"Katalonienkonflikt offenbart jahrelange Fehlpolitik der EU"

Katalonienkonflikt: Meinung der STF und FH

Donnerstag, 05. Oktober 2017 | 16:29 Uhr

Bozen – Die Süd-Tiroler Freiheit und die Freiheitlichen äußern sich heute zum Konflikt in Katalonien.

So meint etwa Cristian Kollmann von der Süd-Tiroler Freiheit, dass der Katalonienkonflikt jahrelange Fehlpolitik der EU offenbare.

„Die Zurückhaltung der Europäischen Kommission bzw. deren einseitige Solidarität mit Spanien im Katalonienkonflikt wird immer beschämender, und hierbei offenbart sich ihre jahrelange Fehlpolitik“, so Kollmann. „Die EU entwickelt sich immer mehr zu einer Kaste von Demokratieheuchlern und Selbstbestimmungsdiffamierern. Das Ausmaß des Schadens, den insbesondere die EU-Kommission in diesen Tagen anrichtet, ist nicht zu unterschätzen, und er wird nachhaltig sein. Ihre jahrelange Fehlpolitik der Nationalstaaterei, des Ignorierens des Selbstbestimmungsrechts und der ach-so-unverrückbaren Staatsgrenzen fliegen ihr nun um die Ohren, und damit riskiert sie, dass sich auch viele bisherige EU-Befürworter von ihr abwenden.“

 

Für Autonomiereferent Wolfgang Niederhofer von den Freiheitlichen ist die Demokratie auf halber Strecke steckengeblieben.

“Europa schaut derzeit aus verschiedensten Gründen gespannt nach Katalonien. Der spanische Zentralstaat und wahrscheinlich auch hohe politische Vertreter in Brüssel haben wohl bis zum Schluss gehofft, dass die Katalanen das Referendum noch im allerletzten Moment zurückziehen. Diese haben das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 gegen den geballten Widerstand aus Madrid durchgezogen. Und nun steht tatsächlich etwas im Raum, das es laut Dogmatikern des Völkerrechts und Anhängern des Status quo nicht geben dürfte: Die mögliche Neugründung eines Staates, ohne dass es sich dabei um eine Kolonie handelt gegen die systematisch Gewalt angewandt wird oder sonst „völkerrechtlich relevante“ Gründe für eine Loslösung sprechen würden. Auch für Südtirol sind die Entwicklungen in Katalonien von größter Bedeutung. Verfassungsrechtlich ähnelt die Situation in Katalonien viel mehr dem Fall Südtirol, als etwas das Unabhängigkeitsreferendum im September 2014 in Schottland. Während sich die schottische Regionalregierung und die britische Regierung in London auf eine geregelte Abstimmung verständigten beruft sich Madrid auf die spanische Verfassung, die ein solches Referendum nicht vorsieht. Auch die italienische Verfassung zementiert im Art. 5 die Unteilbarkeit des Staatsgebietes”, so Niederhofer.

Das Recht auf Selbstbestimmung, wie es vom Völkerrecht vorgesehen wird, werde von den meisten – allerdings nicht von allen – Völkerrechtlern sehr einengend interpretiert. “Vielfach verständigt man sich auf die Formel, dass das Völkerrecht das Recht auf Selbstbestimmung nur im Zuge der Entkolonialisierung entwickelt hat bzw. systematische Gewaltanwendung im Spiel sein muss. Gründe, die in Katalonien in der Tat nicht zutreffen.” Trotzdem sei eine alleinige Diskussion über völkerrechtliche Aspekte und Nuancen in Europa des Jahres 2017 nicht zielführend. “Neben völkerrechtlichen Aspekten gibt es die viel bedeutendere demokratiepolitische Frage. Hat eine Region, deren Bürger über eine demokratische und friedlich vorgetragene Willensbekundung die Loslösung von einem Zentralstaat wünschen, diese Möglichkeit oder nicht? Wird dem demokratischen Wunsch dieser Bürger nachgekommen oder nicht? Die spanische Verfassung spricht eine klare Sprache. Alle, auch demokratisch legitimierte und friedlich durchgeführte Maßnahmen, die die Integrität des Staatsgebietes in Frage stellen, sind laut Verfassung illegal”, heißt es weiter.

“Nun ist auch eine Verfassung nur ein von Menschenhand erarbeitetes und genehmigtes Papier, das, obwohl durch hohe Hürden geschützt, abgeändert werden kann. Die Katalanen verfügen selbst, wenn sie von anderen spanischen Regionen, wie dem Baskenland oder Galizien unterstützt würden, nie und nimmer über die dafür notwendigen qualifizierten Mehrheiten. Hier bedürfte es über eine große Mehrheit im spanischen Parlament. Der demokratisch und friedlich vorgetragene Wunsch der Katalanen läuft ins Leere. Verfassungsrechtler sprechen in Katalonien deshalb von einer verfassungsrechtlichen Sackgasse. Ein übergeordnetes Gremium, das hier schlichtend eingreifen könnte gibt es nicht. Die EU steht bis dato abseits bzw. deckt Madrid den Rücken. Trotzdem ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass Katalonien aus diesem Prozess als unabhängiger Staat hervorgehen könnte”, so der Freiheitliche abschließend.

Von: luk

Bezirk: Bozen