Israels Außenministerium veröffentlichte Bilder von Thunberg

Israel fing Boote von Gaza-Hilfsflotte ab

Donnerstag, 02. Oktober 2025 | 13:01 Uhr

Von: APA/AFP/dpa/Reuters

Die israelische Marine hat im Mittelmeer nach Angaben der Organisatoren einer privaten Flotte mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen bisher 21 von rund 45 Booten abgefangen. Bei weiteren zehn sei dies anzunehmen, da der Kontakt zu ihnen abgebrochen sei, hieß es am Donnerstag. Unter den Aktivisten waren auch vier Österreicher, zu denen derzeit kein Kontakt besteht. Einer von ihnen ist der Ex-Skirennläufer Julian Schütter.

Nach einem von der Trägerorganisation der Global Sumud Flotilla betriebenen Schiffsortungsdienst im Internet setzten in der Früh noch elf der Motor- und Segelboote ihre Fahrt Richtung Gazastreifen fort. Zwei Boote liefen Richtung Zypern. Ein Segelboot befand sich demnach nur noch etwa 15 Kilometer vor der Küste des Kriegsgebiets, machte jedoch keine Fahrt mehr.

Die internationalen Insassen der abgefangenen Schiffe sollten nach Angaben des israelischen Außenministeriums zum Hafen Ashdod gebracht werden. Sie sollen an Land in Israel identifiziert und festgesetzt werden. Bereits ab Freitag könnten die ersten in ihre Heimatländern zurückgeführt werden.

Ex-Skirennläufer Schütter unter Österreichern

Zuerst zurückgeführt würden jene Aktivisten, die einer freiwilligen Ausreise aus Israel zustimmten, verlautete aus dem italienischen Außenministerium. Unter den bisher abgefangenen Aktivisten befinden sich 22 Italiener. Ob auch die vier österreichischen Staatsbürger unter den abgefangenen Personen waren, oder ob nur der Kontakt zu ihnen abgebrochen ist, war zunächst unklar. “Seit den frühen Morgenstunden ist der jegliche Kontakt zu den genannten Personen abgebrochen. Kommunikationssysteme der Schiffe wurden gezielt gestört und abgeschaltet. Ihre Angehörigen und Unterstützer:innen sprechen von einer faktischen Entführung durch die israelischen Streitkräfte, da bisher keinerlei offizielle Bestätigung über ihren Aufenthaltsort oder ihr Wohlergehen vorliegt und Israel in internationalen Gewässern keine Befugnis hat, Menschen festzusetzen”, teilte die Gaza Sumud Flotilla mit.

Der 27-jährige Skirennläufer Schütter hat im Februar 2024 das Ende seiner Karriere bekannt gegeben. Der als Umweltaktivist bekannte ÖSV-Läufer hatte im Jänner 2023 einen Kreuzbandriss. Seitdem betritt er kein Rennen mehr. Der aus Schladming stammende Steirer bestritt 60 Europacuprennen und landete als Dritter einmal auf dem Podest, elfmal war er im Weltcup im Einsatz.

Der Bundessprecher der KPÖ, Tobias Schweiger, erklärt sich solidarisch mit den Aktivisten. Zugleich erklärte er: “Ich fordere das Außenministerium auf, sich für ihre sofortige Freilassung und die Möglichkeit der Fortsetzung der Mission einzusetzen.”

Aktivisten wollen Israel die Stirn bieten

“Unsere Mission geht weiter”, sagte der Sprecher der Aktivisten in einem im Onlinedienst Instagram veröffentlichten Video. “Sie sind entschlossen. Sie sind motiviert und tun alles in ihrer Macht Stehende, um die Belagerung bis zum frühen Morgen zu durchbrechen.” Die Aktivisten bezeichneten das Vorgehen Israels als “illegal”, die Schiffe hätten sich in “internationalen Gewässern” befunden.

Das israelische Außenministerium hatte erklärt, dass “mehrere Schiffe (…) sicher gestoppt” worden seien und dass ihre Passagiere zu einem israelischen Hafen gebracht würden. Es veröffentlichte Aufnahmen der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg mit dem Zusatz: “Greta und ihre Freunde sind sicher und gesund.”

Hamas verurteilt Stopp

Die palästinensische Terrororganisation Hamas, deren Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 den Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte, verurteilte den Stopp der Schiffe “in internationalen Gewässern” als “Verbrechen der Piraterie und des maritimen Terrorismus”.

Auch Israels Erzfeind Iran verurteilte den israelischen Marineeinsatz gegen die Global Sumud Flotilla als “Terrorakt”, der gegen das Völkerrecht verstoße. Wie die iranische Nachrichtenagentur IRNA berichtete, erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Esmail Baghaei, dass das Vorgehen Israels “eine klare Verletzung internationaler Grundsätze” und “ein terroristischer Akt” sei. Er lobte die Aktivisten der Flottille und forderte die internationale Gemeinschaft auf, umgehend Maßnahmen als Reaktion auf das Vorgehen Israels zu ergreifen und dem “Völkermord in Palästina” ein Ende zu setzen.

An der Flotte beteiligt waren insgesamt rund 45 Boote mit rund 500 Menschen. Darunter Aktivisten, Parlamentarier und Anwälte aus 44 Ländern, darunter auch die vier Österreicher. Unter den Teilnehmern sind neben Thunberg, auch ein Enkel des verstorbenen, südafrikanischen Anti-Apartheid-Kämpfers und Ex-Präsidenten Nelson Mandela, Mandla Mandela, und die französisch-palästinensische Europaabgeordnete Rima Hassan. Rund 50 Mitglieder der Flotte stammen aus Italien, darunter zwei Parlamentarier und zwei EU-Abgeordnete.

Das offizielle Ziel der Aktion ist es, Hilfsgüter vom Meer aus zu den Palästinensern in den Gazastreifen zu bringen und damit die israelische Seeblockade zu durchbrechen. Ein Angebot Israels, die Medikamente und Lebensmittel über den israelischen Hafen Ashdod in den Gazastreifen zu bringen, lehnten die Organisatoren der Flotte ab. “Diese systematische Weigerung zeigt, dass das Ziel nicht humanitär, sondern provokativ ist”, schrieb der israelische Botschafter in Italien, Jonathan Peled, auf X.

Appell von Italien und Spanien

Italien und Spanien hatten angesichts der Gefahr einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Israel eine Marineeskorte für die Flotte entsandt. Beide Länder forderten die Aktivisten am Mittwoch auf zu stoppen, bevor sie die von Israel errichtete Sperrzone rund 280 Kilometer vor der Küste des Gazastreifens erreichen. Nachdem Israel die Schiffe abgefangen hatte, reagierte Spanien mit diplomatischen Protest, indem es den israelischen Geschäftsträger in Madrid ins Außenministerium zitierte.

Unabhängig vom Krieg im Gazastreifen riegelt Israel das Palästinensergebiet vom Meer aus strikt ab. Die Sperre war 2007 nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen errichtet worden und wird auch von Ägypten mitgetragen, das im Süden an den Küstenstreifen grenzt. Die Blockade dient dazu, Waffenlieferungen an die Hamas zu unterbinden.

Türkei spricht von Terrorakt

Wegen des Abfangens der Boote kündigte der kolumbianische Präsident Gustavo Petro unterdessen an, alle verbliebenen israelischen Diplomaten aus seinem Land auszuweisen. Der linksgerichtete Politiker hatte die Beziehungen zu Israel im vergangenen Jahr abgebrochen. Vier Diplomaten waren nach Angaben aus israelischen Konsulatskreisen in Bogotá jedoch im Land geblieben. Petro sagte, zwei Kolumbianerinnen – Teil der Global Sumud Flotilla – seien von israelischen Streitkräften in internationalen Gewässern festgenommen worden.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan bezeichnete das Abfangen der Boote als “Terrorakt, der einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt und das Leben unschuldiger Zivilisten gefährdet”. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul leitete Ermittlungen wegen der Festnahme von 24 türkischen Staatsbürgern ein.

Proteste und Streikankündigung in Italien

In Italien kam es nach dem Stopp der Flottille zu Protesten. Vor dem Hauptbahnhof in Rom kamen am Mittwochabend zahlreiche Demonstranten zusammen. Die Zugänge zum Bahnhof wurden in der Folge aus Sicherheitsgründen gesperrt. Die dortige U-Bahnstation wurde ebenfalls geschlossen. Auch in Neapel wurde protestiert.

Bereits im Jahr 2010 wurden bei der Erstürmung einer ähnlichen Flotte durch israelische Soldaten neun Aktivisten getötet. Im Juni dieses Jahres hatten israelische Marine-Einheiten Thunberg und elf weitere Aktivisten eines Schiffes festgenommen, als sie sich dem Gazastreifen näherten.

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