Kommentar

Durch die Lappen gegangen

Donnerstag, 22. Dezember 2016 | 17:38 Uhr

Bozen – Einige Tage nach dem schrecklichen Attentat in Berlin weicht die Betroffenheit und Trauer den vielen Fragen, die der Fall aufwirft. Gerade das abscheuliche Verbrechen in Berlin zeigt emblematisch, an was es in Europa mangelt.

Dem dringend tatverdächtigen tunesischen Staatsbürger Anis Amri, der 2011 über Lampedusa in Italien eingereist und bereits in Sizilien zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, gelang es mit verschiedenen gefälschten Papieren und mehreren Aliasnamen – er soll wahlweise als Tunesier oder Ägypter aufgetreten sein – mehrere Kontrollen auszutricksen und durch halb Europa zu reisen. Verschiedene Gesetzesbestimmungen, mangelnde zwischenstaatliche Kommunikation sowie die Weigerung Tunesiens, seinen Staatsbürger zurückzunehmen, sorgten dafür, dass der in Deutschland als IS-Anhänger und sogenannter „Gefährder“ eingestufte Islamist weiterhin auf freiem Fuß blieb. Trotz zeitweiser Beobachtung verlor ihn die Polizei bald wieder aus den Augen. Bis zu Berlin.

Der einfache Bürger, auf den diese ganzen Hiobsbotschaften einprasseln, wacht langsam mit der Gewissheit auf, dass vieles im Argen liegt: Die Abschiebung funktioniert nicht, weil die Heimatländer die Rücknahme verweigern und den Staatsbürger nicht als den ihren anerkennen. Mangelnde zwischenstaatliche Kommunikation, gefälschte Papiere und Identitäten, lasche Gesetze, Personalmangel und eine zu langsame Justiz verhindern die Verfolgung der Straftäter. Das muss sich ändern.

Die Vorgeschichte des Berlinattentats – immer mit dem Verweis, dass es sich immer noch um einen Tatverdächtigen und noch nicht um den Täter handelt – zeigt leider, dass sich unter den Flüchtlingen und Migranten auch Terrorverdächtige und IS-Mitglieder befinden.

Es ist ein europäisches Problem, also braucht es auch eine europäische Lösung. Die Zusammenarbeit muss verbessert werden, während die Abkommen mit nichteuropäischen Staaten die unbedingte Rücknahme abgeschobener Straftäter beinhalten müssen. Gelingt das nicht, werden wir als freie und offene Gesellschaft scheitern, weil die Europäer das Vertrauen in ihre Institutionen verlieren und sich in ihr privates Schneckenhaus zurückziehen werden.

So wie es aussieht, ist Anis Amri der Polizei sprichwörtlich durch die Lappen gegangen. Ändert sich nichts – so die Befürchtung – wird das leider noch öfter passieren.

Von: ka

Bezirk: Bozen