Von: APA/dpa/AFP/Reuters
Der Streit um das iranische Atomprogramm spitzt sich zu. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA/IAEO) warf dem Iran erstmals seit fast zwanzig Jahren offiziell vor, seine Verpflichtung zur Nichtverbreitung von Atomwaffen zu verletzen und verabschiedete am Donnerstag eine entsprechende Resolution. Die Führung in Teheran verurteilte diese und kündigte umgehend Gegenmaßnahmen, unter anderem die Errichtung einer neuen Uran-Anreicherungsanlage, an.
Der aus 35 Nationen bestehende Gouverneursrat, das Lenkungsgremium der IAEA, stellte in einer Resolution formell fest, dass Teheran gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, sein gesamtes Atomprogramm offenzulegen. In dem Text heißt es, der Rat stelle fest, “dass die zahlreichen Versäumnisse des Irans, seinen Verpflichtungen seit 2019 nachzukommen und mit der Organisation in Bezug auf nicht deklariertes Nuklearmaterial und Aktivitäten an mehreren nicht deklarierten Standorten im Iran uneingeschränkt und rechtzeitig zu kooperieren … eine Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen aus dem Sicherungsabkommen mit der Organisation darstellen”. Der Rat drohte zudem mit der Einschaltung des UNO-Sicherheitsrates.
Die von den USA zusammen mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien eingebrachte Resolution sei mit den Stimmen von 19 der 35 Mitgliedstaaten des Gouverneursrat gebilligt worden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Diplomatenkreisen. Unter anderem stimmten demnach Russland und China dagegen, mehrere andere Länder enthielten sich.
Teheran will Produktion von angereichertem Uran deutlich steigern
Teheran reagierte umgehend. Das staatliche iranische Fernsehen berichtete, die Führung in Teheran verurteile die IAEA-Resolution. Dies sei eine “politische Entscheidung ohne technische oder rechtliche Grundlage”. Der Iran habe sich stets an seine Verpflichtungen gegenüber der IAEA gehalten. Nun habe man keine andere Wahl, als auf die “politische Resolution” der in Wien ansässigen Organisation zu reagieren. Es werde eine neue Anlage zur Anreicherung von Uran “an einem sicheren Ort” eröffnet. Zudem würden die Zentrifugen in der Atomanlage Fordow modernisiert und die Produktion von angereichertem Uran “deutlich” gesteigert”. Weitere Gegenmaßnahmen seien geplant und würden später bekanntgegeben.
Der Schritt erhöht den Druck auf Teheran vor dem Hintergrund wachsender Spannungen um das iranische Atomprogramm. Im Nahen Osten wächst die Sorge vor einem möglichen Angriff Israels auf den Irans. Aus Sicherheitsgründen reduzierten die mit Israel verbündeten USA ihr Botschaftspersonal im Iran und schränkten die Reisefreiheit von Regierungspersonal in Israel deutlich ein.
EU ruft Iran zu Zurückhaltung auf
Die EU rief Teheran zur “Zurückhaltung” auf. “Wir rufen den Iran auf, Zurückhaltung zu üben und jeden Schritt zu vermeiden, der die Situation weiter eskalieren lassen würde”, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Die EU fordere den Iran zudem auf, die “volle Zusammenarbeit” mit der IAEA wiederherzustellen und “seinen Verpflichtungen vollständig nachzukommen”.
Iran warnte Berlin, Paris und London vor “strategischem Fehler”
Die IAEA hatte in einem Ende Mai vorgelegten Bericht die Zusammenarbeit mit Teheran bei der Überprüfung des iranischen Atomprogramms als “nicht zufriedenstellend” bezeichnet. Demnach hat der Iran zudem seinen Bestand von auf 60 Prozent angereichertem Uran stark erhöht. Für den Bau von Atomwaffen wird ein Anreicherungsgrad von etwa 90 Prozent benötigt. Teheran wies den Bericht als politisch motiviert zurück und drohte vor der Abstimmung im Gouverneursrat, die Zusammenarbeit mit der IAEA weiter zurückzufahren.
Der Iran hatte sich vor der Abstimmung auch direkt an Deutschland, Frankreich und Großbritannien gewandt und die Länder davor gewarnt, sich der zuerst von den USA geplanten Resolution anzuschließen. Der iranische Außenminister Abbas Araqchi warnte Berlin, Paris und London in diesem Zusammenhang vor einem “strategischen Fehler”.
Geheime Atom-Aktivitäten
Die IAEA-Resolution wurde verabschiedet, nachdem sich Teheran jahrelang geweigert hatte, geheime Atom-Aktivitäten in der Vergangenheit aufzuklären. IAEA-Inspektoren hatten in Einrichtungen abseits der bekannten Atomanlagen Spuren von Uran und andere Hinweise gefunden. Nach Angaben der IAEA hat der Iran dazu bisher nur unglaubwürdige Erklärungen geliefert. Die politische Führung des Iran beteuert immer wieder, dass sie nicht nach Atomwaffen strebt.
IAEA-Chef Rafael Grossi hatte daher zuletzt festgehalten, dass seine Behörde keine Garantien abgeben kann, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Aufgrund dieser Feststellung ergebe sich eine Zuständigkeit des Sicherheitsrates in New York, der über den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wache, hieß es in der Resolution.
Neue Gesprächsrunde zwischen USA und Iran im Oman
Unterdessen soll es am Sonntag zu einer neuen Gesprächsrunde zwischen den USA und dem Iran kommen. Seit April verhandeln die beiden Länder über mögliche erneute Beschränkungen des iranischen Atomprogramms. “Ich freue mich, bestätigen zu können, dass die sechste Runde der Gespräche zwischen dem Iran und den USA am kommenden Sonntag, den 15., in Maskat stattfinden wird”, bestätigte Omans Außenminister Badr al-Bussaidi am Donnerstag auf X.
Aufgrund wachsender Spannungen in der Region war bis zuletzt nicht klar, ob es in dieser Woche eine weitere Verhandlungsrunde geben wird. Von iranischer Seite wurde der Termin zuvor bereits bestätigt.
Die indirekten Verhandlungen zur Wiederbelebung eines Atomabkommens verliefen bisher ohne Durchbruch. US-Präsident Donald Trump will verhindern, dass der Iran Atomwaffen entwickelt. Er zeigte sich zuletzt aber wenig optimistisch über die Gespräche. “Ich bin jetzt weniger zuversichtlich als noch vor ein paar Monaten”, sagte er in einem Podcast.
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