"SVP geht gegen geschlossene Opposition unter"

Gerupfte IDM: Antrag vom Team K im Landtag überraschend angenommen

Mittwoch, 09. November 2022 | 18:53 Uhr

Bozen – Der Landtag hat sich heute der IDM befasst. Wie berichtet, hatte das Team K zunächst einen Beschlussantrag zur „Auflösung und Neuausrichtung“ eingereicht. Der Antrag wurde dann etwas abgeschwächt. Nach Unterbrechung der Sitzung durch die SVP wurde der Antrag angenommen.

Beschlussantrag Nr. 632/22: Auflösung und Neuausrichtung IDM (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Ploner A., Ploner F. und Rieder am 19.10.2022). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. Die IDM Südtirol – Alto Adige aufzulösen. 2. Deren Zuständigkeiten wie folgt aufzuteilen: a. Die IDM selbst soll als Tourismus – Marketing Dienstleister „Südtirol Marketing“ dem Tourismus in Südtirol zur Verfügung stehen. Die Filmförderung wird auf den Prüfstand gestellt und deren Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit hinterfragt, sie bleibt aber dort angesiedelt. Hauptziel ist es nicht, neue Touristenströme nach Südtirol zu locken, sondern Tourismus-Management und Lenkung der Besucherströme zu betreiben. b. Aktivitäten im Zusammenhang mit Export (die einstige EOS) und Agrarmarketing sollen an die Handelskammer übertragen werden. c. Alle mit Innovation verbundenen Projekte sollen im NOI Techpark zusammengefasst werden.

Mit der Zusammenlegung von funktionierenden Organisationen bei der Tourismusreform 2017 sei viel Porzellan zerschlagen worden, meinte Paul Köllensperger (Team K), der IDM sei ein Hoffnungsträger gewesen, sei nun aber ein Wasserkopf. “Die Personaloptimierung wurde nicht umgesetzt bzw. durch befristete Verträge wieder aufgefangen, eine starke Fluktuation im Personal und Qualitätsverlust der Dienstleistungen waren die Folge. Eine Effizienzsteigerung fehlt weiterhin in allen Bereichen. So ist die IDM heute ein Moloch, der sich mit seiner hausgemachten Bürokratie selbst im Wege steht.” Die IDM sei tourismuslastig, für die Industrie schaue gar nichts heraus. Es gebe Überschneidungen bei der Tätigkeit mit der Handelskammer und mit dem NOI Techpark. “Mittlerweile drängt sich der Eindruck auf, bei der IDM handelt es sich um einen politischen Dienstleister – Sichtwort Sustainability-Days.” Das Budget der IDM sei angesichts des Overtourism nicht gerechtfertigt. Die IDM sei nicht der Wirtschaftsdienstleister geworden, den alle möchten. Die SMG, im Vergleich, habe gut gearbeitet.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erinnerte sich an seine Arbeit mit Organisationen, die sich mit ausländischer Werbung befassten, angefangen bei Indexport bis hin zu EOS, Organisationen, in denen ein anderer Enthusiasmus herrschte, als er ihn heute in der IDM findet. Er hätte nicht alles abschaffen wollen, aber als die Funktion der Handelskammer anvertraut war, gab es mehr Geschwindigkeit bei der Entscheidungsfindung und mehr Nähe zu den Unternehmen. IDM sei zu einem großen Amt geworden: Es funktioniere gut, sei aber unflexibel, und auf den Märkten sei Flexibilität gefragt. Es handle sich um ein politisiertes Gremium mit vielen Verwaltungsebenen und konkurrierenden Sektoren.

Josef Unterholzner (Enzian) unterstützte jeden Vorstoß zur Entbürokratisierung. Die IDM solle nicht abgeschafft, aber reformiert werden. Sie sei ein unbeweglicher Apparat geworden. Auch die Landesverwaltung sei zu entbürokratisieren. Mit einer schlanken IDM täten sich viele Betriebe leichter. Das derzeitige Budget sei nicht zu rechtfertigen.

Er habe im III. Gesetzgebungsausschuss eine Anhörung zur IDM beantragt, teilte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) mit. Es brauche Klarheit, wofür die IDM in den nächsten Jahren zuständig sein solle. Die Unternehmer und die Bauern seien mit der IDM zufrieden, die Handelskammer und die Tourismusvereine weniger. Eine Auflösung sei nicht sinnvoll, wohl aber eine Definition der Schwerpunkte.

Die IDM habe oft den Eindruck erweckt, sie sei eine Gehälterschmiede, meinte Marco Galateo (Fratelli d’Italia), aber der Eindruck habe sich gebessert. Die Analysen und Initiativen der IDM seien für die Betriebe sehr hilfreich. Ein Tourismusmarketing sei nach wie vor hilfreich, bei der Filmförderung sei er sich nicht so sicher. Bei vielen Filmen verstehe man nicht, dass sie in Südtirol gedreht wurden. Er werde für den Antrag stimmen, auch wenn er nicht allem zustimme.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) wollte die Notwendigkeit der Tourismuswerbung nicht in Frage stellen. Aber man müsse sich fragen, ob sie von der IDM gut umgesetzt werde, Südtirol sei von außen nicht immer positiv wahrgenommen worden, etwa wegen des Einsatzes von Pestiziden. Der Tourismus laufe gut, aber nicht alle seien der Betreuung durch die IDM zufrieden. Die Filmförderung sei oft hinausgeworfenes Geld, wenn etwa die Südtiroler in manchen Filmen als beschränkt dargestellt würden.

Gerhard Lanz (SVP) erinnerte daran, dass der Antrag die IDM zunächst auflösen wolle. Er habe damals als Vertreter der EOS als einziger gegen die Zusammenlegung plädiert. Die IDM sei für Marketing und Dienstleistungen zuständig, und ihre Aktivitäten auf den verschiedenen Messen sei positiv. Bei allen Schwierigkeiten habe man mit ihr in den letzten Jahren Mehrwert schaffen können. Es gehe darum, gewisse Tätigkeiten zu optimieren, eine Auflösung sei fehl am Platz.

Franz Locher (SVP) würde sich bei der Tourismuswerbung mehr erwarten. Es gehe nicht darum, noch mehr Touristen anzulocken, aber z.B. darum, in den Tourismusbetrieben lokale Produkte anzubieten. Die Tourismuswerbung vermarkte eine optimale Landschaft, aber man sei nicht imstande, den Pflegern dieser Landschaft zu danken. Der Milchpreis sei auf Stand 2012, da habe die IDM auch nichts gebracht.

Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) zeigte sich schockiert, dass in den Südtiroler Herbergen nur 0,5 Prozent an Südtiroler Bioprodukten angeboten würden. Um überleben zu können, bräuchten die Bergbauern einen Milchpreis von mindestens 80 statt 50 Cent, und dafür würden sie sich den Einsatz des Landes erwarten.

Helmut Tauber (SVP) wies darauf hin, dass über 30 Prozent der Betriebe im Tourismus regional einkaufen. Große internationale Konzerne würden sich zusammentun, um noch mehr zu erreichen, ebenso brauche es in Südtirol die Zusammenarbeit, um weiterzukommen. Es gebe auch Schwachstellen, z.B. beim Innenmarketing. Er plädierte dafür, die IDM regelmäßig im Landtag anzuhören. Als alles blockiert war, habe man sich in kurzer Zeit reorganisiert und für Südtirol einen unglaublichen Mehrwert geschaffen. Tauber bezeichnete den Antrag als verantwortungslos, man dürfe das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.

Die IDM werde in dieser Debatte für alles verantwortlich gemacht, auch für den Milchpreis, bemerkte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche), das sei ein Zeichen, dass keine Klarheit über die Aufgaben herrsche. Die Außenwirkung des Sponsorings sei fatal, dieses müsse nicht über eine weitere Organisation erfolgen. Es lasse sich diskutieren, ob die Tourismuswerbung gut durchgeführt wurde.

Paul Köllensperger legte einen Änderungsantrag vor, der eine zentrale Formulierung des Antrags ändert: Reform (statt Auflösung) der IDM. Anschließend wurden die Arbeiten auf Antrag der SVP für eine Beratung innerhalb der Mehrheit unterbrochen.

Gerhard Lanz (SVP) fand die Änderung im Titel nicht ausreichend, im beschließenden Teil des Antrags würden weiter dieselben Forderungen gestellt. Man sollte darüber reden, was man sich von der IDM erwarte. Aber allein durch gute Werbung würden sich nicht alle Probleme in Luft auflösen. Zum Vorwurf der Bürokratie gab er zu bedenken, dass es hier um öffentliche Gelder gehe. Das Budget stamme zum Großteil vom Land und nur zum kleinen Teil von der Handelskammer, eine 60:40-Vertretung in den Entscheidungsgremien sei daher nicht ganz stimmig.

Sandro Repetto begrüßte die Änderung, die auch den Punkt 1 des Antrags betreffe. Zu Punkt 2 werde er sich enthalten, weil er der Anhörung vorgreife.

Helmut Tauber verteidigte die Ausrichtung der Nachhaltigkeitstage durch die IDM. Das Thema interessiere die Betriebe sehr stark. Er wies auch darauf hin, dass aufgrund entsprechender Vorschläge die Zahl der Besucher am Pragser Wildsee halbiert wurde. Die IDM habe mit ihrer Plattform auch vielen Betrieben bei der Digitalisierung geholfen. Es sei eine professionelle Struktur mit 200 Mitarbeitern, es sei nicht richtig, diese grundsätzlich in Frage zu stellen. Er schlug vor, die IDM-Anhörung im Ausschuss für alle Abgeordneten zu öffnen.

LR Arnold Schuler räumte Verbesserungspotenzial ein, es werde aber auch viel Positives übersehen. Bestimmte Ergebnisse seien auch messbar, so etwa die Kampagne “Restart” während der Pandemie; dadurch hatte Südtirol ein Plus von neun Prozent zu verzeichnen, das Trentino hingegen ein Minus von 15 Prozent. 2021 hatte Südtirol einen weit geringeren Nächtigungsrückgang als das Trentino und Tirol. Das Marketing müsse sich mehr auf die Nebensaisonen konzentrieren, nichts mehr zu tun, wäre gefährlich. Schuler verteidigte das Konzept der Regionenmarke, die viel zu wenig genutzt werde, denn Südtirol sei insgesamt ein schönes Land; hier gebe es noch zu viel Kirchturmdenken. Den Milchpreis der IDM ankreiden, sei nicht gerechtfertigt, hier hätten die einzelnen Milchhöfe zu viel auf eigene Werbung gesetzt. Die IDM auseinanderzureißen hätte keinen Mehrwert. Man müsse vielmehr die Südtiroler Produkte unter das gemeinsame Dach der Südtirolmarke stellen.

Man könne nicht behaupten, dass alles wunderbar laufe, meinte LR Philipp Achammer, aber eine Auflösung brächte keinen Vorteil. Ziel müsse es sein, die Dienste, die nicht optimal funktionieren, zu verbessern und die funktionierenden Dienste beizubehalten.
Er habe nie behauptet, dass alles schlecht sei, erklärte Paul Köllensperger in seiner Replik. Lanz habe schon damals gesehen, dass die Zusammenlegung nicht funktioniere. Wenn dieser Antrag nicht durchgehe, werde sich gar nichts tun.

Nach einer weiteren Beratung innerhalb der SVP-Fraktion bat Magdalena Amhof (SVP)  um eine neuerliche Unterbrechung, bis zum Ende der heutigen Sitzung (18.00 Uhr).

Sven Knoll und Paul Köllensperger hielten dies nicht für zulässig, die SVP habe nur Angst, die Abstimmung zu verlieren. Auch Marco Galateo, Brigitte Foppa und Josef Unterholzner forderten, zur Abstimmung zu schreiten.

LR Philipp Achammer hielt den Antrag auf Unterbrechung hingegen für gerechtfertigt. Es gebe in seiner Fraktion noch keine Einigkeit zum Thema. Franz Locher, Paula Bacher und Helmut Tauber unterstützten die Forderung, es gebe noch Diskussionsbedarf in der Fraktion. Die für die Opposition verlorene Zeit könne morgen nachgeholt werden.
Eine Unterbrechung sei noch jedem zugestanden worden, erklärte Präsidentin Rita Mattei.
Sven Knoll beantragte, die Sitzung bis 18.30 Uhr zu verlängern, um sowohl die Beratung in der SVP als auch die Abstimmung zu ermöglichen. Der Antrag Knolls wurde mit 17 Ja und 15 Nein angenommen. Anschließend wurden die Arbeiten wieder für eine halbe Stunde unterbrochen.

Nach der Unterbrechung wurde über den Beschlussantrag abgestimmt. Die Prämissen wurden mit 19 Ja und 15 Nein angenommen. Punkt 1 (mit Änderungsantrag von Köllensperger, „Reform“ statt „Auflösung“) wurde mit 25 Ja, sieben Nein und zwei Enthaltungen angenommen. Punkt 2 des Antrags wurde mit 16 Ja, 15 Nein und drei Enthaltungen angenommen.

Der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger triumphiert nach der Abstimmung: „Mehrmals hatte die SVP versucht durch Unterbrechungen eine Abstimmung zu verhindern, ging am Ende aber gegen die geschlossenen Opposition unter.“ Und weiter: „Heute hat der Landtag als höchste Institution im Lande einmal diese Rolle wirklich wahrgenommen und eine  Fehlentwicklung, die missglückte IDM Fusion, die die Landesregierung 2016 beschlossen hatte, korrigiert.“

Die Zeit des Molochs IDM, der mehr als Dienstleister für die Politik fungiert habe statt als Dienstleister für Wirtschaft und Tourismus sei damit  beendet, erklärt hingegen der Landtagsabgeordnete Alex Ploner.

Von: mk

Bezirk: Bozen