Von: APA/AFP/Reuters
Im eskalierenden Konflikt zwischen unterschiedlichen Volksgruppen in Syrien haben Aktivisten den Regierungstruppen die “Hinrichtung” von Zivilisten vorgeworfen. Kräfte des Verteidigungs- und des Innenministeriums und mit ihnen verbündete Kämpfer hätten am Dienstag in der im Süden gelegenen Provinzhauptstadt Suwaida 19 Zivilisten der religiösen Minderheit der Drusen exekutiert, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Israel, das als Schutzmacht der Drusen auftritt, flog erneut Angriffe gegen Militärfahrzeuge der syrischen Regierungstruppen. In einem Gästehaus im mehrheitlich von Drusen bewohnten Suwaida hätten Regierungstruppen zwölf Zivilisten exekutiert, teilte die Beobachtungsstelle weiter mit. Eine Videoaufnahme, deren Echtheit nicht überprüft werden konnte, zeigt mindestens zehn blutüberströmte Menschen in Zivilkleidung, auf dem Boden liegen zerstörte Möbel und Bilder von drusischen Würdenträgern.
Drei Brüder vor Augen ihrer Mutter erschossen
In einem weiteren Gästehaus im Dorf Thaala tötete laut der Beobachtungsstelle eine mit Syriens islamistischer Regierung verbündete bewaffnete Gruppe weitere vier drusische Zivilisten, unter ihnen eine Frau. In der Ortschaft al-Basha habe eine andere regierungstreue bewaffnete Gruppe drei erwachsene Brüder vor den Augen ihrer Mutter erschossen.
Die islamistische Regierung entsandte daraufhin Regierungskräfte in das Gebiet, Dienstagfrüh rückten die Regierungstruppen in Suwaida ein, darunter auch in zivil gekleidete Kämpfer. Kurz danach kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden bei den Kämpfen seit Sonntag mindestens 203 Menschen getötet. Es handle sich um 92 Mitglieder der religiösen Minderheit der Drusen, darunter 21 willkürlich hingerichtete Zivilisten, sowie 18 Beduinen und 93 Mitglieder des staatlichen Sicherheitsapparats.
Auch die israelische Armee griff die Regierungskräfte in Suwaida erneut an. Dies geschehe zum Schutz der religiösen Minderheit der Drusen und zu Israels Sicherheit, erklärten der Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Israel Katz am Dienstag. Das syrische Außenministerium erklärte, bei “heimtückischen” Angriffen Israels seien mehrere Soldaten und andere Sicherheitskräfte, aber auch “unschuldige Zivilisten” getötet worden. Syrien machte Israel für die daraus erwachsenden “Konsequenzen” verantwortlich und verwies auf sein Recht auf Selbstverteidigung.
“Sind einem totalen Vernichtungskrieg ausgesetzt”
Der syrische Verteidigungsminister der Übergangsregierung verkündete am Dienstag, die Regierung habe sich mit “Würdenträgern” der mehrheitlich von Drusen bewohnten Stadt auf eine Waffenruhe geeinigt. Nach der Verkündung durch die Regierung versammelten sich Vertreter der Drusen im Haus eines ihrer Anführer, um über deren Umsetzung zu beraten, wie aus Kreisen der religiösen Minderheit verlautete.
Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra betonte, Regierungstruppen würden nur bei einem Angriff das Feuer eröffnen. Dieser Darstellung widersprach der einflussreiche drusische Scheich Hikmat al-Hajri. “Wir sind einem totalen Vernichtungskrieg ausgesetzt”, sagte er in einer Videobotschaft. Er rief alle Drusen auf, sich “dieser barbarischen Kampagne mit allen verfügbaren Mitteln” entgegenzustellen. Ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters in Suwaida beobachtete, wie syrische Panzerkonvois in die Stadt fuhren und auf Wohnviertel schossen.
Seit dem Sturz von Bashar al-Assad im Dezember durch islamistische Milizen hat die Sorge um die Rechte und die Sicherheit von Minderheiten in dem Land zugenommen. Im April und Mai waren bei Gefechten zwischen Anhängern der neuen islamistischen Regierung in Damaskus und Drusen dutzende Menschen getötet worden. Im März war es in den vorwiegend von Angehörigen der Alawiten bewohnten Regionen im Westen Syriens zu Massakern an Zivilisten gekommen, mehr als 1.700 Menschen wurden getötet. Assad gehörte der Minderheit der Alawiten an.
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