„Wollen sachliche Diskussion anregen!“

Doppelte Staatsbürgerschaft: STF stellt wissenschaftlichen Tagungsband vor

Freitag, 29. September 2017 | 17:36 Uhr

 

Bozen – Der Landtagsklub der Süd-Tiroler Freiheit organisierte im Oktober 2015 in Bozen eine internationale Tagung mit dem Titel „Doppelte Staatsbürgerschaft als Mittel des Minderheitenschutzes im europäischen bzw. internationalen Vergleich“. Auf einer Pressekonferenz wurde heute der Tagungsband vorgestellt. Er soll Universitäten zu weiteren Forschungen, aber vor allem der Politik zur Umsetzung der doppelten Staatsbürgerschaft dienlich sein.

“In zwölf Beiträgen wird das Thema doppelte Staatsbürgerschaft aus diversen (rechtlichen, länderspezifischen, minderheitenbezogenen) Perspektiven beleuchtet, und als Leser gewinnt man dabei zwangsläufig interessante Einblicke in die Situation einer betreffenden Minderheit. Die Autoren, die aus den unterschiedlichsten Regionen der Europäischen Union und der restlichen Welt stammen, sind oft selbst Angehörige einer Minderheit und fungieren (nach dem Stand von Oktober 2015) als politische Vertreter, hohe Beamte, Juristen, Wissenschaftler an Universitäten oder Vertreter von Kulturvereinen, wobei sich ihre Funktionen teilweise überschneiden”, so die Bewegung.

 

Zentrale Aussagen der Referenten bzw. Autoren werden in der Publikation hervorgehoben. Nachstehend eine Auswahl:

 

Peter Hilpold, Innsbruck: „Es gibt völkerrechtlich überhaupt keine Notwendigkeit mehr, im Verhältnis zwischen Italien und Österreich eine Mehrstaatigkeit zu verhindern.“

 

Everton Altmayer, Dreizehnlinden: „Die brasilianisch-österreichischen Doppelstaatsbürger besitzen das Wahlrecht bei den Bundespräsidentenwahlen, Nationalratswahlen und Europawahlen.“

 

Norbert Rasch, Schlesien: „Als Kardinal Karol Wojtyła 1978 zum Papst gewählt wurde, wurde er polnisch-vatikanischer Doppelstaatsbürger. Polen fing an, Doppelstaatsbürgerschaften zu dulden. Im Grunde hatte es auch keine andere Wahl, denn den Papst sozusagen einzusperren, wenn er nach Polen kommt, wäre sicher vermessen gewesen.“
Roza Hovhannesyan, Jerewan: „Das Institut für die doppelte Staatsbürgerschaft hat sich die einseitige Verpflichtung der Republik Armenien auferlegt, Armenien, im Rahmen des Völkerrechts, zur geistigen Heimat für alle Armenier zu machen, zur Stärkung der Beziehungen zur Diaspora beizutragen, ebenso zum Erhalt des armenischen historischen und kulturellen Erbes im Ausland sowie zur Entwicklung des armenischen Bildungs- und Kulturlebens.“

 

Koloman Brenner, Budapest: „Im Zusammenhang mit der Entstehung des ungarischen Minderheitengesetzes und somit in der kurzen Zeitspanne von 1990 und 1993 wurde auch über die doppelte Staatsbürgerschaft diskutiert. Der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl machte einen vorsichtigen Vorstoß für eine zusätzlich deutsche Staatsbürgerschaft für die Ungarndeutschen.“

 

Maurizio Tremul, Capodistria: „Die Wiedererlangung der italienischen Staatsbürgerschaft hat für uns einen besonderen moralischen Wert. Sie unterstreicht die Verbundenheit zwischen der Mutternation Italien und den Italienern von Kroatien und Slowenien und sie trägt dazu bei, dass die italienische Identität, Sprache und Kultur gestärkt und intensiver gelebt werden.“

 

Julijan Čavdek, Görz: „Es ist vielmehr eine emotionale Angelegenheit, wenn der slowenische Staat, die slowenische Nation endlich unser Referenzstaat, unsere Mutternation und Heimat ist, und zwar für alle Slowenen, das heißt, für die slowenischen Minderheiten in Italien, Österreich, Kroatien und Ungarn sowie für die Ausgewanderten einschließlich der politischen Diaspora.“

 

Ernő Fancsali, Klausenburg: „Ungarn hat sein Gesetz zur Staatsbürgerschaft im Jahr 2010 geändert. Dieses ermöglichte es ehemaligen ungarischen Staatsbürgern und deren Nachkommen, die ungarische Staatsbürgerschaft zu erlangen, ohne dabei in Ungarn leben zu müssen.“

 

Daniel Turp, Quebec: „Die Gesetzeslage ist somit im Wandel begriffen, und der Schutz eines Bürgers im anderen Staat, dessen Staatsangehörigkeit dieser Bürger besitzt, könnte zukünftig erlaubt sein, wenn bei ihm die Staatsbürgerschaft dieses Staates vorherrschend ist.“

 

Jan Diedrichsen, Baistrup: „Seit dem 1. September 2015 erkennt Dänemark die doppelte Staatsangehörigkeit im Verhältnis zu anderen EU-Mitgliedsstaaten an. Wenn sich deutsche Staatsangehörige in Dänemark einbürgern lassen möchten, müssen sie weder ihre deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben noch eine Beibehaltungsgenehmigung vorlegen.“

 

Andrea Carteny, Rom: „Das neue ungarische Staatsbürgerschaftsgesetz gestattete es den außerhalb des ungarischen Staatsgebietes siedelnden Ungarn, nicht nur die ungarische Staatsbürgerschaft zu erwerben, sondern auch, einige Rechte zuerkannt zu bekommen, insbesondere das Recht, ungarischer Herkunft zu sein, und dies unter Beibehaltung der nicht-ungarischen Staatsbürgerschaft.“

 

Andrea Carteny, Rom: „Die Tschechen beantragen die slowakische Staatsbürgerschaft, oder die Slowaken beantragen die tschechische.“

 

Andrea Carteny, Rom: „Alle, die nach dem Abstammungsprinzip nachweisen können, dass sie zurück bis zur dritten Generation rumänische Vorfahren haben, können die rumänische Staatsbürgerschaft beantragen.“

 

Alexandra von Schantz, Åland: „Befürchtungen, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft die Gesellschaft spalten könnte, haben sich nirgends bewahrheitet. Im Gegenteil: Die Gesellschaft wird nicht gespalten, sondern gestärkt, weil durch die doppelte Staatsbürgerschaft die Minderheiten mehr Anerkennung erfahren. Finnland und Åland sind gute Beispiele dafür. Vielmehr sind es die Nicht-Akzeptanz und die Unterdrückung von Minderheiten, die zu einer Spaltung der Gesellschaft führen.“

 

Franz Watschinger, Innsbruck: „Das Wahlrecht für Südtiroler hätte einerseits den Vorteil, dass die Südtiroler das Gemeinwesen mitgestalten könnten, auch mehr Interesse hätten an Österreich. Andererseits müsste sich Österreich umgekehrt mehr um die Angelegenheiten der Südtiroler kümmern und deren Befindlichkeiten berücksichtigen.“

 

“Oben zitierte Auszüge aus den Beiträgen geben eine Vorstellung davon, dass in den meisten Staaten der EU sowie weltweit die doppelte Staatsbürgerschaft längst Realität ist und sich auch international zum Schutz von Minderheiten bewährt hat. Durchgehend stellt sich heraus, dass die doppelte Staatsbürgerschaft einen Mehrwert darstellt und sie nirgends zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt hat, sondern, im Gegenteil, sich als probates Mittel des Minderheitenschutzes, der Befriedung zwischen Mehrheit und Minderheit sowie der Bereicherung für jede Minderheit bewährt hat”, erklärt die Süd-Tiroler Freiheit.

Die Bewegung ist überzeugt: “Die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft wäre ein Meilenstein in der Südtirol-Politik und langfristig die beste Absicherung der Autonomie. Die Südtirol-Autonomie ist nämlich eine rein ethnische Autonomie zum Schutze der österreichischen Minderheit in Italien. Mit der doppelten Staatsbürgerschaft wären die Südtiroler auch rechtlich wieder österreichische Staatsbürger, und deren Anspruch auf die Autonomie wäre somit außer Zweifel gestellt.”

 

Von: luk

Bezirk: Bozen