Von: ka
Sarzana – Ein von Onlinekäufern, die seine Boutique und sein Schuhgeschäft nur als „Anprobelokal“ genutzt hatten, genervter Kaufmann griff zu einer drastischen Maßnahme. Ende Dezember beschloss er, dass alle, die Schuhe und Bekleidung anprobieren, aber das Geschäft ohne Kauf wieder verlassen, zehn Euro berappen müssen.
Immer und immer wieder musste Giulio Soresina – ein Kaufmann, der im Zentrum des ligurischen Küstenstädtchens Sarzana eine Boutique und ein Schuhgeschäft, Mara’s Calzature, betreibt – ansehen, wie viele „Kunden in spe“ mehrere Paare Schuhe und verschiedene Bekleidungsstücke anprobierten und mit einem Handgruß, aber ohne einen Einkauf zu tätigen, das Geschäft wieder verließen. Besonders dreiste Kunden nahmen sogar ihr Smartphone oder einen Zettel zur Hand und fotografierten die Etiketten oder notierten die passenden Größen. Es war offensichtlich, dass diese „E-Commerce-Schlaumeier“ sein Geschäft nur als „Anprobelokal“ missbrauchten, um später beim günstigeren Onlineeinkauf die auch sicher passenden Größen und Modelle ordern zu können.
Im Dezember hatte Giulio Soresina genug davon, für Onlineriesen, deren Preise er mit seinem Geschäft niemals unterbieten kann, als „Umkleidekabine“ herzuhalten, und beschloss, eine drastische Maßnahme zu ergreifen. Für den Eintritt in seine Geschäfte sowie für die Anprobe von Markenschuhen und Markenbekleidung führte er eine Gebühr von zehn Euro ein. Falls der Kunde dann ein Paar Schuhe oder ein Bekleidungsstück erwirbt, werden die zehn Euro natürlich vom Preis abgezogen. Auch wer zehn Euro bezahlt, die Boutique zwar ohne Einkauf wieder verlässt, aber innerhalb eines Monats als wahrer Kunde wiederkommt, erhält zusammen mit einem Preisnachlass die „Anprobegebühr“ ebenfalls wieder zurück.
„Die Geste ist eine Provokation, aber wir konnten nicht mehr so weiter machen. Wir sind sogar so weit gekommen, im Laufe eines Vormittags ein und demselben „angeblichen Kunden“ 14 Paar Schuhe anprobieren zu lassen, ohne ihm auch nur ein Paar zu verkaufen. Ich habe ein Schild aufgestellt, um die Schlaumeier abzuschrecken. Seit ich zehn Euro verlange, sind viele von denen gegangen und meine Verkäufe sind gestiegen“, so Soresina gegenüber einer Lokalzeitung.
Laut Aussage des Kaufmanns aus Sarzana ist die Entwicklung vielversprechend. Ob diese drastische, vielleicht sogar schon verzweifelte Maßnahme auf lange Sicht Früchte tragen wird, muss sich erst noch zeigen. Südtirols Kaufleute klagen ebenfalls über die immer stärker werdende Onlinekonkurrenz, mit deren Preisen sie gleich wie Giulio Soresina allein schon wegen der fälligen Steuern sowie wegen der Verkaufslokal- und Personalspesen nicht mithalten können. Auch heimische Kunden treibt es nicht selten nur in die Geschäfte, um die verschiedenen Produkte ansehen oder anprobieren zu können. Denn gekauft wird später dann online.
Wäre die Einführung einer „Anprobegebühr“ dann nicht etwas auch für heimische Boutiquen?