Für Roma bestimmte belegte Brote auf dem Boden zertreten – VIDEO

„Und ihr gebt ihnen auch noch zu essen? Ihr sollt verhungern!“

Donnerstag, 04. April 2019 | 07:04 Uhr

Rom – Die Übersiedlung von 70 dem Volk der Roma angehörenden Menschen in ein neues Aufnahmezentrum, führte am Dienstagabend in Torre Maura – einem heruntergekommenen Viertel in der östlichen Peripherie der Ewigen Stadt – zu gewaltsamen Protesten der Anwohner. Im Laufe der rassistisch motivierten Gewalttaten wurden belegte Brote, die für die Frauen und Kinder der Roma bestimmt waren, zu Boden geworfen und zertreten.

Am Mittwoch herrschte in Rom Fassungslosigkeit. Brot mit Füßen zu treten, ist eine der abscheulichsten Gesten, die jemand begehen kann, so ein Kommentator auf Twitter.

Die Spannungen im Viertel Torre Maura begannen, nachdem Anwohner in den letzten Tagen bemerkt hatten, wie mehrere Busse zum Aufnahmezentrum für Asylsuchende „Codirossoni“ fuhren. Über Mundpropaganda erfuhren die Bewohner des Viertels, bei denen es sich meist um ärmere Bürger der Ewigen Stadt handelt, dass die Stadtgemeinde von Rom verfügt hatte, in das „Codirossoni“, in dem bisher Flüchtlinge untergebracht waren, 70 Roma zu übersiedeln. Als am Dienstagnachmittag ein Lieferwagen der Gemeinde beim Zentrum vorfuhr, um den Insassen – darunter 33 Minderjährige und 22 Frauen, von denen drei schwanger sind – belegte Brote zu bringen, explodierte die Gewalt.

ANSA/MASSIMO PERCOSSI

Der Gemeindebedienstete wurde sofort von einer rund 30-köpfigen, wütenden Menschenmenge umringt. „Weg mit den Roma. Wir wollen die Afrikaner wiederhaben“, schrie der aufgebrachte Mob dem Mann mit den Broten ins Gesicht. Dabei wurde der Mann geschubst und gestoßen, sodass die Brote auf die Straße fielen. Um die Verteilung der belegten Brote an die Roma zu verhindern, wurden sie vom wütenden Mob zertreten. „Und ihr gebt ihnen auch noch zu essen? Ihr sollt verhungern!“, schrie die wütende Menschenansammlung bei der Vernichtung des Essens in Richtung der Roma.

Daraufhin weiteten sich die gewaltsamen Proteste aus. Als der Mob in den Abendstunden auf rund 300 Personen anwuchs, begannen einige Gewalttäter, Mülltonnen mitten auf die Straße zu schieben und sie anzuzünden. Nachdem sie von den ersten Ausschreitungen erfahren hatten, mischten sich auch viele Neofaschisten von CasaPound unter die protestierenden Anwohner. Die inzwischen verständigten Einsatzkräfte der Polizei hatten alle Hände voll zu tun, den rassistischen Mob vom Aufnahmezentrum fernzuhalten und die Sicherheit der Roma zu gewährleisten. In den späten Abendstunden gingen auch ein Fahrzeug sowie ein einer Roma gehörender Camper in Flammen auf. Die Straßenschlacht ging bis in die Nachtstunden hinein weiter. Am Mittwochmorgen befanden sich vor dem Aufnahmezentrum noch immer mehrere Dutzend Menschen, um vor dem Eingang „Wache zu halten“.

Am Tag nach den rassistischen Gewaltprotesten herrschte in Rom Fassungslosigkeit. Nach einer stundenlangen Krisensitzung gab die Gemeinde den Protesten nach und kündigte an, die 70 Roma an einem anderen Ort zu bringen. „Die Sicherheit dieser Personen, darunter 33 Minderjährige, hat höchste Priorität. Wir geben jedoch nicht dem rassistischen Hass nach, der von rechtsextremen Kräften geschürt wird“, so die erste Bürgerin von Rom, Virginia Raggi.

Aber gerade der zweite Satz stieg der Opposition sauer auf. Am Mittwoch warfen verschiedene, dem linken Spektrum zugehörige Oppositionelle Raggi vor, dem gewalttätigen, rassistischen Mob und den Faschisten nachgegeben und eine ordnungsgemäß erfolgte Ausschreibung für die Schaffung einer Unterkunft für die Roma missachtet zu haben.

Später meldete sich auch der italienische Innenminister Matteo Salvini zu Wort. „Nein zu jeder Form von Gewalt, aber auch Nein dazu, jede Art von Problem auf die Außenbezirke abzuladen. Ich bekräftige mein seit Monaten verfolgtes Ziel, bis zum Ende meiner Amtszeit alle Nomadenlager aufzulösen. Wer sich integriert ist willkommen und wer es bevorzugt, zu stehlen, wird zu einem anderen Ort geschickt werden“, so Matteo Salvini.

Viele von den rassistischen Protesten angewiderte Beobachter meinen, dass besonders mit dem symbolträchtigen Zertreten der Brote und mit dem Herbeiwünschen des Hungertods für Frauen und Kinder der Rassismus in Italien eine neue, zutiefst menschenverachtende „Qualität“ erreicht habe. Auf der anderen Seite – so viele römische Bürger – liege es auf der Hand, dass viele Außenbezirke wie Torre Maura, das im Wesentlichen nur aus heruntergekommenen Volkswohnbauten besteht, seit Jahren von der Stadtgemeinde vernachlässigt werden. In Rom könne laut diesen Stimmen beobachtet werden, wie sich Neofaschisten Ausgrenzung, Benachteiligung, Armut und den Kampf ums tägliche Überleben unter den Ärmsten der Gesellschaft für die eigenen trüben Zwecke zunutze machen.

Eine Warnung an alle Politiker und Stadtentwickler, die glauben, dass eine Stadt nur aus dem Zentrum besteht.

 

 

Von: ka