Beschlussantrag zu ökologischen Ausgleichsflächen abgelehnt

Landtag befasst sich mit Haushalt und Geschäftsordnung

Mittwoch, 07. Juni 2023 | 13:11 Uhr

Bozen – Die Arbeiten im Plenum des Landtages wurden heute Vormittag mit der Behandlung des Beschlussvorschlags Berichtigung des Haushaltsvoranschlages des Südtiroler Landtages für die Finanzjahre 2023, 2024 und 2025 fortgesetzt. Wie Landtagspräsidentin Rita Mattei dazu mitteilte, hat der Landtag mit Beschluss Nr. 3/23 vom 1. April 2023 die Abschlussrechnung für das Finanzjahr 2022 genehmigt, die zum 31. Dezember 2022 einen Verwaltungsüberschuss in der Höhe von Euro 4.577.531,42 aufwies. 162.493,95 Euro des genannten Verwaltungsüberschusses sind für Ausgaben des Landesbeirates für das Kommunikationswesen zweckbestimmt, wobei ein Teil dieses zweckbestimmten Verwaltungsüberschusses – 60.000,00 Euro – bereits im Zuge der Ausarbeitung des Haushaltsvoranschlages für die Finanzjahre 2023, 2024 und 2025 auf den Ausgabenkapiteln 01011.0420, 01011.0430, 01011.0440 und 01011.0450 eingeschrieben worden ist. Der verfügbare Anteil des Verwaltungsüberschusses beträgt folglich 4.415.037,47 Euro.

Gemäß Vorgaben des gesetzesvertretenden Dekretes vom 23. Juni 2011, Nr. 118 konnte der voraussichtliche Verwaltungsüberschuss nicht auf der Einnahmenseite des Haushaltsvoranschlages eingetragen werden. Die Eintragung des effektiven Verwaltungsüberschusses erfolgt nunmehr nach Genehmigung der Abschlussrechnung des Südtiroler Landtages für das Finanzjahr 2022 im Zuge der Berichtigung des Haushaltsvoranschlages für die Finanzjahre 2023, 2024 und 2025. Deshalb muss eine Berichtigung des Haushaltsvoranschlages für das Finanzjahr 2023 vorgenommen werden, mit welcher auf der Einnahmenseite der Verwaltungsüberschuss von insgesamt 4.577.531,42 Euro ausgewiesen wird; zudem müssen gewisse Änderungen an der Einnahmen- und Ausgabenseite vorgenommen werden. Der Beschlussvorschlag wurde ohne Diskussion mit 25 Ja und drei Enthaltungen angenommen.

Als nächster institutioneller Punkt auf der Tagesordnung stand der Beschlussvorschlag Änderungen der Geschäftsordnung des Südtiroler Landtages: Der Ausschuss für die Geschäftsordnung des Landtages ist dem Bericht des Beschlussvorschlages zufolge in der laufenden Legislaturperiode bisher zu 14 Sitzungen zusammengetreten, um über die von den verschiedenen Fraktionen eingereichten Anträge auf Änderung der Geschäftsordnung zu beraten. Die vom Ausschuss schließlich genehmigten Anträge wurden in einer aus vierzehn Artikeln bestehenden Anlage zum Beschlussvorschlag dem Plenum zur Abstimmung bzw. Genehmigung vorgelegt. Darunter u.a. die folgenden Anträge: Der Antrag im Artikel 1 (eingebracht von der Abg. Foppa) zielt darauf ab, dem Artikel 1 der Geschäftsordnung betreffend die erste Sitzung des Landtages nach den Wahlen einen neuen Absatz 3 anzufügen; der Antrag enthält die Vorgehensweise bei der Sitzplatzverteilung im Plenarsaal. Mit dem Antrag (des Abg. Köllensperger) im Artikel 2 wird dem Artikel 7 Absatz 2 der Geschäftsordnung ein Satz über die Wahl der Präsidialsekretäre und Präsidialsekretärinnen im Landtagspräsidium angefügt. Damit wird der Fall geregelt, dass der oder die in Vertretung der Opposition gewählte Präsidialsekretär bzw. Präsidialsekretärin im Laufe der Legislaturperiode zur politischen Mehrheit wechseln sollte. Um sicherzustellen, dass die Opposition eine Vertretung im Landtagspräsidium beibehält, wäre der Amtsverfall die vorgesehene Folge. Und mit dem Antrag im Artikel 11 (eingebracht von der Abg. Amhof) soll Artikel 92 Absatz 6 der Geschäftsordnung über die Behandlung der Tagesordnungen abgeändert werden. Der Antrag sieht vor, dem Absatz 6 einen Satz anzufügen, wonach der Einbringer bzw. die Einbringerin die Möglichkeit hat, die Tagesordnung drei Minuten lang zu erläutern, auch wenn sie bereits von der Landesregierung angenommen wurde.

Landtagspräsidentin Rita Mattei führte im Plenum die einzelnen Artikel kurz aus.
Art. 1 ( Sitzplatzverteilung treffen sich im Vorfeld der ersten Sitzung) wurde ohne Diskussion mit 26 Ja und 2 Enthaltungen angenommen.
Art. 2 (Präsidialsekretär/Präsidialsekretärin der/die in Vertretung der Opposition gewählt wurde, verfällt seines/ihres Amtes, sofern er/sie zur politischen Mehrheit übergeht) wurde mit 27 Ja angenommen.
Art. 3 (Rücktritt eines Landtagsabgeordneten/einer Landtagsabgeordneten und Ersetzung) wurde mit 24 Ja und 4 Enthaltungen angenommen.
Art. 4 (Im Artikel 14 Absatz 3 der Geschäftsordnung werden am Ende folgende Wörter hinzugefügt: „und stellt diesen dem Landtag vor.“) wurde mit 26 Ja und 2 Enthaltungen angenommen.
Art. 5 (betrifft Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe h) der Geschäftsordnung) wurde mit 26 Ja und 2 Enthaltungen angenommen.
Art. 6 ( Beschlüsse des Kollegiums der Fraktionsvorsitzenden) wurde mit 28 Ja angenommen.
Art. 7 (Sitzungsunterbrechungen) wurde mit 28 Ja angenommen.
Art. 8 (Live-Stream während Abstimmungen) wurde mit 28 Ja angenommen.
Art. 9 (Erläuterung eines Gesetzentwurfs von Seiten des Einbringers/der Einbringerin) wurde mit 26 Ja und 2 Enthaltungen angenommen.
Art. 10 (Artikel 91 Absätze 4 und 5 der Geschäftsordnung werden gestrichen) wurde mit 26 Ja und 2 Enthaltungen angenommen.
Art. 11 (angenommene Tagesordnungen) wurde mit 26 Ja und 2 Enthaltungen angenommen.
Art. 12 (befasst sich mit Artikel 97-bis Absatz 1 der Geschäftsordnung) wurde mit 28 Ja angenommen.
Art. 13 (befasst sich mit Artikel 110 Absatz 3 der Geschäftsordnung) wurde mit 28 Ja angenommen.
Art. 14 (Anfragen dürfen die Anzahl von 1.600 Anschlägen nicht überschreiten) wurde mit 28 Ja angenommen.

Der Beschlussvorschlag Änderungen der Geschäftsordnung des Südtiroler Landtages wurde in der Schlussabstimmung mit 26 Ja und zwei Enthaltungen angenommen.

Magdalena Amhof (SVP) beantragte sodann, dass in der Zeit der Mehrheit der Landesgesetzentwurf Nr. 143/23 Weideschutzgebiete und Maßnahmen zur Entnahme von Wölfen vorgezogen und als erster Punkt behandelt wird. Präsidentin Rita Mattei verwies darauf, dass sich das Plenum einstimmig darauf einigen müsse, ansonsten werde wie auf der Tagesordnung angeführt fortgefahren.

Es folgte die Behandlung des Beschlussantrags Nr. 709/23 Ökologische Ausgleichsflächen – Umsetzung und Ausweitung der AGRIOS-Richtlinien (eingebracht von den Abgeordneten Staffler, Foppa und Dello Sbarba am 16.05.2023): Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. Maßnahmen zu erlassen, um Einzelbetriebe oder Erzeugergenossenschaften im Obstbau zu motivieren, die AGRIOS-5-Prozent-Richtlinie für ökologische Ausgleichsflächen zügig umzusetzen; 2. Maßnahmen zu erlassen, um auch für die intensive Grünlandwirtschaft eine analoge Fünf-Prozent-Richtlinie für ökologische Ausgleichsflächen einzuführen.

Hanspeter Staffler (Grüne) verwies auf den von der Uno verabschiedeten Weltbiodiversitätsbericht 2019, der auf das Risiko eines gewaltigen Massensterbens von wildlebenden Pflanzen und Tieren hinwies. Es gebe neben der Klimakrise auch eine Biodiversitätskrise oder auch Naturkrise, die aber für die Menschen viel schwerer zu verstehen sei. Diese Krise habe es noch nicht in die mediale Welt, in die mediale Aufmerksamkeit geschafft, deshalb sei es wichtig, dass die Politik darauf hinweise und daran arbeite. Fachleute sprechen vom sechsten Massensterben, das fünfte globale Massensterben fand vor 60 Millionen Jahren statt, als es zum Zusammenbrechen der Dinosaurierpopulationen gekommen ist. Einige Parlamente hätten die Biodiversitätskrise bereits in ihre Agenda aufgenommen, das wichtigste davon sei das EU-Parlament, das noch vor der Coronazeit den Green Deal gestartet habe. Auf allen Ebenen seien es dieselben Gründe, die zur Naturkrise bzw. dem Artensterben geführt hätten: die Zerstörung der Lebensräume, Umweltgifte, die Ausbeutung des Meeres, die Klimaerhitzung und die intensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturen. Kleinlebensräume seien Refugien für wildlebende Pflanzen und Tiere, doch diese würden immer weniger – insbesondere auch wegen der Monokulturen. In Südtirol sei die Landwirtschaft wesentlich an der Naturkrise beteiligt. Das habe die Arbeitsgruppe für integrierten Obstbau, die AGRIOS, verstanden und schlägt für die intensive Obstwirtschaft ökologische Ausgleichsmaßnahmen vor, diese ökologischen Ausgleichsflächen sollten laut AGRIOS-Richtlinien 2023 mindestens 5 Prozent der gesamten Obstbaufläche betragen. Doch sei die Obstwirtschaft noch weit von dieser Fünf-Prozent-Vorgabe entfernt: kaum ein Betrieb habe ökologische Ausgleichsflächen geschaffen.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sagte, dass die Einhaltung dieser Richtlinien von ihm in einer Reihe von Beschlussanträgen eingefordert worden. Er habe festgestellt, dass einige der Umweltmaßnahmen – zum Glück – in europäische Kompetenz falle. Der zuständige Landesrat habe auf seine Anfrage u.a. geantwortet, dass es bereits zahlreiche geschützte Gebiete und Biotope gebe.

Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) erkundigte sich, ob man die fünf Prozent separat haben müsse oder ob auch Biotope im Besitz eines Landwirts als solche gelten. Wenn ein Grünlandbetrieb auch Wald besitze, könnte dieser auch als Ausgleichsfläche anerkannt werden?

LR Arnold Schuler schickte voraus, dass die Biodiversität eine große Herausforderung sei, ein sehr gefühltes Thema, das nicht nur die Landwirtschaft betreffe. Auch das Land Südtirol sei gefordert, Artenvielfalt nicht nur zu erhalten, sondern auch auszubauen. Südtirol sei aufgrund der geografischen und klimatischen Gegebenheiten ein Hotspot der Biodiversität. Es gebe Schwachstellen und Verbesserungspotenzial – das Thema Artenvielfalt sei für ihn ein Herzensthema, auch weil es das Land bzw. die Landwirtschaft zukunftsfähig machen könne. Die Herausforderungen rund um die Artenvielfalt seien aber auch eine Chance, sich zu differenzieren. Es brauche ein neues Qualitätsdenken, was die landwirtschaftlichen Produkte betreffe: Es sollten in erster Linie Premiumprodukte in einer sehr hohen Qualität produziert werden. Man müsse hier überall hohe Standards setzen, bei Wasser, Böden, Artenvielfalt – alles, was dazuzähle. Es sei notwendig, dass die zentralen Themen der Zeit bei der landwirtschaftlichen Produktion aufnehme. Seit 2012 seien die Ausgleichsflächen durch AGRIOS vorgesehen; bisher sei es so interpretiert worden, dass auch Biotopflächen als solche gerechnet wurden. Das andere seien Vorschriften vonseiten der EU und des Staates, letzterer sei derzeit dabei eine Biodiversitätsstrategie auszuarbeiten, wo man momentan von 10 Prozent Fläche pro Betrieb spreche. Wichtig sei aber vor allem auch, was auf diesen Ausgleichsflächen – egal, ob 5 oder 10 Prozent – passiere. Der Ansatz sollte sein, dass in einem gemeinsamen Projekt oder Umsetzung das erreicht werde, was man wolle. Es gebe zur Biodiversität der Obstbaufläche laufende Forschungsprojekte, etwa der Eurac. Er, so der LR, würde deshalb auch in diese Richtung weiterarbeiten und den Antrag – so gut er auch gemeint sei – deshalb ersuchen, abzulehnen.

Hanspeter Staffler (Grüne) unterstrich, dass der Antrag nicht nur gut gemeint sei, sondern auch notwendig. Die Prozente – insbesondere solche auf Betriebsebene – seien notwendig, weil ohne Prozente keine Flächen und ohne Flächen keine Lebensräume. Man habe immer noch Tendenzen, naturnahe Kleinlebensräume zu zerstören, etwa unlängst Nasswiesen in Olang, die entwässert worden seien. Auch Bagatelleingriffe trügen wesentlich dazu bei, dass laufend Kleinlebensräume verschwinden würden. Man müsse damit aufhören, diese Lebensräume zu zerstören. Insbesondere auf die wildlebenden Pflanzen und Tiere müsse geachtet werden, die durch die intensive Landwirtschaft in Bedrängnis gekommen seien. Die Weichen müssten jetzt umgelegt werden. Der Beschlussantrag wurde mit 14 Ja und 15 Nein abgelehnt.

Von: mk

Bezirk: Bozen