Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 283/20: Von der Soforthilfe zur Covid 19-Hilfe (eingebracht von den Abg. Rieder, Köllensperger, Ploner F., Faistnauer, Ploner A. und Unterholzner am 12.05.2020, mit aktuellem Ersetzungsantrag vom 8.3.2021) befasst. Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die „Covid-Soforthilfe“ in eine „Covid-Hilfe“ umzuwandeln und diese ab sofort bis zum Ende des Covid-Notstandes einzuführen. 2. Für die Anspruchsberechtigten (eingereichte Ansuchen von Dezember bis März) die Covid-Hilfe automatisch zu verlängern, wenn keine Änderung der Arbeitssituation eingetreten ist. 3. Eine Anpassung der Kriterien der Covid-Hilfe vorzunehmen und so zu gestalten, dass Einzelpersonen und Familien, die kein oder nur ein geringfügiges Einkommen haben, Anrecht auf die Unterstützung haben. 4. Die Beiträge rückwirkend bis Dezember 2020 für alle Anspruchsberechtigten zu erhöhen. 5. Für den Zeitraum der Covid-Soforthilfe (Ansuchen ab Dezember für 3 Monate –bis Ende März) rückwirkend die angepassten Kriterien anzuwenden und auch jenen, die bisher keinen Anspruch hatten, die Möglichkeit zur Vorlage eines Gesuches zu geben. 6. Festzulegen, dass die Gesuche um Covid-Hilfe bis zum Ende des Covid-Notstandes jederzeit vorgelegt werden können. 7. Die Mitarbeiter in den Sozialsprengeln durch die befristete Aufnahme neuer Mitarbeiter zu unterstützen, um die Bearbeitung der Gesuche zu beschleunigen.
Viele seien bisher durch den Rost gefallen, erklärte Maria Elisabeth Rieder (Team K), vor allem Saisonangestellte. Die Hilfe für zu Familien sei anzuheben, wobei man eine Gleichberechtigung zwischen Familien und Betrieben, etwa bei der Vermögensbewertung, anstreben müsse. Manche hätten aus Termingründen nicht ansuchen können, daher seien die Kriterien rückwirkend anzupassen. Die Mitarbeiter in den Sozialsprengeln seien in dieser Zeit stark unter Druck, sie hätten eine Entlastung durch neues Personal nötig. Schließlich sollten die Beihilfen entbürokratisiert werden; in Zeiten der E-Mail sollte jemand nicht auf einen Brief warten müssen.
Franz Ploner (Team K) unterstützte die Absicht, die Soforthilfen in Covid-Hilfen umzuwandeln, denn die Schäden seien längerfristig. Der Zugang müsse möglichst einfach gestaltet werden. Die vorgesehene Summe von 50 Mio. für diesen Bereich sei nicht ausreichend. Josef Unterholzner (Enzian) teilte das Prinzip, dass Leute für ihr Erspartes nicht bestraft werden sollten. Andererseits müsse man jetzt vor allem auf jene schauen, die nicht in der Lage waren, sich etwas anzusparen, z.B. junge Leute mit Familie, Arbeitslose usw. Wer schon 20-30 Jahre einen Betrieb habe, sollte eigentlich schon genügend angespart haben. Das Verfahren über die Post abzuwickeln sei heute nicht mehr tragbar.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) schlug eine digitale Plattform zur Information und zur Abwicklung vor, wie beim Bürgereinkommen. Derzeit sei alles weit verzweigt. Brigitte Foppa (Grüne) unterstützte den Antrag. Die gute hauswirtschaftliche Planung sei derzeit außer Kraft gesetzt, die Krise mache vieles hinfällig. Sie dauere zu lange, und eine Familie, ein Betrieb könnten das nicht mehr schultern.
Paul Köllensperger (Team K) erkannte an, dass mit dem neuen Hilfspaket eine gewisse Aushilfe geschaffen werde. Es werde auch der Mittelstand berücksichtigt, der bisher nur Steuerzahler war. Richtig sei auch die Erhöhung der Beträge von 500 auf 700 Euro. Es gebe aber noch ein paar Schwachstellen. Man habe ein zeitliches Loch, das de facto bis Juni dauern werde, daher seien die Familienbeihilfen zu verlängern.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) wies darauf hin, dass Südtirol von einer der wohlhabendsten Regionen Europas zu einem Land geworden sei, in dem viele vor dem Zusammenbruch stünden. Viele Familien und Unternehmen hätten in den letzten Jahren Kredite aufgenommen und hätten jetzt Stundungen nötig. Das wäre eine schnelle Hilfe.
Magdalena Amhof (SVP) wies auf das engmaschige Südtiroler Sozialsystem hin, das in der Krise aber auch Schwachstellen zeige. Wenn man schnell ändern müsse, komme es oft zu neuen Ungerechtigkeiten. Daher habe man die Sozialsprengel kontaktiert und erhoben, wo nachzubessern sei. Bei den Familien sei das Einkommen und das Finanzvermögen angehoben worden, um die Ausfälle besser abfedern zu können. Die Sozialsprengel würden die Antragsteller sehr gut beraten, eine eigene Beratungsschiene sei nicht sinnvoll. Die 500 Mio. Euro würden nicht schon morgen auf den Konten der Antragsteller landen, es brauche eine Zeit der Bearbeitung.
In den letzten Wochen sei hart an dem Hilfspaket gearbeitet worden, das auf die verschiedenen Bedürfnisse eingehe, erklärte Helmut Tauber (SVP). Man habe sich dafür auch intensiv mit den Sozialpartnern beraten und auch Sonderlösungen für jene gefunden, die im Winter kein Einkommen hatten.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) fand die Punkte des Antrags unterstützenswert. Man wisse aber noch nicht, wie das Hilfspaket von 500 Mio., das man morgen beschließen werde, ausgegeben werde. Die Situation sei dramatisch, man müsse vor allem jene unterstützen, die arbeiten und die Arbeit schaffen.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) sah das Problem im Begriff “Soforthilfen”, denn diese seien nicht sofort gekommen. Gerade in den letzten Monaten hätten viele das Geld dringend gebraucht. Sicher würden sich die Ämter bemühen, aber sie würden im System hängen. Das Landeshilfspaket werde ungefähr zugleich mit dem staatlichen Paket beschlossen. Das Land müsse nun zeigen, dass es schneller auszahlen könne. Man sei zu spät dran, bestimmte Branchen würden das Geld erst sehen, wenn sie wieder arbeiten könnten.
LR Waltraud Deeg kündigte an, dass man dem Antrag nicht zustimmen werde. Die wichtigsten Forderungen würden bereits im Hilfspaket übernommen. Südtirol habe ein gutes soziales Netzwerk, das angesichts der Krise ausgeweitet werde. Sie stimmte zu, dass man mit der Auszahlung schneller werden müsse. 180 Mio. gingen an Familien und Mittelstand, 135 Mio. seien für Mietbeihilfen und Nebenkosten. Die Sozialsprengel hätten 25.000 Gesuche bearbeitet, eine Personalaufstockung sei vorgesehen, aber es gebe keine Nachfrage. Das Hilfspaket erweitere den Kreis der Anspruchsberechtigten und ergänze die staatlichen Hilfsgelder. Auch die Einkommenskriterien würden angepasst. Man werde auch eine Brücke schaffen zwischen den bestehenden Leistungen und den neuen, damit im Frühjahr kein Loch entstehe. Was im Antrag stehe, sei bereits in Umsetzung, man sei aber für weitere Vorschläge offen. Man werde auch eine digitale Lösung schaffen, denn die Sozialsprengel würden noch mehr Gesuche nicht schaffen.
Maria Elisabeth Rieder wunderte sich über die Ablehnung. Sie werde genau prüfen, ob alle Forderungen des Antrags mit dem Hilfspaket berücksichtigt würden. Das Entscheidende am Beschlussantrag sei die Abänderung der Kriterien, und dazu habe Deeg nichts Genaueres gesagt, und die Berücksichtigung jener, die bisher nichts bekommen hätten. Der Antrag wurde mit 16 Ja und 19 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 379/21: „Minority Safe Pack“: Eine Million Unterschriften für die Vielfalt Europas – umsonst! (eingebracht von den Abg. Leiter Reber und Mair am 24.01.2021) und Beschlussantrag Nr. 399/21: „Minority SafePack“: Wir bleiben dran! (eingebracht von den Abg. Lanz, Tauber, Achammer, Alfreider, Amhof, Deeg, Kompatscher, Hochgruber Kuenzer, Ladurner, Locher, Noggler, Renzler, Schuler, Vallazza und Widmann am 17.02.2021) wurden gemeinsam behandelt.
Der Antrag der Freiheitlichen fordert den Landtag auf, 1. eine Protestnote an die Europäische Kommission zu richten, da sie angesichts der „Minority SafePack“- Bürgerinitiative tatenlos geblieben ist; 2. den Präsidenten des Europäische Parlaments zu ersuchen die Anliegen der MSPI erneut aufzugreifen und den entsprechenden Handlungsdruck auf die EU-Kommission zu erhöhen; 3. das demokratische Bürgerrecht der Europäischen Bürgerinitiative als partizipatives Instrument besonders zu würdigen und als verbindendes Element zwischen der Vielfalt der Völker Europas und den Institutionen der Europäischen Union hervorzuheben.
Es handle sich um die bisher größte Initiative zum Minderheitenschutz in Europa, erklärte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) und es gehe um 50 Millionen Bürger. Viele Südtiroler hätten die Initiative unterschrieben und unterstützt, Alt-LH gehöre zu den Promotoren, und auch der Landtag habe es mitgetragen. Die Bürgerinitiative fordere verschiedene Unterstützungsmaßnahmen für Minderheiten, unter anderem die Aufnahme des Minderheitenschutzes in die Ziele der Regionalförderung, die Abschaffung des Geoblockings durch ein europäisches Autorenrecht und andere Maßnahmen. Die Initiative sei im Europaparlament ausführlich und wohlwollend diskutiert. Umso enttäuschender sei die lapidare Antwort der EU-Kommission gewesen. Sie sei prinzipiell dafür, sehe aber keine konkreten Maßnahmen für die Umsetzung vor. Auch an der Haltung zu Katalonien sehe man, dass sich Europa nicht an die eigenen hehren Ziele halte.
Mit dem Antrag der SVP soll die Landesregierung beauftragt werden, 1. die EVTZ-Versammlung aufzufordern eine gemeinsame Position für die Erhaltung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt Europas und gegen den Trend der Assimilierung und des Sprachverlusts auf europäischer Ebene zu verabschieden; 2. den Landeshauptmann aufzufordern im Ausschuss der Regionen die Minderheiten und regionale Sprachenpolitik der EU zu thematisieren und Empfehlungen sowie proaktive Unterstützung in Form von Fördermitteln von den Europäischen Institutionen für kleinere Sprachgemeinschaften einzuräumen; 3. die Europäische Kommission aufzufordern, bei ihrem künftigen Agenda-Setting die Themenbereiche der MSPI in allen Politikbereichen zu berücksichtigen und die Initiatoren im Sinne des Artikel 11 Absätze 2 und 3 des Vertrages über die Europäische Union weiterhin in diesen Prozess miteinzubeziehen; 4. den Präsidenten des Europäischen Parlaments zu ersuchen, die Anliegen der MSPI gemäß Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 47 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments erneut aufzugreifen und die Kommission aufzufordern, geeignete Gesetzgebungsvorschläge zu den Themenbereichen der MSPI zu unterbreiten;. ein Schreiben an die EU-Parlamentarier Italiens und Österreich, sowie an die Mitglieder der Intergruppe für nationale Minderheiten des Europäischen Parlaments zu verfassen und sie zu ersuchen, die Vorschläge der MSPI und das Thema Minderheitenrechte auf die Agenda der europäischen Institutionen zu setzen.
Gerhard Lanz (SVP) sah seinen Antrag als nicht als Gegenvorschlag, sondern als Erweiterung. Der SVP sei es ein Anliegen, den Minderheitenschutz auch auf europäischer Ebene voranzubringen, deshalb habe sie das Safe Pack breit unterstützt. Die meisten Unterschriften in Italien seien in Südtirol gesammelt worden. Der Antrag richte sich auch an die Landesregierung, die auf verschiedenen Ebenen Gelegenheit habe, das Anliegen voranzubringen, z.B. im Ausschuss der Regionen.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) warnte vor Missverständnissen. Die EU sei eine Union von Staaten, es sei nicht ihre Aufgabe, die Staaten zu untergraben. Wenn man das berücksichtige, sei auch eine Initiative für den Minderheitenschutz tragbar. Dem Freiheitlichen-Antrag könne er daher zustimmen, Probleme sehe er beim SVP-Antrag, der die Landesregierung auffordere, sich auch bei österreichischen Abgeordneten für die Sache einzusetzen – das wäre ein diplomatischer Fauxpas.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte die Zustimmung zu beiden Anträgen an. In Europa sehe man ein Trauerspiel. Wenn die EU nicht bereit sei, sich für die europäischen Minderheiten einzusetzen, dann sei sie gescheitert. Es gebe mehr Minderheiten als Staaten. Das Europaparlament liefere die die Abgeordneten Kataloniens der spanischen Willkürjustiz aus, und die europäischen Volksparteien würden das stillschweigend hinnehmen. Punkt 1 des SVP-Antrags sei gut, aber müsse den Schutz der Sprache auch in Südtirol vorleben.
Ulli Mair (Freiheitliche) erinnerte daran, dass auch 2017 zwei Beschlussanträge von Freiheitlichen und SVP zum Thema angenommen wurden. Die EU sei bei Minderheitenschutz abwesend, auch wenn sie in Sonntagsreden deren Wert unterstreiche. Südtirol stehe im Vergleich zu anderen Minderheiten gut da und sei verpflichtet, andere Minderheiten zu unterstützen.
Die EU sehe sich als “Einheit in der Vielfalt”, erklärte Jasmin Ladurner (SVP), und darum gehe es auch bei Minderheiten, aber davon sehe man bei der EU nichts. Das Thema sei wichtig genug, um dranzubleiben. Sie unterstrich die Bedeutung eines einheitlichen Autorenrechts, das vor allem von jungen Europäern gewünscht werde, um digitale Inhalte über die Grenzen hinweg empfangen zu können.
LR Daniel Alfreider dankte den beiden Erstunterzeichnern der Anträge und freute sich über die Zusammenarbeit, die vor allem bei diesem Thema wichtig sei. Durch die Unterstützung des Landtags habe sich Südtirol europaweit in der Frage positioniert. 2012 sei diese Initiative in Südtirol gestartet, unter Federführung der SVP, aber mit der Mitarbeit vieler. Es sei wichtig, nicht verschiedene Dinge zu vermischen, wie Urzì es mache. Das Minority Safe Pack sei sehr sachlich, es fordere einen Mindeststandard zum Minderheitenschutz und sei keine Einmischung in staatliche Angelegenheiten. Es seien konkrete Anliegen, die auch für die Mehrheit einen Mehrwert bringen würden. Südtirol gehe es besser als vielen anderen Minderheiten, und es müsse sich daher solidarisch zeigen. Man sei enttäuscht von der Antwort der EU-Kommission, man hätte sich zumindest die Zustimmung zu einigen Punkten erwartet. Mit diesen Beschlussanträgen fühle man sich bestärkt, das Thema weiter voranzutreiben.
Andreas Leiter Reber dankte für die breite Zustimmung, zeigte sich aber mit der Antwort des Landesrats nicht zufrieden. Südtirol stelle sich als bestgeschützte Minderheit dar, vergesse aber die vielen Hausaufgaben, die noch zu erledigen seien: Berücksichtigung der Ladiner, Berufsverzeichnisse, Ortsnamen usw.
Auch Gert Lanz bedankte sich für die Zustimmung. In Richtung Urzì sagte er, dass es für ihn selbstverständlich sei, sich in Minderheitenfragen auch an österreichische Parlamentarier zu wenden. Südtirol habe gute Rahmenbedingungen, um den Minderheitenschutz umzusetzen, aber natürlich gebe es noch Dinge, bei denen nachzubessern sei. Der Antrag der Freiheitlichen wurde mit 30 Ja einstimmig angenommen. Der Antrag der SVP wurde mit 30 Ja und einem Nein angenommen.