Ist er eine Spaltung der Bevölkerung wert? - ein Kommentar

Evergreen Doppelpass

Donnerstag, 26. Juli 2018 | 10:07 Uhr

Bozen/Rom/Wien – Mit dem Ende der Fußballweltmeisterschaft steht dem Sommerloch eigentlich nichts mehr im Wege. Um es aber zu füllen und damit sich Befürworter und Gegner für den Landtagswahlkampf warm laufen können, kommt nun das Thema Doppelpass gerade recht.

Es genügte ein Artikel in der Tiroler Tageszeitung, nach der es eine angedachte Gesetzesinitiative gebe, welche es Südtirolern deutscher und ladinischer Muttersprache erlauben solle, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben, um den Kessel zum Siedepunkt zu bringen. Die Befürworter freuten sich, bald einen Pass in den Händen zu halten, der sie als Bürger des „Vaterlandes“ ausweist und die Verbundenheit zu ihm symbolisiert. Und vielleicht – so kolportieren die Gegner – dient der Pass sogar als erster Schritt „Los von Rom“.

Unnötig vorauszuahnen, dass Rom sofort Sturm lief. In der Ewigen Stadt sprach man gar von einer „unangebrachten und grundsätzlich feindlichen Initiative“, woraufhin Wien beschwichtigte und sogleich zurückruderte. An der Donau ließ man verlautbaren, dass es ohne römisches Einvernehmen keinen Doppelpass geben werde und das Gesetz ohnehin erst für 2019/20 – sprich dem Sankt-Nimmerleins-Tag – geplant sei.

APA/HELMUT FOHRINGER

Die wahre Krux ist aber eine ganz andere. Die Befürworter sprechen gerne von einer Initiative im europäischen Sinne, wählen aber dabei selten eine europäische Sprache. Aber was soll am Doppelpass den europäisch sein, wenn er es selbst in einer 500.000 Seelenprovinz schaffe, diese tief zu spalten? Was ist europäisch an einem Pass, der ein Land den Sprachgruppen entlang in Anspruchsberechtigte und „Abgelehnte“ trennt und so gerade erst eben zugewachsene Gräben neu aufreißt? Ist der Doppelpass eine Spaltung der Bevölkerung wert?

Nein, er ist es natürlich nicht. Aber angesichts des aus dem Kessel abgelassenen Dampfs brauchen sich die einheimischen Skeptiker keine Sorgen zu machen. Selbst eingefleischte Befürworter machten ihrer Enttäuschung Luft, dass „ihre“ türkis-blaue Wiener Regierung, von der sie sich so viel erwartet hatten, ihr Lieblingsanliegen lange nicht so heiß verfolgt, wie Rom seine Souveränität verteidigt.

Aber bei 34 Grad im Schatten hilft nur das kühle Nass, um heiße Gemüter zu beruhigen. Der Doppelpass verschwindet vorerst wieder in der Schublade. Aber nur um den Preis, ein paar Monate später erneut sein Stelldichein zu geben. Sommerloch ist jedes Jahr.

Von: ka

Bezirk: Bozen