Von: APA/AFP/Reuters
Das Oberste Gericht Brasiliens hat Ex-Präsident Jair Bolsonaro wegen eines Putschversuchs zu 27 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Richter verkündeten das Strafmaß am Donnerstag, nachdem sie den 70-Jährigen mehrheitlich für schuldig befunden hatten. Es war das erste Mal, dass sich ein Ex-Staatschef in Brasilien wegen eines versuchten Staatsstreichs vor Gericht verantworten musste. Washington drohte mit Konsequenzen. Bolsonaros Anwälte wollen das Urteil anfechten.
Die verhängte Haftstrafe sei “absurd überhöht und unverhältnismäßig”, hieß es einer Erklärung der Anwälte, die Bolsonaro-Berater Fabio Wajngarten am Donnerstag (Ortszeit) im Onlinedienst X veröffentlichte. Die Verteidigung werde die Urteilsbegründung prüfen und “entsprechende Rechtsmittel einlegen, auch auf internationaler Ebene”.
“Kriminelle Organisation” angeführt
Die Richter des Obersten Gerichts sahen es mehrheitlich als erwiesen an, dass der Ex-Präsident eine “kriminelle Organisation” angeführt habe, deren Ziel es war, durch einen Putsch das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2022 zu kippen, die Bolsonaro gegen den linksgerichteten Luiz Inácio Lula da Silva verloren hatte. Die Richter sprachen ihn zudem schuldig, seine Anhänger zur gewaltvollen Erstürmung des Obersten Gerichts, des Präsidentenpalastes und des Kongresses in Brasília im Jänner 2023 angestiftet zu haben. Hunderte Unterstützter Bolsonaros hatten sich Zugang zu den Gebäuden verschafft und dabei schwere Verwüstungen angerichtet.
Der Rechtspolitiker Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 Staatschef Brasiliens war, weist alle Vorwürfe zurück und bezeichnet sich als Opfer politischer Verfolgung. Neben dem Ex-Präsidenten standen sieben weitere Angeklagte vor Gericht, darunter frühere Minister und Generäle. Sie wurden ebenfalls verurteilt.
Washington droht mit Konsequenzen
Die US-Regierung kritisierte die Verurteilung Bolsonaros scharf und drohte mit Konsequenzen. “Die Vereinigten Staaten werden auf diese Hexenjagd entsprechend reagieren”, schrieb US-Außenminister Marco Rubio auf der Plattform X. US-Präsident Donald Trump zeigte sich “überrascht” über die Verurteilung Bolsonaros. Trump hatte das Verfahren gegen seinen Verbündeten schon zuvor mehrmals als “Hexenjagd” kritisiert und mit Strafzöllen und Sanktionen gegen den vorsitzenden Richter auf den Prozess reagiert. Zudem entzog die US-Regierung den meisten Mitgliedern des brasilianischen Gerichts die Visa.
Das Urteil vom Donnerstag fiel freilich nicht einstimmig aus. Ein Richter stimmte für einen Freispruch, was den Weg für Anfechtungen des Urteils ebnen könnte. Rubio schrieb auf X, die politische Verfolgung Bolsonaros durch den Richter Alexandre de Moraes gehe weiter. Richter Moraes hatte das Verfahren gegen den ehemaligen brasilianischen Präsidenten maßgeblich vorangetrieben. Sein hartes Vorgehen gegen Bolsonaro und dessen Verbündete wird von der Linken in Brasilien gefeiert und von der Rechten als politische Verfolgung angeprangert.
Das abweichende Votum des Richters Luiz Fux vom Mittwoch könnte Bolsonaro den Weg für eine Berufung ebnen, die dann vor dem Plenum des Gerichts mit elf Richtern verhandelt werden müsste. Dies könnte den Abschluss des Verfahrens bis kurz vor die Präsidentschaftswahl 2026 verzögern. Fux erklärte, das Gericht sei für den Fall nicht zuständig. Seiner Ansicht nach hätte der Prozess vor unteren Instanzen verhandelt werden müssen, da Bolsonaro nicht mehr im Amt sei.
Bewunderung für die Militärdiktatur
Bolsonaro, ein früherer Hauptmann des Heeres, hat seine Bewunderung für die Militärdiktatur (1964-1985) in Brasilien nie verheimlicht. Die historische Bedeutung des Urteils reicht über seine Person hinaus. Es ist das erste Mal seit fast 140 Jahren, dass Militärangehörige wegen des Versuchs bestraft werden, die Demokratie zu stürzen. Unabhängig von diesem Urteil hatte das Wahlgericht Brasiliens Bolsonaro bereits untersagt, bis 2030 für ein öffentliches Amt zu kandidieren.
Aktuell sind 5 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen