Von: ka
Vicenza/Venetien – Im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens, in dem es um den Fall eines von einem Auto angefahrenen und getöteten Mannes ging, fällte das Gericht von Vicenza eine folgenschwere Entscheidung. Der Richter nahm nicht nur den Antrag auf Entschädigung der Ehefrau des tödlich Verunglückten, sondern auch den seiner Liebhaberin an.
Hat auch die Liebhaberin im Falle des Todes „ihres Mannes“, den sie sich mit der Ehefrau teilt, ein Anrecht auf Entschädigung? Folgt man einem Urteil des Gerichts von Vicenza, kann die Frage grundsätzlich mit Ja beantwortet werden. Die vertrackte Geschichte begann mit einem tödlichen Verkehrsunfall, bei dem der Ehemann und Liebhaber von einem Fahrzeug angefahren und getötet worden war. Dem folgenden strafrechtlichen Verfahren gegen den Unfalllenker schlossen sich sowohl die Ehefrau als auch die Liebhaberin des tödlich Verunglückten an. Beide Frauen gaben vor Gericht an, dass sie durch den Unfalltod „ihres Mannes“ einen persönlichen Schaden erlitten hätten. Im Laufe der Vorverhandlung ließ das Gericht auch den Entschädigungsantrag der Liebhaberin zu.
„Man kann den Antrag einer Person, die sich als ‚Verlobte‘ des Opfers bezeichnet und als solche mit diesem in Erwartung eines gemeinsamen Lebens verbunden ist, nicht als illegitim erachten“, so der Richter.
Die „Verlobte“ war im Vorfeld nämlich nicht untätig geblieben. Um das Gericht von ihrem Antrag auf Entschädigung zu überzeugen, hatte sie dem Richter viele unmissverständliche Beweise ihres seit sieben Monaten andauernden Verhältnisses mit dem verstorbenen Unfallopfer vorgelegt. Laut diesen Beweisen und Bezeugungen wäre die Liebschaft zwischen den beiden sehr eng und intensiv gewesen, wobei das Unfallopfer sogar vorgehabt hätte, nach der Trennung und Scheidung von seiner Frau die Liebhaberin zu heiraten. Im Sinne des Gerichts von Vicenza reichten diese Aussagen und Beweise einer „engen und intensiven Beziehung“ aus, die Liebhaberin und neue Ehefrau in spe des Unfallopfers als Geschädigte anzuerkennen.
Dieser Urteilsspruch stellt aber keine absolute Neuigkeit dar, sondern bestätigt nur eine Tendenz von richterlichen Urteilen, welche neben den klassischen Geschädigten wie Ehemann, Ehefrau, den Eltern oder deren Nachkommen auch jenen Personen ein Recht auf Entschädigung zumessen, die dem oder der Verunglückten in einem liebevollen Verhältnis verbunden waren.
Es ist daher nicht das erste Mal, dass die Richter das Vorhandensein eines „emotionalen Verlustes“ – und daher das Recht auf eine Entschädigung – anerkannten. Bereits 2012 hatte das Berufungsgericht von Mailand einer Frau wegen der „Ermordung ihres Verlobten“ eine Entschädigung zugestanden. Auch in diesem Fall hatten die enge und liebevolle Beziehung mit Aussicht auf eine eheliche Zukunft den Ausschlag gegeben.
Bis zum Spruch von Vicenza folgten weitere Urteile in diese Richtung, sodass mit Fug und Recht behauptet werden kann, dass die Gerichte Empfindungen und Gefühlen wie Liebe und Zuneigung eine immer größere Bedeutung zumessen.
Und was meinen unsere Leserinnen und Leser? Soll im Falle eines Ablebens auch der oder die Geliebte eine Entschädigung erhalten?