Grüner Antrag knapp abgelehnt

Landtag befasst sich mit Bildungsoffensive

Mittwoch, 09. November 2022 | 17:46 Uhr

Bozen – Die Landtagsabgeordneten der Grünen haben einen Beschlussantrag eingebacht, um den Lehrerberuf auf mehreren Ebenen aufzuwerten. Der Antrag wurde im Landtag nur knapp abgelehnt.

Nr. 599/22: Bildungsoffensive 2030 (eingebracht von den Abg. Staffler, Foppa und Dello Sbarba am 15.06.2022, Ersetzungsantrag vom 4. 11. 2022). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. innerhalb von acht Monaten einen Entwurf zur „Bildungsoffensive 2030“ ausarbeiten zu lassen und diesen dem zuständigen Gesetzgebungsausschuss zu präsentieren; 2. eine vergleichende Studie der Bildungsausgaben der OECD-Staaten erstellen zu lassen mit dem Ziel, strukturelle und finanzielle Schwachpunkte des Südtiroler Bildungssystems herauszuarbeiten; 3. zwischenzeitlich im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen für das unterrichtende Personal aller Schulstufen finanzielle Pakete zu schnüren, welche mittelfristig eine substantielle Anhebung der realen Gehälter gewährleisten; 4. für das unterrichtende Personal aller Schulstufen flankierende Maßnahmen wie beispielsweise Age Management, alternative Arbeitszeitmodelle, Resilienzprogramme, Coachingangebote oder andere unterstützende und wertschätzende Projekte zu konzipieren.

Der Antrag war bereits in der September-Sitzung andiskutiert worden. Das Bildungssystem brauche eine Offensive, meinte Hanspeter Staffler (Grüne), es habe von vorne bis hinten mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Komplexität der Gesellschaft bilde sich im Bildungssystem ab, die Lehrkräfte hätten mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen als vor 15, 20 Jahren. Das andere sei der finanzielle Aspekt. Die Bildungswelt habe einen Reallohnverlust hinnehmen müssen. Südtirol investiere viel in die Schule, ein Teil davon seien Autonomiekosten. Die Herausforderung sei es, die Motivation hochzuhalten und den Beruf attraktiv zu erhalten. Viele Lehramtsstudenten würden überlegen, ob sie nach Südtirol zurückkommen oder in Österreich bleiben sollen. Die Rahmenbedingungen hier seien nicht optimal, sondern unterdurchschnittlich. In den letzten Jahren seien viel zu wenig Mittel in die Schule investiert worden. Südtirol habe im europäischen Vergleich einen großen Investitionsanteil im Haushalt, man könne also die Mittel finden.

Viele Lehrer würden klagen, dass es so nicht mehr weiter gehe, bemerkte Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol). Die Fachlehrer dürften bis zu 50 Prozent nebenher verdienen, ein Zeichen, dass das Gehalt mager sei. Andere müssten kündigen, weil ihre Nebentätigkeit die 30 Prozent überschreite. Das sei eine Ungleichbehandlung. Faistnauer befragte die Landesregierung nach ihren diesbezüglichen Absichten.

Vieles in der Südtiroler Schule funktioniere sehr gut, urteilte Alex Ploner (Team K), aber in verschiedenen Bereichen gebe es dringenden Handlungsbedarf. Bei den Gehältern dürfe sich Südtirol nicht mit Italien vergleichen, man müsse in die Schweiz schauen, nach Österreich und Deutschland. Man stehe auch in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft, daher sei es auch schwer, Lehrkräfte im Digitalbereich zu finden. In vielen Bereichen sei zu optimieren, und zwar schnell. Die politisch Verantwortlichen wüssten, was zu tun wäre.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) unterstützte den Antrag, wenngleich mit Abstrichen. Man sei noch weit vom europäischen Standard entfernt, vor allem aber gebe es ein Gefälle zwischen deutscher und italienischer Schule. Für letztere gebe es keine berufsbefähigenden Kurse, daher gebe es dort auch so viele Supplenten. Es brauche nicht neue Studien, sondern den Willen zur raschen Umsetzung der bereits bekannten Lösungen. Nicolini sah auch einen Widerspruch zwischen einer Schule, die immer mehr auf Inklusion setze, und den Plänen der neuen Regierung, die die Leistung zur Priorität erkläre. Er unterstützte schließlich die Forderung nach einer Anpassung der Gehälter an die Lebenshaltungskosten.

Josef Unterholzner (Enzian) plädierte für eine grundlegende Reform des Schulwesens. Man müsse sich fragen, ob Südtirol noch wettbewerbsfähig sei, wenn viele Lehrkräfte in die Schweiz oder nach Österreich abwanderten. Hierzulande seien die Lohnnebenkosten zu hoch, nicht nur in der Schule. Ein Problem sei auch der Verwaltungsaufwand, der von der eigentlichen Tätigkeit ablenke. Es sei Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Menschen ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können.

In der Südtiroler Schule wachse der Anteil von Lehrkräften, die nicht zweisprachig seien, bemängelte Marco Galateo (Fratelli d’Italia). Einen Mangel gebe es auch bei den Stützlehrern. Ein Großteil der italienischen Lehrkräfte wäre für eine zweisprachige Schule, in der deutschen Schule sei das nicht so – es gebe also zwei Visionen von der Schule. Er sprach sich grundsätzlich für den Antrag aus.

Die Debatte sei ein Allerlei aus dem Schulbereich, bemerkte LR Philipp Achammer. Um auf alles einzugehen, wäre ein Treffen zwischen Gesetzgebungsausschuss und Fachkräften nützlich. Er gab Unterholzner recht, dass die Schule überfrachtet sei mit Dingen, die nicht zum wesentlichen Auftrag gehörten. Heute sei die Herausforderung, auf verlässliches Wissen zuzugreifen. Die Schule sei nicht mehr nur ein Wissensvermittler, die Schüler würden ihr privates Leben nicht ablegen, wenn sie die Schule beträten. In der Schweiz gebe es für Lehrer ein Supergehalt, in Österreich liege das Niveau teilweise unter dem Südtirols, in einigen deutschen Bundesländern sei es höher. Südtirols Schulsystem habe Mehrkosten, auch wegen der vielen kleinen Schulen. In Südtirol sei die Aussteigerquote geringer und es gebe mehr Schüler, die unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Hintergrund einen Bildungserfolg hätten. Guter Unterricht seien nicht die 50 Schulprojekte, man müsse auf das Wesentliche schauen. Er sei für eine Anpassung der Gehälter, aber eine Bezahlung wie in der Schweiz sei nicht leistbar. Für die Tarifverhandlungen habe man 64,5 Mio. Euro bereitgestellt, rund 114 Euro brutto ab Jänner 2023. Die Mittel für die Digitalisierung würden nicht fehlen, es fehlten aber die Projekte. Immerhin sei die Entwicklung während der Pandemie schneller vorangegangen.

Hanspeter Staffler stellte fest, dass der Landesrat einen Teil seiner Forderung unterstützt habe. Bei den Lohnerhöhungen müsse man die Erhaltung der Kaufkraft im Auge behalten, die in Österreich oder Deutschland anders sei, aber allein mit Geld sei nicht alles getan. Der Antrag wurde mit 15 Ja und 17 Nein abgelehnt.

Von: mk

Bezirk: Bozen