nun an der Zeit sei, „für die Erwachsenen und älteren Leute, die sich bisher allen Appellen, sich impfen zu lassen, verschließen, eine Impfpflicht einzuführen”. Zudem schlägt der Präsident der Region Ligurien vor, ab September die Passpflicht auf weitere Bereiche wie den Zutritt zu Einkaufszentren, Geschäften und Supermärkten auszudehnen.

Facebook/Giovanni Toti

Die laut geäußerten Gedanken von Giovanni Toti stoßen in der italienischen Öffentlichkeit nicht nur auf Zustimmung. Die nackten Zahlen geben Toti aber nicht ganz unrecht. Die medizinischen Leiter vieler italienischer Intensivstationen berichten, dass 80 bis 90 Prozent der Covid-19-Patienten, die intensivmedizinischer Betreuung bedürfen, nicht geimpft sind.

ANSA/CIRO FUSCO

Nun erhält der Präsident der Region Ligurien auch Rückendeckung eines namhaften Experten, Fabrizio Pregliasco. Der Virologe, der an der Universität „Università Statale“ von Mailand lehrt, unterstützt die Forderung von Toti, für die über 50-Jährigen die Impfpflicht einzuführen und den Grünen Pass auf weitere Bereiche auszudehnen. Allerdings – so Fabrizio Pregliasco – sollte so bald als möglich auch eine Impfung der Kinder unter zwölf Jahren ins Auge gefasst werden.

Facebook/Fabrizio Pregliasco

„Ich bin dafür, die Impfung für die über 50-Jährigen zur Pflicht zu machen. Sie sind die am meisten gefährdeten Menschen. Da mit dem Aufkommen der Delta-Variante des Coronavirus die Kinder unter zwölf Jahren das Reservoir der Ansteckung darstellen, dürfen wir die Möglichkeit, sie zu impfen, nicht aus den Augen verlieren“, meint der Virologe, der hinzufügt, dass sich das ursprüngliche Virus sehr verändert habe und heute eine viel größere Ansteckungsfähigkeit besitze. Laut dem Virologen sei dies unumgänglich, weil es aus seiner Sicht zum Schutz der Schulkinder allein nicht genüge, alle über 50-Jährigen vollständig zu impfen.

ANSA/GIUSEPPE LAMI

Auf die Frage angesprochen, warum so viele über 50-Jährige so schwer für die Impfung zu begeistern seien, meint der Virologe, dass nach Jahrzehnten erfolgreicher Impfkampagnen – dabei sei insbesondere an die Polio-Impfung gedacht – und der allgemeinen Verbesserung der Lebensumstände vielen mittleren und älteren Jahrgängen das Bewusstsein für die Risiken von Infektionskrankheiten fehle. Laut der Ansicht des Experten seien diese Erfahrungen, lebensbedrohlichen Krankheiten ausgesetzt zu sein, für diese Generation „weit weg“.

Nach seiner Meinung gefragt, wie hoch der Anteil der „Impfskeptiker“ sei, antwortet Fabrizio Pregliasco, dass sich dieser auf rund zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung belaufe und alle Altersstufen einschließe.

Politische Beobachter rechnen nicht damit, dass Toti und Pregliasco sich mit ihren Forderungen durchsetzen können. Allerdings – so diese Stimmen – könnte eine Ausdehnung des Grünen Passes auf weitere Bereiche sowie dessen angedachte Einführung für die Arbeitswelt ebenfalls das Ziel erreichen, möglichst viele „Impfskeptiker“ für die Impfung zu gewinnen.

Von: ka