Corona war ein großes Thema

Landtag: Anhörung der Anwaltschaften

Dienstag, 05. Mai 2020 | 17:47 Uhr

Bozen – Zu Beginn der heutigen Landtagssitzung bat Landtagspräsident Josef Noggler um eine Schweigeminute für den kürzlich verstorbenen ehemaligen Landtagsabgeordneten Antonino Lo Sciuto, der von Mai 1999 bis November 2003 Mitglied des Landtags war (Forza Italia – Centro Cristiano Democratico). Antonino Lo Sciuto war sieben Jahre lang Quästor von Bozen und zuvor Sekretär der Italienischen Einheitsgewerkschaft der Polizeibediensteten.

Erster Punkt auf der Tagesordnung der Sitzungswoche war die Anhörung von drei der beim Landtag angesiedelten Anwaltschaften: Volksanwältin, Kinder- und Jugendanwältin und Gleichstellungsrätin, die über die Auswirkung der Corona-Krise auf ihren Tätigkeitsbereich berichteten.

Volksanwältin Gabriele Morandell berichtete, dass 80, 90 Prozent der Themen, welche vorgebracht wurden, mit Corona zu tun hatten. Die Volksanwaltschaft selbst war natürlich auch von den Einschränkungen betroffen: kein Parteienverkehr, keine Sprechstunden vor Ort. Viele Beschwerden betrafen die Verständlichkeit der verschiedenen Dekrete, die Leute wussten nicht mehr, was sie durften und was nicht. Viel Konfusion habe es etwa zu den 200 Metern Ausgang gegeben, von denen in den Dekreten des Landeshauptmanns nie etwas gestanden habe. Viele Bürger hätten sich auch erkundigt, wie man gegen die Verwaltungsstrafen in Zusammenhang mit den Beschränkungen rekurrieren können. Das Verhältnis zwischen Ordnungskräften sei gespannt gewesen, das Vertrauensverhältnis gestört. Ein Problem sei auch die unterschiedliche Herangehensweise der Polizeikräfte. Nützlich seien hier Rundschreiben des Gemeindeverbandes und Aussprachen mit dem Landeshauptmann gewesen.

Oft angesprochen worden sei die Situation in den Alten- und Pflegeheimen, das Eingeschlossen-sein, das Fehlen der sozialen Kontakte. Morandell rief dazu auf, das Geschehen genau zu studieren, um in einer ähnlichen Situation besser reagieren zu können. Viele Bürger, die unter Quarantäne standen, hätten sich beschwert. Man habe sich vernachlässigt und nicht informiert gefühlt. Morandell zeigte Verständnis angesichts der Dringlichkeit, umso mehr sei genau zu analysieren, was alles passiert sei. In ihrem Bereich hätten sich die Themen nicht verändert, sondern zugespitzt, berichtete Gleichstellungsrätin Michela Morandini. Vor allem gehe es um Diskriminierung am Arbeitsplatz (30%) und um Vereinbarkeit von Familie und Beruf (22%). Die Mediationstätigkeit habe zugenommen, auch weil immer mehr Gewerkschaften und Organisationen eine Zusammenarbeit suchten.

In dieser Krisenzeit hätten sich vermehrt Frauen über arbeitsrechtliche Fragen informiert. Viele hätten berichtet, dass sie ihren Arbeitsplatz verlassen müssten, vor allem wegen der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Bei den Männer seien andere Gründe vorwiegend. In der Corona-Zeit habe sie festgestellt, dass die Informationsflut die Menschen verunsichert habe. Viele seien einen Schalter gewohnt, an den sie sich persönlich wenden können, und dies habe gefehlt. In sehr vielen Fällen ging es um arbeitsrechtliche Probleme in Zusammenhang mit der Krise: Inanspruchnahme des Urlaubs, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bei vulnerablen Gruppen habe sich die Situation durch die Krise noch zugespitzt. Der Babysitter-Bonus sei ein Informationsdschungel gewesen, ebenso gebe es Unsicherheit zur Kumulierbarkeit der Unterstützungsmaßnahmen. Auch Arbeitgeber sorgten sich um die Kinderbetreuung, da sonst Mitarbeiterinnen abspringen würden.

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Morandini berichtete auch über Tätigkeit und Anliegen des Monitoringausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderung, dem sie vorsteht. Der Ausschuss dränge darauf, dass auch in der Phase 2 die Dienste für Behinderte gewährleistet werden. Menschen mit Behinderungen seien von der Krise und ihren Einschränkungen doppelt betroffen. Kinder mit Behinderungen könnten etwa nicht so leicht dem Onlineunterricht folgen. Außer Haus seien Behinderte oft auf die Hilfe anderer angewiesen, was bei den heutigen Distanzregeln schwierig sei.

Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller berichtete zunächst über die Tätigkeit im vergangenen Jahr, in dem 1.233 Akten bearbeitet wurden. Die Anfragezahlen nähmen zu, was auch bedeute, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft als Anlaufstelle angenommen werde. Die behandelten Fälle betrafen oft delikate, meist tragische und fast immer dringende Angelegenheiten: Ob es sich nun um körperliche, psychische oder sexualisierte Gewalt, Diskriminierung von jungen Menschen, Integration und Inklusion von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in der Schule und im Alltag, familiäre Konflikte oder Mobbing und Cybermobbing handelt. Diese Situationen, die ein offenes Ohr, viele Gespräche und Geduld erfordern, werden von der Kinder- und Jugendanwaltschaft oft über einen längeren Zeitraum begleitet. Weitere Aufgaben ihrer Behörde seien die Sensibilisierung der Erwachsenen und der Austausch mit anderen Einrichtungen und Behörden, der für die Arbeit sehr wichtig sei.

Während der Corona-Krise sei es bei ihren Fällen sehr oft um das Besuchsrecht der Eltern gegangen, an zweiter Stelle um die Kinderbetreuung, wenn die Schule geschlossen hat. Ein wichtiges Thema sei auch die Bewegungsfreiheit der Kinder gewesen. Beim Fernunterricht habe es Anfragen gegeben zur Rechtmäßigkeit der Benotung und der Privacy. Weitere Themen waren das grenzüberschreitende Besuchsrecht und der Jugendschutz. Die Krise habe bestehende Probleme vergrößert, vor allem bei den armutsgefährdeten Familien. Nicht jeder Schüler habe die Ausrüstung und den Platz, um dem Fernunterricht zu folgen. Man sollte erheben, wie viele Kinder nicht am Unterricht teilnehmen können. Für Kinder mit Behinderung sei der Fernunterricht eine besondere Herausforderung, ebenso für Kinder mit Migrationshintergrund. Bei Problemen in der Familie würden Kinder oft Opfer von Gewalt, ohne dass Lehrer oder Trainer die Spuren bemerken könnten. Solche Fälle seien oft von Nachbarn gemeldet worden, andere Formen von Gewalt seien weniger ersichtlich. Die Pandemie habe tief in den Alltag der Kinder eingegriffen. Kinder seien in dieser Krise zu wenig gehört worden, ihnen sollte man eine Stimme geben.

Anschließend nutzten die Abgeordneten die Gelegenheit für Fragen und Bemerkungen. Sie dankten Morandell, Höller und Morandini für ihre Berichte und hoben auch mehrmals hervor, dass sie dadurch einen Einblick in konkrete Auswirkungen der Krise bekämen, die vielfach übersehen würden.

Von: luk

Bezirk: Bozen