Wenn das Geld für den Lohn der "Badante" nicht reicht

Familien am Limit: Bis zu einem Jahr Wartezeit beim Pflegegeld

Sonntag, 15. Januar 2023 | 09:54 Uhr

Bozen – Das Pflegegeld, das es in Südtirol gibt, ist im gesamten Staatsgebiet einzigartig. Bedauerlicherweise müssen Betroffene immer länger warten, bis sie in den Genuss des Pflegegelds kommen. Weil es an Personal mangelt, stehen weniger Mitarbeiter für die Einstufungsteams zur Verfügung, die eine Bewertung des Pflegebedarfs vornehmen. Dadurch verschiebt sich der Ablauf nach hinten und es kommt zu längeren Wartezeiten. Ulrich Seitz, Präsident der Vereinigung Alzheimer, spricht von einem Moment großer Schwierigkeiten.

Das Land hat im Jahr 2021 rund 15.400 Personen 255 Millionen Euro an Pflegegeld ausbezahlt. Allein in den letzten fünf Jahren hat der Bedarf um fünf Prozent zugenommen.

Je nach Härte des Pflegefalls gibt es vier Stufen: Die erste Stufe umfasst 60 bis 120 Stunden Pflege und sieht einen monatlichen Beitrag von 569 Euro vor. Bei der zweiten Stufe sind es 120 bis 180 und ein Betrag von 900 Euro. Die dritte Stufe betrifft Fälle, die 180 bis 240 Stunden Pflege benötigen. In diesem Fall macht das Pflegegeld 1.350 Euro aus. Bei der vierten Stufe (1.800 Euro) werden die 240 Stunden überschritten.

Gestiegene Lebenshaltungskosten

„Mehrere 1.000 Familien, die sich um die Pflege älterer Angehöriger kümmern, sind dazu gezwungen, am Limit zu leben, weil in vielen Fällen das Pflegegeld später ankommt und sie dadurch nicht unterstützt werden“, erklärt Seitz laut einem Bericht der Zeitung Alto Adige.

Auf eine sichere Zusage würden die Familien bis zu einem Jahr nach Antragstellung warten. „Wir sind jeden Tag mit Personen konfrontiert, die nicht in der Lage sind, das Gehalt der ‚Badante‘ zu bezahlen“, fügt Seitz hinzu. Seine Vereinigung vertritt rund 13.000 Familien in Südtirol. Seitz schlägt vor, Experten mit einzubinden, um eine rasche Lösung zu finden.

Auch Alfred Ebner von der Gewerkschaft CGIL-AGB warnt laut Alto Adige: „Wir haben mehrfach die Verzögerungen angeprangert.“ Seiner Ansicht nach besteht die einzige Lösung darin, die Einstufungsteams aufzustocken. „Ich frage mich, wie viele Familien, die zu Hause Senioren pflegen, es schaffen, sich mit den gestiegenen Lebenshaltungskosten eine Pflegehelferin zu leisten.“ Ebner vermutet, dass viele ein Darlehen aufnehmen, das sie dann abbezahlen, sobald das Pflegegeld eintrifft. Wenn der Pflegebedarf bei der Einstufung jedoch niedriger eingeschätzt wird, könne es dann allerdings zu bösen Überraschungen kommen.

Politische Maßnahmen

Im September 2022 hat die Landesregierung organisatorische Maßnahmen verabschiedet, die die Wartezeiten verkürzen sollen. Die Entlastungen sollen bereits in den ersten Monaten des heurigen Jahres spürbar sein. So wird das Pflegegeld etwa für Personen mit Krankheiten in fortgeschrittenem Stadium nicht mehr nur sechs, sondern zwölf Monate lang ohne Neueinstufung ausbezahlt. Eine Neueinstufung erfolgt nur dann, wenn sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert.

Die Einstufung der Schwere des Pflegefalls soll auch nicht mehr zu Hause in den eigenen vier Wänden stattfinden, außer es liegt eine ausdrückliche Empfehlung des Hausarztes vor. Stattdessen soll die Einstufung in öffentlichen Räumlichkeiten ohne architektonische Hindernisse erfolgen. Auch davon verspricht man sich eine Verkürzung der Wartezeiten.

Von: mk

Bezirk: Bozen