Landesrätin Stocker zum Welttag am 20. Februar

Ist Südtirol sozial gerecht?

Sonntag, 19. Februar 2017 | 15:27 Uhr

Bozen – „Soziale Gerechtigkeit ist ein weltweit angestrebtes Ideal und eine Herausforderung, der wir uns auch in Südtirol täglich neu stellen müssen“, erklärt Landesrätin Martha Stocker.

Der Welttag für soziale Gerechtigkeit wurde 2007 von den Vereinten Nationen eingeführt und wird seitdem am 20. Februar eines jeden Jahres begangen. Er gilt als Mahnruf an alle gesellschaftlichen Instanzen, die weltweite soziale Ungleichheit mit immer größerem Engagement zu überwinden und den Wohlstand fair zu verteilen. “Die vollständige Beseitigung der sogenannten ‘absoluten Armut’ – gemeint sind damit alle jene Situationen, in welchen Menschen das Lebensnotwendigste fehlt – muss eine konkrete Zielsetzung des politischen Handelns sein”, meint Soziallandesrätin Stocker und fügt hinzu: “Ungeachtet dessen, in welche geographischen und sozialen Koordinaten Menschen hineingeboren wurden, sie haben alle das Recht auf eine effektive soziale Chancengleichheit.” Dieser Herausforderung müsse sich selbstverständlich auch unser Land stellen, besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdebatten und der Verarmung bestimmter Bevölkerungsgruppen.

Armutsquote in Südtirol im Durchschnitt

Werden alle öffentlichen Transferleistungen wie Familiengelder, finanzielle Sozialhilfe, Mietbeiträge, Wohnbauförderung, Arbeitslosengelder, Schulfürsorge, Pflegegeld, Invalidenleistungen, usw. berücksichtigt, kommt man in Südtirol auf die doch sehr beachtliche Summe von ca. 540 Miollionen Euro im Jahr. Zudem sind auch indirekte Förderungen zu berücksichtigen, wie z.B. begünstigte Tarife für Bildung, Sozialdienste und Mobilität. Aufgrund der genannten Leistungen wird der Anteil der armutsgefährdeten Haushalte in Südtirol von 24,7 auf 16,6 Prozent der Bevölkerung gesenkt. “8,1 Prozent armutsgefährdete Haushalte weniger sind ein Beweis dafür, dass das Südtiroler Sozialsystem in dieser Hinsicht durchaus wirksam ist”, ist Landesrätin Stocker überzeugt, “doch wäre es ein Fehler, eine weitere Verbesserung dieser Situation nur über den Weg der Transferleistungen zu suchen.”

Gleichberechtigter Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung

Vielmehr tragen auch Maßnahmen im Bereich der Lohn- und Steuerpolitik, der Einkommensverteilung, der Sozialversicherungspolitik, und besonders die Bemühungen um einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung zu einer höheren sozialen Gerechtigkeit bei: “Der Zugang zu den drei Säulen unserer Gesellschaft – Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung – ist mit ausschlaggebend für ein selbständiges Leben, das dem Einzelnen Verwirklichungschancen und Teilhabe ermöglicht”, betont die Landesrätin.

Die verbleibenden 16,6 Prozent relativer Armut liegen im Durchschnitt der europäischen Länder mit hohem Einkommensniveau. Südtirol ist somit nicht mehr als andere mitteleuropäische Länder von relativer Armut betroffen, aber auch nicht deutlich weniger. Die “relative Armut”- damit sind Personen oder Haushalte gemeint, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen – ist vorwiegend als Indikator für die sozialen Ungleichheiten und für eine unausgewogene Einkommensverteilung in einer Gesellschaft zu verstehen. Für die Landesrätin für Soziales muss es Ziel der Politik sein, diese Quote möglichst gering zu halten, um eine zu unausgewogene Einkommensverteilung zu vermeiden.

Renzler: „Soziale Gerechtigkeit ist Umverteilung zwischen Arm und Reich“

Der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Arbeitnehmer in der SVP Helmuth Renzler fordert anlässlich des „Welttags der sozialen Gerechtigkeit“ eine größere Umverteilung zwischen Arm und Reich.

Der Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ habe eine sehr starke Aussagekraft und werde leider oft falsch gebraucht. Letzthin werde der Begriff gerne dafür verwendet, wenn finanzielle Leistungen seitens der öffentlichen Hand gekürzt werden sollen, wobei die Argumentation für solche Kürzungen immer wieder die geringer werdenden finanziellen Mittel bei gleichzeitigem Anstieg der Anspruchsberechtigten sei, meint Renzler.

„Dringend benötigte finanzielle Besserstellung hat damit nichts zu tun. Menschen die auf Unterstützung angewiesen sind, dürfen nicht unter dem Deckmantel der ‚sozialen Gerechtigkeit‘ als Bittsteller oder Almosenempfängern abgestempelt werden. Soziale Gerechtigkeit bedeutet, dass die notwendigen finanziellen Ressourcen ohne Kürzungen zur Verfügung und durch Umverteilung erzielt werden müssen. Umverteilung nicht unter den lohnabhängigen Arbeitnehmern, sondern zwischen dem erwirtschafteten Kapital und den Bedürfnissen der Lohnabhängigen sowie der notleidenden Bevölkerung“, stellt Helmuth Renzler klar.

Jene Menschen, welche durch harte Arbeit ehrlich ihr Geld verdienen und Steuern zahlen, dürften finanziell nicht schlechter gestellt sein, als jene, die nur ihr Geld für sich arbeiten lassen.

„Durch ehrliche Arbeit verdientes Geld darf nicht höher besteuert werden, als das durch Spekulation und Misswirtschaft erwirtschaftetes Kapital. Das ist soziale Gerechtigkeit. Ebenso sozial gerecht wäre auch, wenn man endlich wieder mit einer ehrlichen Vollzeitarbeit einen gerechten Lohn erzielen könnte und dieser einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen würde. Wenn nicht schnellstens für mehr ‚soziale Gerechtigkeit‘ gesorgt wird, dann wird es ein böses Erwachen für alle geben“, warnt Renzler.

Von: mk

Bezirk: Bozen