Von: APA/dpa
Nach der Anweisung des neuen deutschen Innenministers Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen Grenzen laufen in den ersten Bundesländern verstärkte Kontrollen an. In Bayern etwa kontrolliert die deutsche Polizei ab sofort die Grenzen zu Österreich und Tschechien stärker. Das wird nach Angaben eines Sprechers für Reisende wahrnehmbar sein. Aus der Opposition und dem Ausland kam Kritik an den strengeren Regeln.
Man achte darauf, dass die Beeinträchtigungen für Pendler und Reisende “so gering wie möglich sind”, betonte ein Sprecher. “Aber natürlich wird mehr kontrolliert und das wird auch wahrnehmbar sein”, sagte er. Laut ORF kommt es bisher allerdings noch nicht zu längeren Wartezeiten an den deutsch-österreichischen Grenzübergängen.
Auch an den sächsischen, niedersächsischen und nordrhein-westfälischen Außengrenzen sind laut deutscher Polizei zusätzliche Beamte im Einsatz. In Rheinland-Pfalz und im Saarland sollen die Kontrollen in Kürze anlaufen.
Dobrindt hatte angekündigt, schärfer kontrollieren zu lassen. Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt kündigte er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten. Sie sollen weiterhin an Erstaufnahmeeinrichtungen weitergeleitet werden.
Kritik aus Polen und der Schweiz
Aus Polen und der Schweiz kam Kritik. “Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht”, schrieb das Schweizer Justizministerium anschließend auf der Plattform X. Die Schweizer Behörden “prüfen gegebenenfalls Maßnahmen”. Justizminister Beat Jans habe bereits ein Treffen dazu auf Ministerebene vorgeschlagen. Er hat sich bisher nicht dazu geäußert, wie die Schweiz mit zurückgewiesenen Asylbewerbern umgehen will.
Polens Regierungschef Donald Tusk hatte die Migrationspolitik der neuen deutschen Regierung beim Antrittsbesuch des Kanzlers Friedrich Merz (CDU) scharf kritisiert. “Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert”, sagte Tusk am Mittwoch in Warschau. Es solle weder der Eindruck entstehen noch die Fakten geschaffen werden, dass irgendwer einschließlich Deutschlands bestimmte Gruppen von Migranten nach Polen schicke.
Österreich zurückhaltend
Österreich gab sich am Mittwochabend gelassen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte zwar in der Vergangenheit wiederholt angekündigt, dass Österreich eventuelle illegale Zurückweisungen nicht dulden würde. Generell begrüße Österreich aber die Bestrebungen Deutschlands im Kampf gegen Schleppermafia und illegale Migration”, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. “Wir gehen davon aus, dass sich deutsche Behörden bei allen Maßnahmen, die gesetzt werden, an die europäische Rechtsordnung halten.” Österreich stehe mit den deutschen Behörden bei allen Maßnahmen in engem Austausch. Auch Außenministerin Beate Meinl-Reisinger betonte am Rande des EU-Außenministertreffens am Mittwoch in Warschau, sie gehe davon aus, dass EU-Recht eingehalten werde.
Der oberösterreichische Integrationslandesrat Christian Dörfel (ÖVP) betonte am Donnerstag in einer Aussendung, dass “einseitige Zurückschiebungen” nicht akzeptiert würden und drängte darauf, weiterhin europäisches Recht einzuhalten. “Wir stehen für einen partnerschaftlichen Austausch auf Augenhöhe über die Verteilung von Lasten zur Verfügung, werden einseitige Zurückschiebungen aber nicht akzeptieren.” Dazu stehe das Bundesland in engem Kontakt mit der Polizei, die aktuell nicht mit einem größeren “Rückstau” rechne.
Brunner: Enger Austausch mit Regierung
EU-Migrationskommissar Magnus Brunner gab sich zurückhaltend. “Wir werden uns das anschauen”, sagte Brunner dem Ö1-Mittagsjournal. Man führe fast täglich Gespräche mit der deutschen Regierung.
Die rechtliche Lage bei Zurückweisungen an der Grenze ist derzeit nicht eindeutig. Einige Experten lesen geltendes EU-Recht so, dass Zurückweisungen grundsätzlich nicht erlaubt sind. Dies hängt auch damit zusammen, dass Grenzkontrollen praktisch nicht exakt auf der Grenzlinie erfolgen, sondern oft etwas dahinter.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht hier indes Klarheit. Deutschland habe mit sämtlichen Anrainerstaaten sogenannte Rückübernahme-Vereinbarungen vertraglich geregelt, sagte der stellvertretende Vorsitzende Heiko Teggatz der “Welt”. Inhalt dieser Verträge sei auch, ab welchem Zeitpunkt eine Person als eingereist gilt. “Dieses ist erst dann der Fall, wenn die Einreisekontrolle abgeschlossen ist. Auf welchem Hoheitsgebiet die Kontrollstelle liegt, spielt dabei keine Rolle.”
Grünen-Chefin kritisiert fehlende Zusammenarbeit mit Nachbarn
Kritik kam aber auch von der deutschen Opposition. Grünen-Chefin Franziska Brantner kritisierte eine fehlende Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. “In Zeiten, in denen wir mehr Europa brauchen, wir erinnern gerade diese Woche daran, aus welchen kriegerischen Zuständen wir in Europa kommen und wir zum Glück Frieden haben, ist es nicht akzeptabel, nicht besonders gut, wenn man nicht mit den Partnern gemeinsam handelt”, sagte sie im RTL/ntv-“Frühstart”. Sie bemängelte zudem, dass die Beamten anderswo abgezogen würden. “Das sind die Hauptbahnhöfe, das ist der Flughafen, das sind Kriminalitätsschwerpunkte in diesem Land. Dort werden die fehlen. Also ein Weniger an Sicherheit an anderen Orten für ein Signal an der Grenze.”
Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic hält die Maßnahmen nicht für rechtskonform. “Pauschale Zurückweisungen von Asylgesuchen an den Grenzen sind schlicht europarechtswidrig und stellen die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern grundsätzlich in Frage”, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede rechnete nicht damit, dass die Polizei im großen Stil Asylsuchende an Deutschlands Grenzen zurückweisen wird. Dobrindt habe nun zwar den Ermessensspielraum für die Beamten ausgeweitet, sagte sie im Deutschlandfunk. Die Zurückweisung bei Asylgesuchen bleibe jedoch “europarechtswidrig” und könne nur “in Absprache mit den europäischen Partnern erfolgen”.
CDU verteidigt Maßnahmen
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, verteidigte die Maßnahmen hingegen. Die Kontrollen würden schrittweise hochgefahren, es werde kein Nachbarstaat überfordert, sagte er im ARD-“Morgenmagazin”. Die Abstimmungsgespräche mit den Nachbarländern seien “am Laufen”, sagte Throm. “Es ist ein erster Schritt in der Migrationswende, ein wichtiger Schritt, aber mit Sicherheit nicht der alleinige, den wir jetzt angehen werden.”
CSU-Chef Markus Söder bezeichnete die neuen Regeln als Beginn einer “Asylwende”. “Seit gestern ist die Asylwende in Deutschland eingeleitet worden. Jetzt gilt wieder der alte Zustand, wie vor 2015”, sagte Bayerns Ministerpräsident in einem auf X geteilten Video.
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