Opposition spricht von irreführendem Gesetz

Ja zum Landesgesetz für Maßnahmen gegen Wölfe

Freitag, 09. Juni 2023 | 16:31 Uhr

Bozen – Der Landtag hat sich heute weiter mit dem Wolf befasst. Die Behandlung des Landesgesetzentwurfs Nr. 143/23 Weideschutzgebiete und Maßnahmen zur Entnahme von Wölfen (vorgelegt von den Abgeordneten J. Noggler, A. Schuler, F. Locher und M. Vallazza; ursprünglicher Titel: „Weideschutzgebiete und Maßnahmen zur Entnahme von Wölfen und Schutz der Art vor Hybridisierung“) wurde fortgesetzt.

Dazu hatte in der gestrigen Sitzung Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) eine Tagesordnung vorgestellt, in der er fordert, der Landtag möge sich für das Ziel aussprechen: – Südtirols Landesfläche zu einer wolfsfreien Zone nach schwedischem Vorbild machen zu wollen und beauftragt die Landesregierung sich auf staatlicher und europäischer Ebene aktiv für die Umsetzung dieses Anliegens einzusetzen; – und denselben politischen Weg auch bezüglich des europäischen Braunbären zu verfolgen. Die Tagesordnung wurde mit fünf Ja und 28 Nein abgelehnt.

Es folgte die Artikeldebatte. Abschließend nahmen die Abgeordneten zum Gesetz Stellung. Wenn man ehrlich sein wolle, dann diene dieses Gesetz nicht dazu, Wölfe einzufangen, sondern Wähler, betonte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Professionelle Arbeit sehe anders aus als so, wie die Landesregierung in diesem Fall gearbeitet habe. Wenn er dann die Inhalte des Gesetzes nachlese, dann fehlten Definitionen, die Hybride seien vergessen worden. Das Gustostückerl sei die Vergrämung bzw. dass die Grundeigentümer diese vornehmen dürften, dies aber nachher melden müssten. Das gehe an der Realität der Bauern vorbei. Und wenn man höre, dass es diese Gutachten gebe, aber diese nicht bindend seien – dann frage er sich, was man bisher getan habe. Es brauche Landesregierungsmitglieder, die den Schneid hätten, sich auch einmal mit Rom anzulegen und zu sagen, dass man in Südtirol selbst über bestimmte Dinge bestimme. Wenn der LR sage, jeder könne Gesetzentwürfe einbringen – auch er, Knoll, dann wolle er darauf hinweisen, dass die SVP verhindern würde, dass Gesetzentwürfe der Opposition vorgezogen werden könnten. Die Süd-Tiroler Freiheit sei für die Entnahme von Problemtieren, aber man sei gegen Gesetze, mit denen die Menschen an der Nase herumgeführt würden. Man werde sich enthalten.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) bemerkte, man habe respektvoll und seriös über dieses emotionale Thema diskutiert – dafür bedanke er sich. Die Grünen würden gegen den Gesetzentwurf stimmen, der ein Stückwerk sei, aus dem keine praktische Auswirkung hervorgehen werde. Denn wenn bisher mit Ispra-Gutachten keine Entnahmeermächtigungen ausgestellt wurden, dann werde das auch künftig nicht geschehen. Eine andere Möglichkeit, problematische Wölfe oder Bären zu entnehmen, sei, wenn das Tier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei; doch bisher sei auch das in Südtirol nie geschehen. Er erinnerte diesbezüglich an die Erlegung des Bären KJ2 im Trentino.

Man sollte es zu schätzen wissen und dankbar dafür sein, in so einem schönen Land zu leben, meinte Josef Unterholzner (Enzian). Es tue ihm leid, wenn man nahezu täglich Bilder der zerfetzten Tiere sehe – eigentlich hätte heute jemand ein solches in den Landtag bringen sollen. Er hoffe, dass mit dem Gesetz eine Änderung eintrete. Wenn der Landeshauptmann einen Notstand aufgrund Tierquälerei ausrufen würde, dann könnten die Entnahmen vielleicht eher gerechtfertigt werden als mit Ispra-Gutachten. Bär und Wolf hätten in Südtirol mit seiner Alm- und Berglandwirtschaft nicht Platz.

Franz Locher (SVP), Miteinbringer des LGE, schickte voraus, dass es stets eine rege Diskussion gebe, wenn die Berglandwirtschaft im Landtag thematisiert werde. Er habe die Diskussion zum vorliegenden Gesetzentwurf gut gefunden. Er sei überzeugt davon, dass man im Rahmen der Autonomie in diesem Bereich etwas weiterbringen könne. Man müsse der Situation vor Ort – mit der Almwirtschaft, mit der dichten Besiedelung – gerecht werden. Die Punkte fünf und sechs seien wesentlich, diese würden es ermöglichen, dass man die Thematik hier regle und das Ispra-Gutachten übergehen könne. Man sei einen wesentlichen Schritt weitergekommen, man spreche nicht nur von Entnahmen, sondern auch von Abschüssen. Er ersuche den LR hinsichtlich der Durchführungsverordnung, dass diese in der Kommission baldmöglich vorliege und durchgesehen werden könne, damit man schnellstmöglich weiterkomme. Er hoffe, dass es bereits heuer zu Entnahmen kommen könne.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erklärte, er werde gegen das Gesetz stimmen, da das Gesetz den Menschen in den Mittelpunkt stelle – es gebe den Gewehren eine Stimme und sei ein Gesetz der Propaganda. Es werde auch zu einer Verschlechterung der Stimmung zwischen den Institutionen im Land und jenen des Staates führen. Aber es werde das Problem nicht lösen.

Es gehe nicht darum, den Wolf zu fangen, sondern darum, Stimmen zu fangen – das habe man heute gemerkt, so Paul Köllensperger (Team K). So wie man gehört habe, sei es bereits jetzt möglich, Wölfe zu entnehmen. Das Gesetz werde fast sicher in Rom angefochten werden – und warum? Weil es nicht einmal ansatzweise einen Versuch des Herdenschutzes gebe. Herdenschutz sei zwar sehr schwierig, doch es gehe darum, es zumindest zu versuchen. Die Pilotprojekte des LR seien nicht durchgeführt worden. Das werfe das Ispra dem Land vor. Er werde an der Abstimmung nicht teilnehmen – er sei der Ansicht, dass es Lösungen brauche, aber dieses Gesetz biete solche nicht.

Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) bemerkte, dass die Bürger wegen der Großraubtiere Angst hätten, in die Berge zu gehen – eine Angst, die die Medien noch schüren würden. Das Gesetz werde natürlich sehr nahe an den Wahlen verabschiedet und es habe Lücken; er gehe auch davon aus, dass es angefochten werden werde. Doch man versuche mit dem Gesetz ein Signal zu geben, Rom zu zeigen, dass es ein Problem gebe, das es gelte zu lösen. Er werde für das Gesetz stimmen – auch wenn er wisse, dass es das Land nirgendwo hinbringen werde.

Marco Galateo (Fratelli d’Italia) sagte, er wisse nicht, ob das Gesetz ein Zauberstab sei, mit dem das Problem gelöst werden könne – aber es sei ein Schritt. Im Trentino würden viele Buchungen von Touristen gecancelt, weil diese Angst hätten. Wolle man dies auch in Südtirol? Wohl nicht. Und warum müsse man den Wolf schützen, aber nicht das Schaf? Es sei zudem wichtig, den Landwirten die Möglichkeit zu geben, ihre Tätigkeit weiter auszuüben. Das Problem müsse auch auf staatlicher und europäischer Ebene angegangen werden. Der Wolf sei in Europa weit verbreitet, doch die Situation in den verschiedenen Gebieten, in denen er verbreitet sei, sei sehr unterschiedlich.

LH Arno Kompatscher schickte an den Abg. Dello Sbarba voraus, dass nicht Äpfel und Birnen vermischt werden – die Gesetzgebung zur öffentlichen Sicherheit greife, wenn Menschen angegriffen würden, hier gehe es um die Almwirtschaft. Es sei interessant, dass man zum einen sage, das Gesetz gehe über die Zuständigkeiten voraus und werde eh angefochten werden, zum anderen fordere man mehr Mut. Es sei ihm bisher nie unterbreitet worden, eine Abschussverordnung zu unterschreiben. Von Ispra sei in den beiden genannten Fällen kein Gutachten gekommen, es habe nur gesagt, es könne kein positives Gutachten ausstellen. Mit dem nun vorliegenden Gesetz könne man dieser Situation eines fehlenden Gutachtens begegnen. Mit diesem Gesetz könne man Rom auch ein Signal senden.

Es täte weh, so Josef Noggler (SVP), wenn gesagt werde, es handle sich um ein Propagandagesetz, denn die Berglandwirtschaft leide. Mit dem Gesetz versuche man, dieses zu lösen – und mit nur dagegen sein, werde kein Problem gelöst. Alle Abgeordneten hätten in den vergangenen Jahren selbst Vorschläge zur Lösung – auch bessere – vorbringen können. Der Landesgesetzentwurf Nr. 143/23 wurde in der Schlussabstimmung mit 25 Ja, vier Nein und zwei Enthaltungen (drei nicht teilgenommen) genehmigt.

Von: mk

Bezirk: Bozen