Milo Rau, das neue Plakat und das Denkmal

Festwochen-Plakat vor sowjetischem Kriegerdenkmal verbrannt

Donnerstag, 08. Mai 2025 | 18:51 Uhr

Von: apa

Ein in der Nähe des sowjetischen Kriegerdenkmals am Schwarzenbergplatz aufgestelltes Großplakat der Wiener Festwochen ist am Mittwoch heruntergerissen und verbrannt worden. Das Plakat, das zwei nackte Männer zeigt und dessen Aufstellung an diesem Ort im Vorfeld in Sozialen Medien kritisiert worden war, ist am Donnerstagnachmittag wieder aufgestellt worden. Das Festival, das sich heuer als “Republik der Liebe” positioniert, lädt zur nächtlichen Mahnwache samt Übernachtung.

Festwochen-Intendant Milo Rau erinnerte bei der unter regem Medieninteresse inszenierten Wiederaufstellung des Plakats daran, dass es sich bei dem Sujet mit zwei jungen Männern, die einander eng umschlungen halten, um das Zitat eines Fotos des Bed-in von John Lennon und Yoko Ono gegen den Vietnam-Krieg handle. Neben Anna Breit, der Fotografin der Werbekampagne der Festwochen, kam auch ein Vertreter einer ukrainischen Aktivistengruppe aus Wien zu Wort, der den Verdacht äußerte, dass die russische Botschaft in Wien die Verbrennung des Plakats zumindest billige.

Festgenommen worden war ein 33-jähriger Mann, teilte die Landespolizeidirektion Wien am Donnerstag auf APA-Anfrage mit. Die Staatsbürgerschaft des Mannes, der beim Eintreffen der Beamten am Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz saß, sei demnach unklar. Der Verdächtige wurde aufgrund einer vermutlichen psychischen Erkrankung einem Amtsarzt vorgeführt und dann in ein Krankenhaus gebracht. Er erhielt eine Anzeige wegen des Verdachts der Sachbeschädigung, berichtete Polizeisprecherin Julia Schick. Ein Passant hatte am Mittwoch um 11.40 Uhr den Polizeinotruf wegen des Vorfalls verständigt. Als die Beamten eintrafen, brannte das heruntergerissene Plakat noch leicht. Die Polizisten löschten es mit dem Feuerlöscher ihres Funkwagens, erläuterte die Sprecherin.

Rau: “Destruktiver und unverständlicher Akt”

“Es trifft uns natürlich, dass gerade an diesem geschichtsträchtigen Ort, der an den Kampf gegen Faschismus und die Opfer von Nazi-Gewalt erinnern soll, es zu Vandalismus kommt. Doch wir beantworten diesen destruktiven und unverständlichen Akt mit friedlichem Widerstand, hängen das Plakat einfach wieder auf und übernachten vor Ort, um es zu schützen”, hatte Festwochen-Intendant Milo Rau in einem Presse-Statement erklärt. “Alle, denen diese Botschaft nicht klar genug ist, laden wir ein, gemeinsam mit uns zu diskutieren. Machen wir aus dem ‘Tag des Sieges’ einen Tag der Liebe. Lasst uns, genau 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs, gemeinsam ein Bed-in machen: gegen Krieg, Hass und neuen Faschismus. Für Großzügigkeit, Toleranz – und eine Nacht voller wunderbarer Debatten und Träume am Schwarzenbergplatz.”

Schon in den vergangenen Tagen hatten bekannte pro-russische Aktivisten in Wien Kritik an der Werbekampagne der Festwochen geübt: Mit “Ekelerregendes am Schwarzenbergplatz” kommentierte am Mittwoch etwa Dimitri Korenev in russischer Sprache auf Facebook ein Foto des Festwochenplakats vor dem Hintergrund des sowjetischen Kriegerdenkmals. Natallia Netschai schrieb von einem “absoluten Skandal” sowie einem “Akt grenzenloser Respektlosigkeit”, dass ein solches Plakat ausgerechnet am Schwarzenbergplatz hängt. Dies sei ein Ort, der sowjetischen Soldaten gewidmet sei, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben für die Befreiung Österreichs gegeben haben.

Einladung an Gegner, vorbeizukommen und zu diskutieren

Korenev und Netschai sind dabei nicht nur Administratoren einer der größten russischsprachigen Facebook-Gruppen in Österreich, mit ihrem Verein “Menschen in Resilienz” organisieren sie in engem Kontakt zur russischen Botschaft für Freitag auch eine große Veranstaltung anlässlich des 80. Jahrestags des “Tag des Sieges” am Schwarzenbergplatz selbst. In Russland wird der “Tag des Sieges” über die Truppen der Nazis traditionell groß gefeiert.

Bei der Veranstaltung am Donnerstagnachmittag erklärte Rau, dass Festwochen-Recherchen ergeben hätten, dass es sich bei “Menschen in Resilienz” um einen von Russland gesteuerten Verein handle, dass also offenbar Russland Einfluss auf das Wiener Stadtbild zu nehmen versuche. Dennoch lade man auch Mitglieder des Vereins dazu ein, während der Nacht, die er und seine Mitstreiter in Zelten am Schwarzenbergplatz verbringen wollen, vorbeizukommen und zu diskutieren.

Seit seinen “Moskauer Prozessen” 2013, dem Reenactment des Prozesses gegen Pussy Riot, hat Milo Rau Einreiseverbot in Russland. Würden die Wiener Festwochen in Russland stattfinden, müssten ihre Organisatoren jedenfalls mit ernsthaften Konsequenzen rechnen: Im Zusammenhang mit einem vom Kreml lancierten Kampf für “traditionelle Werte” verbot der oberste Gerichtshof in Moskau 2023 eine “internationale LGBT-Bewegung” als extremistisch. Die öffentliche Demonstration von Plakaten wie jener der Festwochen würde aller Wahrscheinlichkeit nach als Extremismus strafrechtlich geahndet werden. Den Beteiligten würden in diesem Fall mehrjährige Haftstrafen drohen.

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