Von: luk
Bozen – Im Landtag wurden am Nachmittag Anträge von Freiheitlichen, Süd-Tiroler Freiheit und Grünen/PD/SVP/Team K behandelt. Darunter war ein Antrag zu den historischen Hofnamen.
Beschlussantrag Nr. 457/21: Generisches Maskulinum als Richtschnur für die öffentliche Verwaltung (eingebracht von den Abg. Mair und Leiter Reber am 11.06.2021). Zum ursprünglichen Text wurde gestern ein Ersetzungsantrag vorgelegt: 1. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, sämtliche verwaltungstechnische Schritte in die Wege zu leiten, damit in den Texten und der Kommunikation der öffentlichen Verwaltung Südtirols weiterhin das generische Maskulinum als Richtschnur gilt und sämtliche Genderzeichen (Genderstern, Binnen-I, Gender-Unterstrich, Gender-Schrägstrich, Gender-Doppel-punkt usw.) untersagt werden; 2. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, zum Schutz der deutschen Sprache in Südtirol und den damit verbundenen Minderheitenrechten den anderen öffentlichen Körperschaften und Gesellschaften die Verwendung des generischen Maskulinums nahezulegen und auf Genderzeichen zu verzichten; 3. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, den Artikel 8, Absatz 1 des am 8. März 2010 genehmigten „Gleichstellungs- und Frauenförderungsgesetz des Landes Südtirol und Änderungen zu bestehenden Bestimmungen” und die daraus hervorgehenden „Richtlinien für eine geschlechtergerechte Sprache in der Südtiroler Landesverwaltung” aufzuheben; 4. der Südtiroler Landtag fordert den Widerruf des genehmigten Beschlussantrages vom 15.09.2016, Nr. 637/16 mit dem Titel „Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache”. 5. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, den in den Rahmenrichtlinien des Landes für Kindergärten und Schulen vorgegebenen Bildungs- und Kompetenzrahmen frei von mit der Gender-Ideologie in Verbindung stehenden Inhalten zu gestalten und die Verwendung von mit Genderzeichen (Genderstern, Binnen-I, Gender-Unterstrich, Gender-Schrägstrich, Gender-Doppelpunkt usw.) verfassten Schulbüchern sowie Lernmaterialien zu untersagen.
Die Debatte zum Antrag hatte bereits am Vormittag begonnen. Am Nachmittag legte Alessandro Urzì einen Änderungsantrag vor, der die Forderungen des Antrags auf die italienische und die ladinische Sprache ausdehnt.
Magdalena Amhof (SVP) sprach sich für einen pragmatischen Zugang aus. Auch bei ihr hätten sich viele Frauen gemeldet und sie aufgefordert, sich gegen einen Rückschritt zu wehren. Sie wolle wie auch andere Frauen im Saal angesprochen und nicht mitgemeint werden. Eine gendergerechte Sprache spreche alle an. Für die Weiterentwicklung der Sprache brauche es oft einen Anschub, und das sei die derzeit geltende Regelung, die viele Möglichkeiten biete. Die Sprache schaffe Wirklichkeit und schaffe neue Möglichkeiten, auch für Frauen in der Arbeitswelt. Die geltende Regelung bestehe schon lange, und sie funktioniere ohne Probleme.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) rief in Erinnerung, dass die Frauen zur Menschheit gehören. Wenn man sich weigere, die Frauen angemessen anzusprechen, zeige man, dass man sie nicht respektiere.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) unterstützte den Antrag. Es sei beleidigend gegenüber den Frauen, wenn man ihre Rolle mittels Grammatik anerkennen wolle. Magnago würde darüber lächeln, die Gesellschaft sei mit Wichtigerem beschäftigt. Die Frauen sollten sich mit Stolz von diesem ideologischen Überbau befreien, der den Hauptzweck der Sprache gefährde: die Kommunikation.
Der Antrag wolle eine Umkehr von Täter und Opfer, meinte Jasmin Ladurner (SVP). Die Frauen, die sie kenne, wollten als solche erkannt werden. Kinder würden sich eher mit einem Beruf identifizieren, wenn er gendergerecht bezeichnet werde. Die Politik habe die Aufgabe, die Zukunft zu gestalten und sich für Gerechtigkeit einzusetzen, anstatt zum Mittelalter zurückzukehren.
Waltraud Deeg (SVP) fand es schlimm, dass man noch darüber diskutieren müsse. Es müsse eine Selbstverständlichkeit sein, dass beide Geschlechter genannt werden. Das sei keine Ideologie, sondern ein Grundrecht. Sprache sei ein wichtiges Vehikel der Kommunikation, aber sie präge auch die Wertehaltung.
Es sei einfach eine Frage von Manieren, meinte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Auch bei Begrüßungen bemühe man sich, alle zu nennen. Die Gesellschaft sei hier schon viel weiter, sie akzeptiere keine Diskriminierung. Der Antrag Mairs spreche für die Unzufriedenen, die es natürlich auch gebe. Die “Accademia della crusca”, die an sich sehr konservativ eingestellt sei, habe praktische Leitlinien für die Sprache erstellt, damit alle berücksichtigt werden könnten.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) betonte, dass es in dem Antrag nicht um die Vermeidung der Doppelnennung wie “Kolleginnen und Kollegen” gehe, sondern um die Sternchen und andere Sonderzeichen. Man könne nicht wissen, wen jemand beim generischen Maskulinum mit meine oder ausschließe. Heute säßen viel mehr Frauen im Cockpit oder im Polizeiauto als früher, aber die Vertreter des Genderns wollten die Realität über die Sprache ändern.
LH Arno Kompatscher meldete auch als zuständiger Landesrat für Gleichstellung zu Wort. Manche Stellungnahmen hätten ihn verwundert. Es sei eine Tatsache, dass es die sprachliche Diskriminierung nach 70.000 Jahren meist patriarchalischer Menschheitsgeschichte immer noch gebe. Sprache unterliege der Veränderung, auch in dem, was zwischen den Zeilen gesagt werde. Gewisse Dinge sage man heute nicht mehr so wie früher. Die Einbringer sprächen von Einmischung und Verboten, wollten aber selbst eine gendergerechte Formulierung verbieten. Frauen wollten nicht mitgemeint sein. Es gebe auch Auswüchse, wie Knoll sie genannt habe, er sei auch nicht für die genaue Festlegung der Form, aber er sei auch gegen ein Verbot der Gleichberechtigung.
Ulli Mair dankte für die kontroverse Diskussion. Ihr gehe es vor allem um den Genderstern und Ähnliches, sie werde aber weiterhin “Frau Präsidentin” sagen. Die Genderideologie habe es geschafft, die Gesellschaft in viele Gruppen einzuteilen. Die gendergerechte Sprache werde von großen Teilen der Gesellschaft abgelehnt, aber sie werde ihnen übergestülpt. Sie wolle keine Gesellschaft, in der die Menschen nach Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung eingeteilt werde. In einer Demokratie sei keine Diskussion schlimm, anders als manche Kolleginnen meinten. Mair verlangte eine namentliche Abstimmung, denn sie wolle jeden aus der SVP, der in der Bar abschätzig über das Gendern spreche, an sein Abstimmungsverhalten erinnern. Die Frauen in Südtirol hätten andere Probleme, eine gerechtere Welt werde mit dem Gendern nicht geschaffen.
Der Antrag wurde in Teilabstimmungen zu den einzelnen Punkten mehrheitlich abgelehnt, die Prämissen mit vier Ja, 25 Nein und vier Enthaltungen, Punkt 1 mit sieben Ja, 23 Nein und drei Enthaltungen, Punkt 2 (mit dem Änderungsvorschlag Urzìs) mit fünf Ja, 22 Nein und fünf Enthaltungen, Punkt 3 mit vier Ja, 23 Nein und fünf Enthaltungen, Punkt 4 mit fünf Ja, 21 Nein und sieben Enthaltungen, Punkt 5 mit sieben Ja, 21 Nein und vier Enthaltungen.
Beschlussantrag Nr. 459/21: Historische Hofnamen nicht aus Meldeamtsregistern streichen (eingebracht von den Abg. Atz Tammerle und Knoll am 11.06.2021). Dazu wurde von den Einbringern ein Ersetzungsantrag vorgelegt: • Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, sich dafür zu verwenden, dass sämtliche historischen Hofnamen anerkannt, nicht aus den Meldeamtsregistern gestrichen und in die staatlichen Adress-Register aufgenommen werden.• Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, sich dafür zu verwenden, dass alle deutschen Straßennamen – und wo vorgesehen auch die ladinischen Straßennamen – in die staatlichen Adress-Register aufgenommen werden. • Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, den Bürgern die Möglichkeit einzuräumen, selbst auswählen zu können, in welcher der Landessprachen die Daten in den auszufüllenden freien Feldern angegeben werden. Wird keine Auswahl getroffen, erfolgt die Reihung gemäß der Volksgruppenstärke in Deutsch, Italienisch, Ladinisch.
“Mit der Anpassung an die gesamtstaatlichen Bestimmungen des Meldeamtswesens streichen immer mehr Südtiroler Gemeinden die historischen Hofnamen aus den Meldeamtsregistern. Ein großer kultureller Verlust für unser Land”, fand Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). “Erst 2014 hat der Südtiroler Landtag beschlossen, sich für die Eintragung der Haus- und Hofnamen in die amtlichen Verzeichnisse und Adressregister der Gemeinden auszusprechen. Die historischen Hofnamen sind ein wichtiger Bestandteil Südtirols. Sie bewahren Tradition, drücken Geschichte aus und dienen auch zur Orientierung. Seit einigen Wochen häufen sich auch die Beschwerden von Bürgern, dass die Adressangaben auf den neuen Identitätskarten in deutscher Sprache teilweise nur mehr fragmentiert und letzthin sogar nur mehr ausschließlich in italienischer Sprache angegeben werden. Dieses Vorgehen steht nicht nur im eklatanten Widerspruch zur verpflichtenden Zweisprachigkeit in Südtirol, sondern ist für die Bürger auch ein Problem bei Reisen.”
Hauptsächlich gehe es in dem Antrag um die neue Identitätskarte, erklärte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia). Die italienische Sprache sei für ein Dokument, das in ganz Italien gelte, zwingend. Aber auch die Zweisprachigkeit sei Pflicht. Das Problem bestehe, aber man dürfe es nicht als Vehikel für anderes verwenden.
Franz Locher (SVP) stimmte zu, dass hier Handlungsbedarf bestehe. Historische Hofnamen könne man nicht übersetzen, was aber trotzdem oft geschehe. Er sehe den Antrag deshalb sehr positiv.
Die Hofnamen gehörten zum Kulturgut, bestätigte auch Hanspeter Staffler (Grüne). Die Orientierungshilfe sei hingegen kein gutes Argument, denn bei Anruf in der Notrufzentrale gehe dort eine digitale Karte auf, auf der die Hofnamen alle vermerkt seien. Er beantragte eine getrennte Abstimmung zu den einzelnen Punkten.
Es gehe in dem Antrag um zwei Punkte, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Zum einen gehe es um die Hofnamen, die jetzt schon aus den amtlichen Registern verschwinden würden, zum anderen um die neuen Identitätskarten. Dafür werde auf die staatlichen Register zurückgegriffen, in denen es keine deutschen Straßennamen mehr gebe. In den ladinischen Gemeinden würden die ladinischen Straßennamen, aber nicht die ladinischen Ortsnamen verwendet. Den deutschen Namen bleibe oft nur der Platz, den die italienischen im Eingabefeld übrigließen, dadurch würden Namen oft gekappt.
Man müsse darauf achten, dass unsere Kulturgüter erhalten blieben, meinte Maria Hochgruber Kuenzer (SVP). Diese dürften durch die Digitalisierung nicht wegrationalisiert werden.
LH Arno Kompatscher stimmte dem zu. Die Hofnamen seien Zeugnisse jahrhundertelanger Geschichte. Auch wenn keine böse Absicht dahinterstehe, dürfe das nicht passieren. Auch für die Straßennamen müsse das gelten. Es gebe ein Platzproblem, aber es lasse sich lösen, es gebe in Europa bereits mehrere mehrsprachige Ausweise. Auch der deutsche Straßenname sei amtlich. Es gebe bereits Gespräche mit dem Innenministerium, und er hoffe, dass es bald zu einer Lösung komme.
Myriam Atz Tammerle dankte für die breite Zustimmung. Die Zwei- oder Dreisprachigkeitspflicht, wie es das Autonomiestatut vorsehe, müsse auch in diesem Fall gelten.
Die Prämissen des Antrags wurden abgelehnt, Punkt 1 wurde mit 30 Ja und vier Enthaltungen, Punkt 2 mit 30 Ja und vier Enthaltungen, Punkt 3 mit 25 Ja, zwei Nein und sechs Enthaltungen genehmigt.
Beschlussantrag Nr. 409/21: In der Regel ist’s zu teuer (eingebracht von den Abg. Foppa, Staffler und Dello Sbarba am 04.03.2021). Der Antrag, der im April andiskutiert worden war, wurde durch eine neue Fassung ersetzt, die von den Abg. Ladurner, Repetto, Foppa, Amhof und Rieder mitunterzeichnet wurde: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, ein Pilotprojekt zu starten, wobei im Rahmen der Sexualerziehung und gezielten Sensibilisierung flächendeckend an allen Mittelschulen des Landes weibliche Hygieneartikel kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Ulli Mair (Freiheitliche) sprach sich gegen den Antrag aus, nicht, weil sie darin eine feministische Ideologie sehe, sondern weil hier der Hausverstand fehle. Es sei zudem psychologisch und pädagogisch bedenklich, denn Mädchen, die noch nicht die Regel hätten, fühlten sich unter Druck gesetzt.
LR Philipp Achammer erinnerte daran, dass Sexualerziehung zu den Wahlfächern gehöre. Man werde die Forderung des Antrags als Pilotprojekt an den Mittelschulen umsetzen.
Brigitte Foppa (Grüne) unterstrich die Bedeutung des Themas und dankte für die Zustimmung.
Der Antrag wurde mit 25 Ja, 2 Nein und 5 Enthaltungen angenommen.
Anschließend wurde zur Behandlung des Omnibusgesetzentwurfs (Nr. 85/21) übergegangen.